Entscheidungsstichwort (Thema)

Versender als Schuldner der Branntweinsteuer; Steuererhebungskompetenz bei Entziehung aus dem Steueraussetzungsverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Kann aufgrund der Fälschung des begleitenden Verwaltungsdokuments (vBD) bei der innergemeinschaftlichen Versendung unter Steueraussetzung der Transportweg von abhandengekommenen Branntweinerzeugnissen aus dem Steuerlager bis zum Bestimmungsort nicht nachvollzogen werden, so rechtfertigt dies die Inanspruchnahme des Versenders als Steuerschuldner. Dies gilt auch, wenn die Erzeugnisse zur Ausfuhr in das Außengebiet bestimmt waren.
  2. Steht der Ort des Entzugs der Erzeugnisse aus dem Steueraussetzungsverfahren nicht fest, ist der die Zuwiderhandlung oder Unregelmäßigkeit feststellende Mitgliedsstaat zur Erhebung der Branntweinsteuer berechtigt. Die Steuererhebungskompetenz liegt nur dann bei dem Abgangsmitgliedsstaat, wenn der Entzug aus dem Steueraussetzungsverfahren allein aufgrund des Nichteintreffens der Erzeugnisse am Bestimmungsort angenommen werden muss.
 

Normenkette

BranntwMonG § 143 Abs. 2, 4 Nr. 1; EWGRL 12/92 Art. 6 Abs. 2 S. 1, Art. 20 Abs. 1 S. 1, Abs. 2-3; Richtlinie 92/12/EWG Art. 6 Abs. 2 S. 1, Art. 20 Abs. 1 S. 1, Abs. 2-3

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 30.11.2004; Aktenzeichen VII R 25/01)

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Aufhebung eines Bescheides in der Gestalt der Einspruchsentscheidung, mit dem sie vom beklagten Hauptzollamt (HZA) auf Zahlung von 348.840,- DM Branntweinsteuer (BranntwSt) in Anspruch genommen wird. Streitig ist, ob Branntweinerzeugnisse, die aus dem Steuerlager der Klägerin stammen und im innergemeinschaftlichen Versandverfahren versendet worden sind, dem Steuerversandverfahren entzogen worden sind und wer die Erhebungskompetenz für die Besteuerung hat.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft (S.A.) des französischen Rechts.

Am 17.05.1996 teilte die Polizeiwache G dem Zollfahnungsamt (ZFA) mit, dass sich in der Ortschaft S auf dem Feldweg ein in den ehemaligen GUS-Staaten zugelassener LKW mit Auflieger befinde, der mit Wodkaflaschen beladen war. Als Fahrer wurde der Zeuge S (S) ermittelt. Die Ladung selbst bestand aus 19.530 Flaschen Wodka und wurde am 15.06.1996 mit dem von S gesteuerten LKW unter Steueraussetzung bei der Klägerin übernommen. Die Sendung war nach den Begleitpapieren zur Ausfuhr aus der EU über das Zollamt Frankfurt/Oder - Autobahn - für die kasachische Firma (T) in K bestimmt.

Eine unmittelbar im Anschluss daran durchgeführte telefonische Anfrage bei der Klägerin ergab, dass S mit dem gleichen Transportzug mit dem amtlichen Kennzeichen P6O3ARM/442443 bereits am 27.03.1996 bei der Klägerin gewesen ist und dort Wodka für die Firma T geladen hatte. Für diese Ladung (Sendung 1) war das begleitende Verwaltungsdokument (bVD) Nr.: 96-95/558/01 00001744 ausgestellt worden, in dem als Ausfuhrzollstelle das Zollamt (ZA) Frankfurt/Oder - Autobahn - angegeben war. Aufgrund einer Anfrage des ZFA teilte das ZA Frankfurt/Oder am 29.05.1996 mit, dass bei ihm zu dem bVD Exemplar 3 der Klägerin vom 27.03.1996 mit Bestimmung für die Firma T kein Exemplar Nr. 2 oder 4 des entsprechenden bVD vorhanden sei. Bei dem Stempelabdruck müsse es sich um eine Manipulation handeln. Eine Ausfuhr der Sendung sei nicht erfolgt.

Im Rahmen der eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungen gegen S und zwei weitere deutsche Staatsangehörige wandte sich daraufhin das ZFA M mit Schreiben vom 30.05.1996 an die zuständige französische Zollbehörde in Paris. In dem Schreiben heißt es u.a.

"Ich bitte Sie, mit Bezug auf Art. 13 EG-Übereinkommen und Art. 9 der EG-UnterstützungsVO bei der Klägerin alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, die der Klärung des Sachverhaltes dienlich sind. Insbesondere bitte ich das Exemplar 3 des bVD für den Transport von Wodka vom 27.03.1996 mit dem Transportfahrzeug P603 ARM/442443 im Original zu erheben und mir für eine Überprüfung der Echtheit der deutschen Zollstempelabdrucke zuzuleiten. Ich bitte festzustellen, ob noch weitere Transporte mit Wodka mit dem vorgenannten Transportfahrzeug durchgeführt wurden, und mir die dafür ausgestellten bVD ebenfalls im Original zuzusenden. Ich bitte ferner zu prüfen, ob das Exemplar Nr. 3 für den Transport vom 15.05.1996 DCA No A 96-2750 bereits als erledigt bei der Klägerin eingegangen ist . . ."

Am 12. und 13.06.1996 führten deutsche Zollfahndungsbeamte zusammen mit zwei französischen Zollbeamten in den Betriebsräumen der Klägerin in P Ermittlungen durch. Dabei wurde u.a. festgestellt, dass am 27.03.1996 mit dem Lastzug mit dem amtlichen Kennzeichen ZKG059/KG77 eine weitere Sendung mit 17.100 Einliter-Flaschen Wodka von einem unbekannten Fahrer für die Firma T im Steueraussetzungsverfahren und mit der Bestimmung zur Ausfuhr nach Kasachstan über das ZA Frankfurt/Oder übernommen wurde. Für diese Sendung (Sendung 2) war das bVD 96-95/558/01 0000 1771 ausgestellt worden.

Bezüglich dieser Sendung 2) und der von S ebenfalls am 27.03.1996 übernommenen Sendung 1) wurde weiter festg...

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