Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Es handelt sich um eine auflösende Bedingung im Sinne des § 4 Abs. 1 StAnpG, wenn nach der Vereinbarung der Parteien bei Abschluß eines Veräußerungsvertrages der Vertrag seine Wirksamkeit für den Fall verlieren soll, daß über die tarifliche Begünstigung des sich aus dem Veräußerungsgeschäft ergebenden Gewinns (§§ 16, 34 EStG) bis zu einem bestimmten Zeitpunkt eine die Vergünstigung bejahende rechtskräftige Entscheidung der dafür zuständigen Stelle (Finanzamt, Steuergericht) nicht ergangen ist.

Tritt die auflösende Bedingung im Laufe des Verfahrens über die Berufung ein, so hat das Finanzgericht die Hauptsache für erledigt zu erklären und die Steuerfestsetzung nach § 4 Abs. 2 StAnpG zu ändern.

 

Normenkette

StAnpG § 4 Abs. 1-2

 

Tatbestand

Der Bg. betreibt ein Schiffahrtsunternehmen. Dem von ihm für 1958 erklärten Einkommen lag nach seinen Angaben unter anderem ein Gewinn von 328.115 DM aus der im Jahre 1958 erfolgten Veräußerung eines seiner beiden Motorschiffe zugrunde. Er beantragte für diesen Veräußerungsgewinn die Anwendung des Sondertarifs gemäß den §§ 16, 34 Abs. 1 und 2 Ziff. 1 EStG 1958 mit 10 v. H. des Betrages von 328.115 DM = 32.811 DM.

Das Finanzamt versagte den beantragten Sondertarif und setzte die Einkommensteuer durch einen in vollem Umfange vorläufigen Bescheid fest.

Auf die Sprungberufung des Bg. setzte das Finanzgericht die Einkommensteuer 1958 anderweit - und zwar unter Hinweis auf § 100 Abs. 2 AO ebenfalls vorläufig - fest, indem es eine Teilbetriebsveräußerung anerkannte und auf den Veräußerungsgewinn die Hälfte des durchschnittlichen Steuersatzes anwandte.

 

Entscheidungsgründe

Dagegen richtet sich die Rb. des Vorstehers des Finanzamts. Sie führt unter Aufhebung der Vorentscheidung dazu, daß der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären und die Einkommensteuer 1958 nach § 4 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) unter Aufrechterhaltung der Vorläufigkeit nur nach dem laufenden Gewinn festzusetzen ist.

In tatsächlicher Hinsicht ist von folgendem auszugehen:

Der Bg. besaß die beiden Motorschiffe "A" und "B". Durch notariellen Vertrag vom 17. Dezember 1958 veräußerte er das Motorschiff "A" zum Preise von 385.000 DM. Der Besitzübergang galt mit Wirkung vom 15. Dezember 1958 als erfolgt. Vom gleichen Tage an gingen Nutzungen und Lasten auf den Erwerber über. Gleichzeitig wurde vereinbart, daß das Motorschiff dem Bg. treuhänderisch zum Gebrauch in seinem Schiffahrtsbetrieb überlassen blieb. In Ausführung dieses Treuhandvertrags sollte der Erwerber von dem Gesamtgewinn der beiden Schiffe je 50 v. H. erhalten, während der restliche Gewinn dem Bg. zufließen sollte.

Durch privatschriftliche "Zusatzvereinbarung" vom gleichen Tage wurde zwischen dem Bg. und dem Erwerber ferner folgendes vereinbart:

"Der heute ... abgeschlossene Kaufvertrag über das Frachtschiff "A ist mit der auflösenden Bedingung geschlossen, daß er seine Wirksamkeit verliert, wenn der ... erzielte Veräußerungserlös nicht als Veräußerungserlös nach § 16 und § 34 EStG von der Finanzverwaltung angesehen werden sollte.

Sollte bis zum 15. Juli 1959 ... hierüber kein zuständiger Bescheid einer zuständigen Stelle vorliegen, so tritt die auflösende Bedingung in Kraft."

Entsprechend dieser Bedingtheit des Veräußerungsgeschäfts unterblieb eine Mitteilung über den abgeschlossenen Kaufvertrag an die Gläubiger der auf dem veräußerten Schiff lastenden Hypotheken auch insoweit, als eine solche Mitteilung nach den Kreditvereinbarungen zu erfolgen hatte. Der von dem Käufer "als Vorkasse" überwiesene Barpreis von 249.000 DM wurde vom Bg. als "Sonderkonto" geführt und nach dem 15. Juli 1959 an den Käufer zurücküberwiesen.

In einer weiteren privatschriftlichen Vereinbarung vom 2. November 1959 schließlich haben die Vertragsparteien festgestellt, daß die in der Zusatzvereinbarung vom 17. Dezember 1958 vorgesehene Bedingung eingetreten sei, da der Bescheid der zuständigen Behörde am 15. Juli 1959 "in rechtskräftiger Form" nicht vorgelegen habe, der Kaufvertrag mithin rückwirkend in Wegfall gekommen sei, was von beiden Parteien ausdrücklich anerkannt werde.

Die Bedingtheit des Veräußerungsgeschäfts war dem Finanzamt und dem Finanzgericht bekannt. Dem Finanzamt ist eine entsprechende Mitteilung bereits am 4. April 1959 unter "III. Erläuterungen zum Veräußerungsgewinn MS A" zugegangen. Dem Finanzgericht ist eine gleiche Mitteilung am 9. Juli 1959 mit dem ausdrücklichen Hinweis zugegangen, daß die auflösende Bedingung unter der in der Zusatzvereinbarung genannten Voraussetzung am 15. Juli 1959 in Kraft treten werde. Soweit der Bf. in tatsächlicher Hinsicht nähere Einzelheiten zur Bedingtheit des Kaufvertrags erst in der Rechtsbeschwerdeinstanz vorgetragen hat, handelt es sich nicht um unzulässiges tatsächliches Vorbringen, das unbeachtet bleiben müßte (§§ 288, 296 AO).

Das Finanzgericht hat weitere Ermittlungen nach § 243 AO offenbar deshalb unterlassen, weil es der von den Vertragsparteien vereinbarten Bedingung in steuerlicher Hinsicht keine rechtliche Bedeutung beigemessen hat. Es hat sich mit dieser Frage in den Entscheidungsgründen nicht befaßt, sondern lediglich die - von ihm bejahte - Frage erörtert, ob in der Veräußerung des Schiffes eine Teilbetriebsveräußerung im Sinne der §§ 16 Abs. 1 Ziff. 1, 34 Abs. 2 Ziff. 1 EStG gesehen werden könne. Dazu hat es ausgeführt: Ein Motorschiff, das einen Kaufpreis von 385.000 DM erziele, repräsentiere sowohl in der Hand des Veräußerers als auch in der Hand des Erwerbers einen erheblichen Wert und sei, losgelöst vom Unternehmen des Veräußerers, durchaus geeignet, auch in der Hand des Erwerbers die wesentliche Grundlage eines selbständigen Betriebes zu sein, ohne daß von seiten des Erwerbers zur Fortführung des Betriebes irgend etwas hinzugefügt werden müsse. Durch die Veräußerung des Schiffes "A" sei ein in sich lebensfähig bleibender Teil abgeschnitten. Damit aber sei die Veräußerung dieses Schiffes die Veräußerung eines Teilbetriebes im Sinne des § 16 Abs. 1 Ziff. 1 EStG.

In rechtlicher Hinsicht führt die Rb. zu folgenden Erwägungen:

Für schuldrechtliche Verträge über die Veräußerung von Schiffen ist - worauf der Bg. zutreffend hinweist - vom Gesetz keine besondere Form vorgeschrieben (Schaps-Abraham, Das deutsche Seerecht, Erster Band, Berlin 1959, S. 363). Das gleiche gilt demgemäß auch für die Zusatzvereinbarung vom 17. Dezember 1958, die die bereits mehrfach erwähnten Bedingungen enthält. Nach dieser Vereinbarung haben die Vertragsparteien die endgültige (unbedingte) Wirksamkeit des Kaufvertrages von dem für sie ungewissen zukünftigen Ereignis abhängig gemacht, daß über die steuerliche Begünstigung des Gewinns aus der Veräußerung des Schiffes "von der Finanzverwaltung" bis zum 15. Juli 1959 im Sinne des Bg. entschieden werde, was nach dem Zweck dieser Vereinbarung nur dahin verstanden werden kann, daß dabei an eine abschließende, d. h. rechtskräftige Entscheidung der Verwaltung oder im weiteren Verlauf auch der Steuergerichte, gedacht war. Nach dem Willen der Parteien sollte der Kaufvertrag zunächst mit den sich durch seinen Abschluß ergebenden zivilrechtlichen wie steuerrechtlichen Folgen wirksam werden und erst mit dem Eintritt der genannten Bedingung rückwirkend seine Wirksamkeit verlieren.

Der Senat sieht in dieser Vereinbarung der Parteien auch keine mißbräuchliche Rechtsgestaltung. Ebenso wie es den Steuerpflichtigen grundsätzlich gestattet sein muß, bei der Gestaltung ihrer rechtlichen und wirtschaftlichen Maßnahmen ganz allgemein deren steuerliche Auswirkungen in Rechnung zu stellen, muß ihnen auch die Möglichkeit gegeben sein, die endgültige Wirksamkeit von Verträgen von deren für sie zunächst unübersehbarer oder jedenfalls ungewisser steuerlicher Auswirkung bzw. Behandlung abhängig zu machen. Wenn die Parteien - wie hier - darauf bedacht sind, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt hinsichtlich eines zu verwirklichenden Tatbestandes Klarheit nach der einen oder der anderen Richtung zu schaffen, so liegt dies im übrigen auch im Interesse des Steuergläubigers.

Es handelt sich demnach bei der vereinbarten Bedingung um eine zulässige auflösende Bedingung im Sinne des § 4 Abs. 1 und 2 StAnpG. Es besteht auch kein Anhalt dafür, daß die Vertragsparteien an dieser Bedingung nunmehr etwa deshalb nicht mehr festhalten wollen, weil in der Einkommensteuersache inzwischen für den Bg. ein teilweise obsiegendes Urteil ergangen ist. Sein Vorbringen und insbesondere sein Vorgehen in der gleichzeitig anhängigen Umsatzsteuersache zeigen eindeutig, daß der Kaufvertrag vom 17. Dezember 1958 von beiden Parteien nunmehr als nicht mehr existent behandelt wird.

Da die auflösende Bedingung im Laufe des finanzgerichtlichen Verfahrens eingetreten und demgemäß der Kaufvertrag in diesem Verfahren hinfällig geworden ist, war damit die Berufung des Bg. in der Hauptsache erledigt, so daß für eine Entscheidung in der Sache selbst kein Raum mehr war. Die Hauptsache hätte vom Finanzgericht für erledigt erklärt und die Steuerfestsetzung - gemäß den §§ 243, 244 AO - nach § 4 Abs. 2 StAnpG auf der Grundlage des nunmehr verbleibenden laufenden Gewinns geändert werden müssen. Da dies nicht geschehen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben und entsprechend zu erkennen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410197

BStBl III 1962, 112

BFHE 1962, 297

BFHE 74, 297

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