Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

In der Gutschrift eines Lohnanspruchs kann bereits das "Zufließen" im Sinne des § 11 EStG liegen. Es kommt darauf an, in wessen Interesse lediglich eine Gutschrift und keine Auszahlung vorgenommen worden ist.

 

Normenkette

EStG § 11

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Bfin.) schuldete ihrem Angestellten, Betriebsleiter A., für das Jahr 1948 eine Tantieme von 2.000 DM und für 1949 eine solche von 1.800 DM. Sie zahlte diese Beträge nicht aus, bildete jedoch in der Schlußbilanz zum 31. Dezember 1949 für diese Verpflichtung eine Rückstellung von 3.800 DM.

Das Finanzamt erachtete die Tantiemen als durch die Gutschrift dem Arbeitnehmer zugeflossen und nahm die Bfin. für die nicht einbehaltene Lohnsteuer als Haftende durch Haftungsbescheid vom 22. September 1951 in Anspruch.

Einspruch und Berufung dagegen blieben erfolglos. Das Finanzgericht erblickte in der Gutschrift der Tantiemen das Zufließen im Sinne des § 11 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Trotz vorhandener Liquidität der Bfin. habe der Betriebsleiter A. den Betrag von 3.800 DM nicht nur vorübergehend, sondern langfristig stehen lassen. Daraus sei eine Verfügung über die fällige und erfüllbare Forderung zu ersehen, die als Zufließen im Sinne des § 11 EStG zu werten sei.

Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) wird geltend gemacht:

Nach der Begründung des Finanzgerichts sei das Finanzamt der Berufungsbegründung der Bfin. vom 17. Dezember 1951 entgegengetreten. Eine äußerung des Finanzamts zum Schriftsatz vom 17. Dezember 1951 sei der Bfin. aber nicht zugegangen, was eine Verletzung des rechtlichen Gehörs bedeute.

Das Finanzgericht habe zur Beurteilung offenbar die Bilanz der Bfin. vom 31. Dezember 1949 herangezogen, ohne die Bfin. davon zu benachrichtigen, was wiederum eine Beeinträchtigung des rechtlichen Gehörs darstelle.

Mit Unrecht habe das Finanzgericht in der Bildung einer Rückstellung für den von der Bfin. dem Betriebsleiter A. geschuldeten Tantiemenbetrag ein Zufließen im Sinne des § 11 EStG und damit die Auslösung der Lohnsteuerpflicht gesehen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist begründet.

Die erhobenen Verfahrensrügen bestehen allerdings nicht zu Recht. Ausweislich der Akten ist der Schriftsatz der Bfin. vom 17. Dezember 1951 dem Finanzamt nicht zur Stellungnahme zugegangen. Die in der Begründung der angegriffenen Entscheidung enthaltene Wendung, das Finanzamt sei den Ausführungen der Bfin. vom 17. Dezember 1951 entgegengetreten, ist schief und mißverständlich. Das Finanzamt hat im Laufe des Berufungsverfahrens lediglich mit Schriftsatz vom 5. Dezember 1951 Stellung genommen. Diese Stellungnahme ist der Bfin. ordnungsmäßig zur Kenntnis gebracht; sie hat sich dazu mit ihrem Schriftsatz vom 17. Dezember 1951 geäußert. Da die Sache damit genügend geklärt war, konnte das Finanzgericht davon absehen, eine nochmalige Stellungnahme des Finanzamts anzufordern.

Ebensowenig kann auch die Rüge der Bfin. durchdringen, daß sich das Finanzgericht nicht auf die Bilanz der Bfin. vom 31. Dezember 1949 stützen durfte. Diese Bilanz war bereits Gegenstand der Betriebsprüfung gewesen, von ihr war die Einspruchsentscheidung ausgegangen und die Bfin. war sich darüber klar, daß die Vorbehörden bei ihren Erwägungen über die Liquidität der Bfin. von den in der Bilanz vom 31. Dezember 1949 enthaltenen Zahlung ausgingen. Bei dieser Sachlage bedeutet es keine Einengung des rechtlichen Gehörs, daß auch das Finanzgericht sich dieser Bilanz bei seiner Urteilsfindung bediente, ohne nochmals ausdrücklich der Bfin. bekanntzugeben, daß die Bilanz vom 31. Dezember 1949 in der Sache eine tragende Rolle spiele.

Mit Recht bemängelt die Bfin. aber, daß von den Vorbehörden der Begriff des "Zufließens" im Sinne des § 11 EStG verkannt sei.

Nach § 30 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) hat der Arbeitgeber die Pflicht zur Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer bei der Lohnzahlung. In der Gutschrift eines Lohnanspruchs kann bereits das "zufließen" und damit die Zahlung an den Berechtigten liegen. Es kommt bei Gutschriften eines Gehaltsanspruchs darauf an, in wessen Interesse lediglich eine Gutschrift und keine Auszahlung vorgenommen worden ist. Die Gutschrift steht in jedem Falle der Zahlung dann gleich, wenn der Arbeitnehmer sich durch die Belassung des Lohnes im Betriebe des Arbeitgebers eine Kapitalanlage schaffen wollte (vgl. z. B. Urteile des Reichsfinanzhofs IV A 105/32 vom 1. Mai 1932, Reichssteuerblatt - RStBl - 1932 S. 1064; VI A 140/26 vom 6. Oktober 1926, RStBl 1926 S. 367; VI A 31-/28 vom 23. Mai 1928, RStBl 1928 S. 177; VI A 1290/29 vom 21. März 1930, RStBl 1930 S. 312).

Dies ist im vorliegenden Falle nicht anzunehmen, denn dem Betriebsleiter A. wurde sein Guthaben, wenn man die Rückstellung als solches werten will, nicht einmal verzinst. Vielmehr liegen die Verhältnisse hier so, daß die Nichtablehnung der Tantiemen im Interesse der Bfin., der Arbeitgeberin, lag. Die Vorbehörden glauben, auf Grund der sich aus der Bilanz vom 31. Dezember 1949 ergebenden Flüssigkeit der Bfin. annehmen zu dürfen, daß der Bfin. die jederzeitige Auszahlung möglich gewesen wäre. Das mag richtig sein; die vorhandenen Barbestände am 31. Dezember 1949 hätten ausgereicht, dem Anspruch des Betriebsleiters A. auf Auszahlung der Tantiemen von 3.800 DM zu genügen. Andererseits ist aber nicht zu verkennen, daß unter den Verpflichtungen der Bfin. sich sogar solche für rückständige Mieten und Pachten, Darlehnszinsen, Lohn- und Umsatzsteuer befanden. Das Vorhandensein solcher Schulden zum 31. Dezember 1949 läßt die Liquiditätslage der Bfin. doch schlechter erscheinen, als es die Vorbehörden angenommen haben. Unwiderlegt hat die Bfin. vorgetragen, daß ihre Flüssigkeit dadurch stark in Anspruch genommen sei, daß sie die von ihr benötigten Materialien - Gußeisen und Buntmetalle - nur gegen Sofortzahlung erwerben konnte und ihr deshalb an der Hinausschiebung der Tantiemeauszahlung gelegen gewesen sei. Daraus erhellt, daß die Nichtabhebung der Tantiemen überwiegend, ja lediglich im Interesse der Bfin. lag. Ist dies aber der Fall, so ist in der Rückstellung keine Lohnzahlung zu sehen.

Da keine tatsächliche Auszahlung stattgefunden hat, und in der Rückstellung auch kein Zufließen an den Berechtigten zu erblicken ist, ist kein Raum für die Forderung der Lohnsteuer und mithin keine Inanspruchnahme der Bfin. als Haftende gegeben.

Die angefochtene Entscheidung, die Einspruchsentscheidung vom 7. November 1951 sowie der Haftungsbescheid des Finanzamts ... vom 22. September 1951 sind ersatzlos aufzuheben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407444

BStBl III 1953, 170

BFHE 1954, 434

BFHE 57, 434

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