Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Förderungsgesetze Sonstiges Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Rechtsschutzbedürfnis an geringerer Minderung der Hypothekengewinnabgabeschuld (ß 100 LAG) kann sich aus dem Interesse an einer höheren Entschädigung aus § 245 Ziff. 3 LAG bei Kriegssachschäden an Grundvermögen ergeben.

Der Grundsatz des § 104 Abs. 6 LAG über den Vorrang der Minderung (ß 100 LAG) vor der Herabsetzung (ß 104 Abs. 1 bis 5 LAG) der Hypothekengewinnabgabeschuld gilt auch gegenüber der Herabsetzung im Wege der Verzichtsgarantie des § 104 Abs. 2 LAG.

 

Normenkette

LAG §§ 100, 104, 245 Ziff. 3; HypSichG §§ 3a, 3b; AO §§ 232, 231

 

Tatbestand

Der Bf. war am Währungsstichtage Eigentümer eines durch Kriegseinwirkung zerstörten Grundstückes. Das Grundstück war am 21. Juni 1948 mit Umstellungsgrundschulden im Gesamtbetrage von 19.354,73 DM belastet. Auf Antrag des Bf. erließ das Finanzamt am 9. / 10. März 1951 einen Verzichtsbescheid gemäß § 3a des Hypothekensicherungsgesetzes (HypSichG), in dem es entsprechend einer Schadensquote von 87,5 v. H. auf 16.935 DM verzichtete.

Im gleichen Monat verkaufte der Bf. sein Grundstück an den G. J., der auf dem Grundstück einen Neubau errichtete und danach seinerseits einen Antrag auf Verzichtserklärung gemäß § 3b HypSichG stellte. Auch diesem Antrage entsprach das Finanzamt und verzichtete durch Verfügung vom 19./24. Januar 1952 auf den Restbetrag der Umstellungsgrundschulden in Höhe von 2.419,73 DM. Mit Wirkung vom 1. März 1952 war damit die Belastung des Grundstücks mit Umstellungsgrundschulden gänzlich weggefallen.

Auch die Veranlagung zur Hypothekengewinnabgabe (HGA) ergab keine Neubelastung des Bf. bzw. seines Rechtsnachfolgers mit Abgabeschulden. Die Höhe der errechneten Schuldnergewinne im Betrage von 19.354,73 DM deckte sich mit der Höhe der früheren Umstellungsgrundschulden. Nur insoweit traf eine änderung in den Berechnungen des Finanzamts ein, als die gemäß § 100 Abs. 3 LAG erhöhte Kriegsschadensminderung der 1.354,73 DM betragenden Abgabeschuld aus dem auf dem Grundstück lastenden Hauszinssteuerabgeltungsdarlehen zum völligen Wegfall dieser Abgabeschuld führte, während sich die Abgabeschuld aus der weiteren Grundstücksbelastung gemäß § 100 Abs. 2 LAG wegen des Kriegsschadens bis auf den Betrag von 500 DM minderte, der allein für die Herabsetzung der Abgabeschuld gemäß § 104 LAG verblieb. Eine Hypothekengewinnabgabeschuld ergab sich nach der Anwendung des § 104 LAG nicht mehr.

Dessen ungeachtet hat der Bf. gegen den ihm erst am 18. Juli 1958 zugestellten Hypothekengewinnabgabebescheid mit Zustimmung des Vorstehers des Finanzamts Sprungberufung erhoben, weil er sich durch die vom Inhalt der vorangegangenen Verzichtsbescheide abweichende Berechnung der Minderungs- bzw. Herabsetzungsbeträge der Abgabeschulden beschwert fühlt. Er führt dazu aus, daß sich die erhöhte Ermäßigung der Abgabe wegen des Kriegsschadens ungünstig auf die von ihm zu erwartende Hauptentschädigung aus dem Lastenausgleich auswirken werde, daß dieses Ergebnis aber mit der Verzichtsgarantie aus § 100 Abs. 6 bzw. § 104 Abs. 2 LAG nicht zu vereinbaren sei. Er beantragt deshalb, zunächst die Minderung bzw. Herabsetzung der Abgabeschuld in der Höhe der vorangegangenen Verzichtsbeträge nach den §§ 3a und 3b HypSichG durchzuführen und erst bei einer dann etwa noch verbleibenden Abgabeschuld eine weitere Minderung wegen Kriegsschadens eintreten zu lassen.

Die Sprungberufung ist ohne Erfolg geblieben. Das Finanzgericht hat zwar die Zulässigkeit des Rechtsmittels bejaht, die Berufung jedoch als unbegründet zurückgewiesen, weil nach der Vorschrift des § 104 Abs. 6 LAG die Minderung der Abgabeschuld wegen Kriegsschadens der Herabsetzung wegen des Wiederaufbaues vorgehe.

 

Entscheidungsgründe

Der Rb. ist der Erfolg gleichfalls zu versagen.

Das Finanzgericht hat schon gegen die Zulässigkeit des Rechtsmittels Bedenken erhoben. In der Tat sind abgaberechtliche Interessen im eigentlichen Sinne für die Durchführung dieses Rechtsmittelverfahrens in keiner Weise bestimmend. Es steht vielmehr fest, daß sowohl der Bf. als auch sein Rechtsnachfolger auf Grund des angefochtenen Bescheides keine HGA zu entrichten haben und diese Entscheidung sich auch für die Erhebung anderer Abgaben nicht nachteilig auswirkt. Der Bf. hat das Rechtsmittel vielmehr nur deshalb eingelegt, um durch die von ihm begehrte Feststellung eines niedrigeren Minderungsbetrages nach § 100 Abs. 2 und 3 LAG eine günstigere Ausgangslage für das Entschädigungsverfahren im Rahmen des Lastenausgleiches zu gewinnen, bzw. um im Falle der Ablehnung seiner Anträge diese Entscheidung gegebenenfalls auch im Zivilprozeß gegen seinen Rechtsnachfolger zu verwerten, von dem er dann die Rückzahlung eines Betrages von 1.919,73 DM verlangen zu können glaubt. Soweit es sich dabei um zivilprozessuale Belange des Bf. handelt, gilt hierfür das in dem Urteil des Bundesfinanzhofs III 439/58 U vom 30. September 1960 (BStBl 1961 III S. 38) Gesagte sinngemäß. Ein Rechtsschutzbedürfnis des Bf. kann also insoweit nicht anerkannt werden; das steuerliche Rechtsmittelverfahren ist vom Gesetzgeber nicht dazu bestimmt, Streitfragen zum Austrag zu bringen, an denen der Steuerpflichtige nur zivilrechtliche Interessen hat, ganz abgesehen davon, daß die Entscheidung des Zivilprozesses auch hier weniger von der Anerkennung oder Ablehnung der vom Bf. im Abgabeverfahren gestellten Anträge als von der Auslegung des zwischen den Beteiligten geschlossenen Grundstückskaufvertrages abhängt. Dennoch hat das Finanzgericht die Zulässigkeit des Rechtsmittels mit Recht aus dem Grunde bejaht, weil der Entscheidung des Ausgleichsamtes über die Höhe der dem Bf. im Lastenausgleich zu gewährenden Hauptentschädigung hinsichtlich der Anrechnung des Minderungsbetrages die rechtskräftige Entscheidung der Finanzbehörde gemäß § 245 Ziff. 3 LAG zugrunde zu legen ist (vgl. Kommentar zum Lastenausgleich von Harmening, Bd. III Bem. 6 zu § 245 LAG). Da somit die vom Finanzamt gemäß § 100 Abs. 2 und 3 LAG getroffene Entscheidung kraft ihrer gesetzlichen Wirkung auf das Gebiet des Entschädigungsrechtes übergreift, wird man in ähnlicher Weise, wie der Reichsfinanzhof in der Entscheidung III 148/38 vom 20. Oktober 1938 (RStBl 1938 S. 1155) das steuerliche Rechtsmittelverfahren mit dem Ziele einer Erhöhung von Grundstückseinheitswerten wegen der gesetzlich bestimmten Wirkungen der Einheitswertfeststellung auf dem Gebiete des Zivilrechtes für den Steuerpflichtigen eröffnet hat, das Rechtsschutzbedürfnis eines Abgabepflichtigen auch insoweit anerkennen müssen, als er die Herabsetzung des Minderungsbetrages nach § 100 Abs. 2 und 3 LAG anstrebt.

Die Rb. ist aber in der Sache selbst unbegründet. Die Nachprüfung des angefochtenen Bescheids durch das Finanzgericht hat ergeben, daß das Finanzamt sowohl die Höhe der Abgabeschulden als auch die Höhe der Minderungs- bzw. Herabsetzungsbeträge richtig berechnet hat. Die insoweit zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz sind nicht zu beanstanden.

Die Entscheidung kann daher im Ergebnis nur noch davon abhängen, ob, wie der Bf. meint, die Verzichtsgarantie des § 104 Abs. 2 LAG den Vorrang vor der Bestimmung des § 104 Abs. 6 LAG genießt. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Die letztgenannte Vorschrift besagt, daß eine Herabsetzung der Hypothekengewinnabgabeschuld nach § 104 Abs. 1 bis 5 erst in Betracht kommen kann, nachdem die Abgabeschuld gemäß § 100 LAG gemindert worden ist, falls die Voraussetzungen für eine derartige Minderung vorliegen. In § 104 Abs. 6 LAG ist also nur von der "Minderung" der HGA die Rede, nicht von der vorherigen Berücksichtigung eines Verzichtsbetrages im Sinne des § 3a HypSichG. Aus dem klaren Wortlaut des § 104 Abs. 6 LAG ergibt sich somit, daß es sich hier nur um eine Minderung im Sinne des § 100 LAG handeln kann, die vor der Herabsetzung der Abgabeschuld gemäß § 104 Abs. 1 bis 5 LAG durchzuführen ist. Gerade dieser Hinweis auf § 104 Abs. 1 bis 5 LAG, der die Verzichtsgarantie des § 104 Abs. 2 LAG mitumschließt, beweist den Vorrang der Vorschrift des § 104 Abs. 6 und der darin angeordneten vorgängigen Minderung der HGA vor der Anwendung der Garantiebestimmung des § 104 Abs. 2. Die Verzichtsgarantie hat demgegenüber nur die Bedeutung, daß die sich unter Berücksichtigung der Minderung nach § 100 LAG ergebende Abgabeschuld nicht größer sein soll als die Umstellungsgrundschuld, die nach dem Verzicht gemäß § 3b HypSichG verblieb. Wird aber die Abgabeschuld zunächst wegen Kriegsschadens nach § 100 LAG gemindert und erst dann nach § 104 LAG herabgesetzt, so ist nach dem Grundgedanken der Vorschrift des § 104 LAG lediglich der Betrag nach § 104 Abs. 2 LAG garantiert, um den der Verzichtsbetrag die bereits nach § 100 LAG eingetretene Minderung übersteigt (vgl. hierzu Kühne-Wolff, Die Gesetzgebung über den Lastenausgleich, Bem. 16 zu § 104 LAG). Im Streitfalle kann jedenfalls, da die Anwendung der Herabsetzungs- bzw. Minderungsvorschriften in gleicher Weise den völligen Wegfall der Hypothekengewinnabgabeschuld herbeigeführt hat wie der vorangegangene Verzicht nach den §§ 3a und 3b HypSichG das Erlöschen der Umstellungsgrundschulden, von einer Verletzung der Verzichtsgarantie im Sinne des § 104 Abs. 2 LAG nicht gesprochen werden, zumal sich diese auf die Abgabenseite beschränkt und die Leistungsseite des Lastenausgleiches selbst nicht berührt.

Die Rb. erweist sich somit als unbegründet. Der Streitwert war nach freiem Ermessen auf 500 DM festzustellen, da sich das im Streitfalle maßgebende außersteuerliche Interesse an der Erhöhung der Ausgleichsleistungen nach den Angaben des Bf. auf rund 450 DM zuzüglich Zinsleistungen beläuft.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410100

BStBl III 1961, 340

BFHE 1962, 199

BFHE 73, 199

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