Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorsteuerabzug bei Vorbereitungshandlungen

 

Leitsatz (NV)

Vorsteuerbeträge aus Vorbereitungshandlungen sind nicht abzugsfähig, wenn es nicht nachhaltig zur Ausführung entsprechender entgeltlicher Leistungen kommt (Bestätigung der Rechtsprechung).

 

Normenkette

UStG 1980 § 2 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erwarb im Mai des Streitjahres ein Grundstück in der Absicht, darauf einen Supermarkt zu erstellen. Ihr wurde ein Rücktrittsrecht für den Fall eingeräumt, daß die entsprechende Baugenehmigung nicht bis Oktober erteilt werden sollte. Daneben schloß die Klägerin im Juni des Streitjahres über den zu erstellenden Supermarkt einen Mietvertrag. Die Miete wurde zuzüglich Umsatzsteuer vereinbart. Im Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb und dem Abschluß des Mietvertrags nahm die Klägerin Dienstleistungen in Anspruch.

Die für das geplante Bauvorhaben notwendige Genehmigung wurde nicht erteilt; daher kam es nicht zum Bau des Supermarktes und zur Vermietung.

Die Klägerin verzichtete hinsichtlich der geplanten Vermietungsumsätze auf die Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 12 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 und machte in ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr die Vorsteuerbeträge aus den ihr in Rechnung gestellten Dienstleistungen und einen daraus resultierenden Erstattungsanspruch geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) setzte die Umsatzsteuer demgegenüber auf 0 DM fest. Es ging davon aus, die Klägerin sei nicht Unternehmerin i. S. des § 2 UStG 1980 geworden.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte aus, die Unternehmereigenschaft beginne mit dem ersten nach außen erkennbaren auf eine Unternehmertätigkeit gerichteten Tätigwerden. Hierzu gehörten bereits Vorbereitungshandlungen. Damit sei auch bereits die auf den Vorbezügen lastende Vorsteuer abzugsfähig. Diese Behandlung werde vom Grundsatz der Neutralität des Mehrwertsteuersystems gefordert (Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften -- EuGH -- vom 14. Februar 1985 Rs. 268/83, EuGHE 1985, 655, Umsatzsteuer-Rundschau -- UR -- 1985, 199). Der Vorsteuerabzug entfalle auch nicht, wenn die ernsthaft angestrebte unternehmerische Betätigung tatsächlich nicht zu Einnahmen führe. Es genüge vielmehr eine entsprechende Absicht. Sie sei im Streitfall durch den Abschluß der Mietverträge dokumentiert worden.

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung der Vorschriften der §§ 15 Abs. 1 und 2, 2 Abs. 1 und § 9 UStG 1980. Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

Nach dem Wortlaut des Gesetzes sei die Zweckbestimmung der Tätigkeit ausreichend, die Realisierung der Umsätze werde dagegen nicht vorausgesetzt. Nach der Konzeption des Umsatzsteuerrechts, nach der auf jeder Stufe der Leistungserstellung die abgerechneten Leistungen zu versteuern seien, müßten andererseits die entsprechenden Vorsteuerbeträge abzugsfähig sein. Das müsse auch für einen "gescheiterten" Unternehmer gelten. Dafür spreche auch das in der Vorentscheidung genannte EuGH-Urteil in EuGHE 1985, 655, UR 1985, 199. Zwar sei dort der Fall des gescheiterten Unternehmers nicht angeführt. Die Zulassung des Vorsteuerabzugs, auch wenn noch keine umsatzsteuerpflichtigen Leistungen erbracht worden seien, schließe diesen Fall aber mit ein. Bei anderer Beurteilung sei eine "ergänzende Rückfrage" beim EuGH erforderlich. Wenn damit der Vorsteuerabzug möglich sei, müsse dies auch für den Fall steuerbefreiter Umsätze gelten. Auch dann müsse daher die ernsthafte Absicht der Optionsausübung ausreichen. Auch insoweit werde auf das genannte EuGH-Urteil verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung hat die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug im Streitfall zu Unrecht bejaht. Sie war daher aufzuheben. Die Klage war abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

1. Gemäß § 15 Abs. 1 UStG 1980 kann der Unternehmer die dort genannten Vorsteuerbeträge abziehen. Wer Unternehmer im Sinne dieser Vorschrift ist, regelt § 2 Abs. 1 UStG 1980. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) wird die Unternehmereigenschaft nicht aufgrund von Vorbereitungshandlungen allein begründet (BFH-Urteile vom 16. Dezember 1993 V R 103/88, BStBl II 1994, 278; vom 6. Mai 1993 V R 45/88, BFHE 171, 138, BStBl II 1993, 564; vom 12. Mai 1993 XI R 68/90, BFH/NV 1994, 131; vom 12. Mai 1993 XI R 59/90, BFH/NV 1994, 276). Unternehmer ist vielmehr nur derjenige, der Leistungen gegen Entgelt erbringt. Daher sind weder die bloße Absicht, entgeltliche Leistungen auszuführen, noch Handlungen, die die Ausführung entgeltlicher Leistungen vorbereiten, ausreichend.

Zwar beginnt die unternehmerische Tätigkeit bereits mit der ersten, nach außen und auf Ausführung entgeltlicher Leistungen gerichteten Handlung (BFH-Urteile in BFHE 171, 138, BStBl II 1993, 564; in BFH/NV 1994, 131). Somit sind Vorsteuern aus Leistungsbezügen zur Vorbereitung entgeltlicher Leistungen auch nach der Regelung des Art. 17 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern -- Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche Bemessungsgrundlage (77/388/EWG) -- 6. Richtlinie -- (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 145, 1) bereits in dem Voranmeldungszeitraum abzugsfähig, in dem einem "Unternehmer" die Rechnung mit der gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer zugeht (EuGH-Urteil in EuGHE 1985, 655, UR 1985, 199). Der Vorsteuerabzug ist dann aber materiell vorläufig. Kommt es später nicht oder nicht nachhaltig zur Ausführung von Leistungen gegen Entgelt und ist mit der Ausführung solcher Leistungen auch nicht mehr zu rechnen, muß das FA -- wie im Streitfall zu Recht geschehen -- die Festsetzung der Umsatzsteuer mangels Unternehmereigenschaft ablehnen (BFH-Urteil in BFHE 171, 138, BStBl II 1993, 564). Bereits erfolgte Festsetzungen sind aufzuheben oder zu ändern.

Es entspricht nicht dem Sinn des UStG 1980, die umsatzsteuerrechtliche Leistungskette unter Einschluß des jeweiligen Vorsteuerabzugs bei einem "Unternehmer" enden zu lassen, der keine Umsätze ausführt. Er ist daher als Letztverbraucher zu behandeln. Andernfalls würde die auf der vorherigen Stufe zu entrichtende Steuer durch den Vorsteuerabzug des letzten Leistungsempfängers vollständig aufgehoben (BFH-Urteile in BFHE 171, 138, BStBl II 1993, 564; in BFH/NV 1994, 131). Auch im Sinne der Rechtsprechung des EuGH (EuGH-Urteil vom 1. April 1982 Rs. 89/81, EuGHE 1277, UR 1982, 246) wird der "Unternehmer ohne Lei stungstätigkeit" dem Endverbraucher gleichgestellt. Letztlich setzt auch Art. 17 Abs. 2 der 6. Richtlinie für den Vorsteuerabzug die Verwendung der Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke der besteuerten Umsätze voraus. Der Senat kann daher von einer Vorlage absehen.

Ob der Verzicht auf eine Steuerbefreiung "fiktiv" erfolgen kann, ist im Streitfall nicht erheblich.

 

Fundstellen

BFH/NV 1995, 76

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