Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewährung von PKH; Auflösung der Ansparrücklage anlässlich der Betriebsveräußerung
Leitsatz (NV)
1. Die Erfolgsaussichten sind in der Regel dann als für die Gewährung von Prozesskostenhilfe hinreichend anzusehen, wenn die Gründe für und gegen einen Erfolg als gleichwertig zu bewerten sind; eine abschließende Prüfung darf bei der Abwägung nicht vorgenommen werden.
2. Prozesskostenhilfe kann gewährt werden für ein Klageverfahren über die Frage, ob der anlässlich einer Betriebsveräußerung aus der Auflösung einer Ansparrücklage entstehende Ertrag als laufender oder als Veräußerungsgewinn zu versteuern ist (bei Auflösung im Laufe des zweiten des auf die Bildung der Rücklage folgenden Jahres).
Normenkette
FGO § 142 Abs. 1; EStG § 4 Abs. 3, § 16 Abs. 4, § 7g Abs. 4 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin, Revisionsklägerin und Antragstellerin (Antragstellerin) hat gegen das am 29. August 2003 zugestellte Urteil des Finanzgerichts (FG) durch ihren Anwalt fristgerecht die vom FG zugelassene Revision eingelegt (XI R 56/03) und hierfür Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt.
Dem Antrag war eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf amtlichem Vordruck beigefügt. Die Antragstellerin hat hierzu weiter ergänzende Angaben zu ihren Zahlungsverpflichtungen gemacht.
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der Ertrag, der aus der Auflösung einer Ansparrücklage im Laufe des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden Jahres entsteht, als laufender Gewinn oder als Veräußerungsgewinn zu versteuern ist. Die Antragstellerin betrieb ein Reisebüro und ermittelte ihren Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG); Wirtschaftsjahr war das Kalenderjahr. In der Einnahme-Überschussrechnung zum 31. Dezember 1998 war eine Ansparrücklage in Höhe von 25 000 DM gebildet worden. Entsprechende Anschaffungen erfolgten nicht. Das Einzelunternehmen wurde mit Wirkung zum 30. September 2000 zu einem Verkaufspreis von 40 000 DM veräußert.
Nach erfolglos durchgeführtem Einspruchsverfahren begehrte die Antragstellerin mit ihrer Klage die Minderung des laufenden Gewinns um 25 000 DM. Eine gewinnerhöhende Auflösung der Ansparrücklage habe erst zum 31. Dezember 2000 erfolgen müssen, nicht schon zum 30. September 2000. Die Auflösung sei der Veräußerung, und der Ertrag aus der Auflösung dem Veräußerungsgewinn zuzurechnen und nicht dem laufenden Gewinn. Nach Abzug des noch nicht in Anspruch genommenen Freibetrags gemäß § 16 Abs. 4 EStG verbleibe kein zu versteuernder Veräußerungsgewinn. Das FG wies die Klage ab.
Die Antragstellerin begründet ihre --vom FG zugelassene-- Revision im Wesentlichen mit dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 12. Dezember 1996 IV B 2 -S 2138-37/96 (BStBl I 1996, 1441), wonach der aus der Auflösung entstehende Gewinn zum Veräußerungsgewinn rechne, soweit die Rücklage im Zeitpunkt der Betriebsveräußerung oder -aufgabe nicht nach § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG aufzulösen gewesen wäre. Die Bildung eines Rumpfgeschäftsjahres dürfe nicht dazu führen, den noch nicht abgelaufenen Zwei-Jahres-Zeitraum künstlich zu verkürzen.
Entscheidungsgründe
II. Dem Antrag auf Bewilligung von PKH für die bereits eingelegte Revision ist stattzugeben, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO-- i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung --ZPO--).
1. Gemäß § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 ZPO wird einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten erbringen kann, auf Antrag PKH gewährt, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
a) Die Rechtsverfolgung verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn bei summarischer Prüfung für seinen Eintritt eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Insgesamt dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten nicht überspannt werden. Die Erfolgsaussichten sind in der Regel dann als hinreichend anzusehen, wenn die Gründe für und gegen einen Erfolg als gleichwertig zu bewerten sind; eine abschließende Prüfung darf bei der Abwägung nicht vorgenommen werden (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. September 1992 VII B 62/92, BFH/NV 1994, 149, m.w.N.; vom 6. Juni 1994 VII B 2/94, BFH/NV 1995, 281).
b) Die Erfolgsaussicht ergibt sich zwar nicht schon allein daraus, dass das FG die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat. Denn dieser Zulassungsgrund enthält keine Aussage darüber, ob das Rechtsmittel erfolgreich sein wird, sondern nur darüber, dass ein Interesse der Allgemeinheit an der Klärung einer bestimmten Rechtsfrage besteht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 28. Januar 1988 IV S 8/86, BFH/NV 1988, 730, und vom 21. Dezember 2001 VII S 13/01, BFH/NV 2002, 692).
Im Streitfall bietet die Rechtsverfolgung der Antragstellerin bei der gebotenen summarischen Prüfung nach Auffassung des Senats hinreichende Erfolgsaussichten. Es kann sowohl darauf abgestellt werden, dass das am 30. September 2000 endende Rumpfwirtschaftjahr im Streitfall vollgültiges --und damit zweites-- Wirtschaftsjahr ist (vgl. BFH-Urteil vom 23. August 1979 IV R 95/75, BFHE 128, 533, BStBl II 1980, 8) und die Rücklage in der Schlussbilanz des (Rumpf-)Wirtschaftsjahres daher aufgelöst werden muss; Grund der Auflösung wäre insoweit der Ablauf des (Rumpf-)Wirtschaftsjahres und nicht die --sich daran anschließende-- Veräußerung. Es kann aber auch als maßgeblich angesehen werden, dass die Auflösung auf dem durch die Veräußerung bedingten zeitlichen Vorziehen des Endes des Wirtschaftsjahres beruht und die Rücklagenauflösung deshalb ebenfalls dem letztlich ursächlichen Veräußerungsvorgang zuzuordnen ist. Dafür, dass die im Streitfall zu klärende und entscheidungserhebliche Rechtsfrage tatsächlich unentschieden ist, spricht zudem auch, dass hierzu noch ein weiteres Revisionsverfahren vor dem BFH anhängig ist.
c) Nach den von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bestehen zur Überzeugung des Senats keine Zweifel an dem Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen zur Gewährung von PKH. Nach der vorliegenden, auf dem vorgeschriebenen Vordruck (§ 142 FGO i.V.m. § 117 Abs. 4 ZPO) abgegebenen Erklärung ist unter Berücksichtigung der weiteren dargelegten Zahlungsverpflichtungen die PKH ratenfrei zu gewähren.
2. Der Antragstellerin war gemäß § 142 Abs. 2 FGO ein Prozessvertreter beizuordnen, da sie sich in dem Revisionsverfahren gemäß § 62a Abs. 1 FGO nicht selbst vertreten kann (Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 142 Rz. 33).
Fundstellen
Haufe-Index 1257782 |
BFH/NV 2005, 216 |