Leitsatz (amtlich)

Durch die bisherige Rechtsprechung des Senats ist hinreichend geklärt, daß bei Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte außergewöhnliche Kosten neben den Pauschsätzen in § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG 1967 als Werbungskosten anerkannt werden können.

 

Normenkette

EStG 1967 § 9 Abs. 1 Nr. 4

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer ist Arbeitnehmer und hat im Streitjahr 1968 einen Pkw Marke VW 1200 Standard, den er aus zweiter Hand erworben hatte, für seine Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzt. Der Pkw ist am 8. Oktober 1961 zum ersten Mal zugelassen worden. Bei einem Kilometerstand von 53 721 wurde der Motor auf der Fahrt von der Wohnung zur Arbeitsstätte durch einen Ventilriß unbrauchbar. Die Gesamtkosten für einen Austauschmotor einschließlich Umschreibung betrugen 837,95 DM.

Das FA und auf die Sprungklage auch das FG lehnten die Anerkennung der Aufwendungen für den Austauschmotor als Werbungskosten neben den Pauschsätzen in § 20 Abs. 2 Nr. 2 LStDV ab. Das FG führte aus, durch die Pauschsätze seien die gewöhnlichen Kosten einschließlich der normalen AfA abgegolten (so Urteil des BFH VI 79/60 S vom 2. März 1962, BFH 74, 513, BStBl III 1962, 192). Entsprechend dem Sinn der Pauschalregelung (vgl. BFH-Urteil VI 153/64 U vom 9. Juli 1965, BFH 83, 21, BStBl III 1965, 509) - Vereinfachungszweck - seien das die mit der laufenden Benutzung des Kraftwagens normalerweise zusammenhängenden Aufwendungen. Dazu zählten auch die üblichen Reparaturen. Der Einbau eines Austauschmotors im siebenten Jahr der Nutzung bei einem Kilometerstand von 53 721 könne nicht als außergewöhnlich im Sinne der Rechtsprechung des BFH bezeichnet werden. Spätestens nach Ablauf der üblichen Nutzungszeit hingen die Kosten eines Austauschmotors mit der laufenden Weiterbenutzung des Kraftwagens in jener normalen Weise zusammen, wie sie der BFH z. B. in seinem Urteil VI R 118/66 vom 30. Mai 1967 (BFH 89, 185, BStBl III 1967, 576) als Voraussetzung für die Abgeltung durch den Pauschbetrag fordere. Die übliche Nutzungszeit eines Pkw könne entsprechend der im betrieblichen Bereich angewandten Abschreibungstabelle mit vier bis höchstens sechs Jahren angesetzt werden.

Das FG vertrat im Gegensatz zur Ansicht des FG Düsseldorf in seinem Urteil VII 46/68 E vom 9. September 1968 (EFG 1969, 175) die Auffassung, daß sich die normale Abnutzung eines PKW nicht allein in der Zahl der gefahrenen Kilometer ausdrückt. Weitere wesentliche Faktoren seien das Alter des Fahrzeugs und die Art und Weise, wie der Kilometerstand erreicht wurde, z. B. ob vorwiegend durch Zurücklegung von kurzen Strecken im Großstadtverkehr. Im Streitfall komme zu einem hohen Alter des Fahrzeugs die überwiegende Nutzung für Fahrten im Großstadtverkehr hinzu.

Die Außergewöhnlichkeit der Aufwendungen könne auch nicht mit der Höhe der Kosten eines Austauschmotors im Verhältnis zu den anerkannten Werbungskosten begründet werden. Das FG Düsseldorf gehe davon aus, daß der Kläger einen Teil der Aufwendungen persönlich tragen müsse, da die Tatsache des Auftretens des Motordefekts anläßlich einer Fahrt zur Arbeitsstätte nicht zwingend auf die ausschließlich berufliche Verursachung der Reparatur schließen lasse. Dann sei aber für einen Vergleich nur von dem Anteil an den Reparaturkosten auszugehen, der als Werbungskosten in Betracht kommen würde. Der Kläger habe mit dem Einbau des Austauschmotors einen Vorteil erlangt, der im nächsten Jahr fortwirke.

Es treffe zu, daß der BFH in seinem Urteil VI R 118/66 (a. a. O.) die Kosten eines Unfalls nur als Beispiel für außergewöhnliche Kosten, die nicht durch den Pauschbetrag abgegolten sind, angesehen habe. Jedoch könne ein Motordefekt, der zu einem Austausch zwingt, allenfalls dann als außergewöhnlich angesehen werden, wenn er z. B. kurz nach Ablauf der Garantiezeit auftritt. Dieser Defekt würde den Steuerpflichtigen so unvorhersehbar und außergewöhnlich treffen wie ein Unfall.

Für einen Vergleich mit Gewerbetreibenden oder Freiberuflern könnten nicht deren Kosten für die zur beruflichen Betätigung ausgeführten Fahrten herangezogen werden, sondern nur die Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Durch die nach § 4 Abs. 5 Satz 3 EStG 1967 entsprechend geltenden Vorschriften des § 9 Abs. 1 Nr. 4 und 5 EStG sei sichergestellt, daß diese Fahrten bei allen Steuerpflichtigen gleichbehandelt werden.

Der Streitwert erreicht nicht die Grenze von 1 000 DM. Das FG hat die Revision nicht zugelassen.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde beruft sich der Beschwerdeführer auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Abweichung von dem rechtskräftigen Urteil des FG Düsseldorf VII 46/68 E (a. a. O.) und dem BFH-Urteil VI R 118/66 (a. a. O.).

Die Abweichung von dem BFH-Urteil VI R 118/66 (a. a. O.) sieht der Beschwerdeführer darin, daß das FG dieses Urteil nur auf ein direktes Unfallgeschehen anwenden wolle. Der BFH habe die Kosten eines Unfalls jedoch lediglich als Beispiel für diejenigen Kosten genannt, die als außergewöhnlich anzusehen sind und daher nicht durch den Pauschbetrag abgegolten sein könnten. Indem das FG Düsseldorf einer völlig gleichgelagerten Klage stattgegeben habe und dieses Urteil rechtskräftig geworden sei, könne das FG nicht anders entscheiden oder aber es sei die Revision zuzulassen. Da das Urteil des FG Düsseldorf auch in der Presse veröffentlicht wurde und dort erhebliche Beachtung gefunden habe, müsse eine dem völlig entgegengesetzte Entscheidung ohne endgültige richterliche Klärung eine erhebliche Rechtsunsicherheit hervorrufen und bei der Bevölkerung auch kaum gutgeheißen werden.

Die grundsätzliche Bedeutung ergebe sich daraus, daß die hier vorliegende Frage höchstrichterlich noch keineswegs als abschließend geklärt angesehen werden könne, was durch die zwei divergierenden Entscheidungen unter Beweis gestellt werde. Dieses Problem sei darüber hinaus nach Kürzung der Kilometerpauschale auf nur noch 0,36 DM, wovon keineswegs mehr die tatsächlichen Kosten gedeckt würden, als von grundsätzlicher Bedeutung anzusehen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision u. a. zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Urteil von einer Entscheidung des BFH abweicht und auf dieser Abweichung beruht.

Die Rechtssache hat nicht die vom Beschwerdeführer angenommene grundsätzliche Bedeutung. Der Senat hat sich bereits in zahlreichen Entscheidungen mit den Auswirkungen der bis 1966 in § 20 Abs. 2 Nr. 2 LStDV enthaltenen Pauschalierungsregelung für Aufwendungen auf Grund von Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit eigenem Kraftfahrzeug befaßt. Er hat dabei angenommen, daß alle gewöhnlichen Kosten mit der Regelung abgegolten sind. Dies hat der Senat zunächst anhand der Kosten eines Unfalls ausgesprochen und entschieden, daß außergewöhnliche Unfallkosten neben den Pauschsätzen geltend gemacht werden können (Urteil VI 79/60 S, a. a. O.). Er hat diese Rechtsprechung auch in den Urteilen VI 153/64 U (a. a. O.) und VI R 118/66 (a. a. O.) aufrechterhalten und dabei klargestellt, daß nicht nur außergewöhnliche Unfallkosten, sondern auch andere außergewöhnliche Kosten ggf. neben den Pauschsätzen geltend gemacht werden können. Mit dieser Rechtsprechung erscheint die Rechtsfrage hinreichend geklärt, so daß von der Durchführung der Revision in dem vorliegenden Rechtsstreit eine weitere, für die Allgemeinheit bedeutsame Klärung nicht zu erwarten wäre.

Die Grundsätze sind vom Senat zwar zu der Pauschalierungsregelung in § 20 Abs. 2 Nr. 2 LStDV entwickelt worden, die bis zum Jahre 1966 maßgebend war und auf der Ermächtigung in § 9 Nr. 4 EStG beruhte. Diese Regelung ist inzwischen unter Herabsetzung der Pauschbeträge nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG 1967 übernommen worden. (Die in § 20 Abs. 2 Nr. 2 LStDV 1968 - mit Wirkung ab 1967 - enthaltene Regelung hat nur noch nachrichtliche Bedeutung.) Zu der Herabsetzung der Pauschsätze hat das Bundesverfassungsgericht inzwischen in seinem Beschluß 1 BvL 12/68 vom 2. Oktober 1969 (BStBl II 1970, 140) festgestellt, daß sie mit dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vereinbar ist. Da die Pauschalierungsregelung im übrigen nur unwesentlich verändert worden ist, besteht keine Veranlassung zu der Annahme, daß etwa wegen der Übernahme der Regelung in das Gesetzselbst die von der Rechtsprechung erarbeiteten Auslegungsgrundsätze überholt sein könnten. Es erscheint daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht erforderlich, im Streitfall die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

Die Entscheidung, was im einzelnen Fall zu den gewöhnlichen und was zu den außergewöhnlichen Kosten zu rechnen ist, ist weitgehend eine Frage der Sachverhaltswürdigung, die - selbst im Revisionsfall - der Nachprüfung durch den BFH entzogen ist, soweit sie nicht selbst mit beachtlichen Revisionsgründen angefochten wird. Derartige Gründe hat der Beschwerdeführer aber nicht vorgebracht.

Die Entscheidung der Vorinstanz weicht auch nicht von der bereits erwähnten Entscheidung des Senats VI R 118/66 (a. a. O.) ab. Die Auffassung des Beschwerdeführers, daß das FG nur außergewöhnliche Unfallkosten gesondert zum Abzug zulassen will und nicht etwa auch andere außergewöhnliche Kosten, findet in der Urteilsbegründung keine Stütze. Das FG ist vielmehr zutreffend davon ausgegangen, daß außergewöhnliche Kosten ganz allgemein neben den Pauschsätzen als Werbungskosten berücksichtigt werden können. Allerdings ist das FG dann auf Grund seiner Sachverhaltswürdigung zu dem Ergebnis gelangt, daß im Streitfall derartige außergewöhnliche Kosten nicht vorliegen, weil angesichts des Lebensalters des PKW und seiner überwiegenden Nutzung im Stadtverkehr trotz der verhältnismäßig geringen Fahrleistung die Notwendigkeit, einen Austauschmotor einbauen zu lassen, nicht als außergewöhnlich angesehen werden könne. Diese Würdigung trägt den vom Senat herausgearbeiteten Rechtsgrundsätzen Rechnung. Die Angriffe des Beschwerdeführers gegen diese Würdigung sind für sich kein beachtlicher Revisionsgrund und können die Zulassung der Revision daher auch nicht begründen. Ebensowenig liegt darin, daß die Vorinstanz der Auffassung des FG Düsseldorf in seinem Urteil VII 46/68 E (a. a. O.) nicht beigetreten ist, ein im Gesetz vorgesehener Zulassungsgrund.

 

Fundstellen

BStBl II 1971, 101

BFHE 1971, 461

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