Leitsatz

1. Ob ein Anbau ein gegenüber dem bestehenden Gebäude selbstständiges Wirtschaftsgut darstellt, ist – vom Nutzungs- und Funktionszusammenhang abgesehen – nach bautechnischen Kriterien zu beurteilen. Entscheidend hierfür sind die statische Standfestigkeit der Gebäudeteile und die dazu getroffenen Baumaßnahmen wie z.B. eigene tragende Mauern und eigene Fundamente.

2. Ein Anbau, der keine eigene Standfestigkeit besitzt, ist kein selbstständiges Wirtschaftsgut. Auf die Höhe der Bauaufwendungen, die erforderlich sind, um im Fall der Trennung den Gebäudeteil (Anbau) standfest zu machen, kommt es nicht an.

 

Normenkette

§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1999

 

Sachverhalt

Der Investor hatte 1998 eine Produktionshalle in Stahlrahmenbauweise errichtet und diese durch einen Anbau im Jahr 1999 zu einer durchgehenden Halle erweitert. Die Längswände wurden an die Stützen der bisherigen Halle montiert und das Dach auf die Stahlträger der bestehenden Halle aufgelegt.

Das FA nahm lediglich eine Erweiterung der bestehenden Halle an und lehnte einen zulagebegünstigten Neubau ab.

Das FG gab der Klage mit der Begründung statt, die beiden Hallen könnten ohne erhebliche weitere Bauaufwendungen getrennt werden. Ein Anbau sei auch bei fehlender eigener Standfestigkeit ein selbstständiges Wirtschaftsgut, wenn der Trennungsaufwand 10 % der Herstellungskosten des Anbaus nicht übersteige.

 

Entscheidung

Der BFH widerspricht der Auffassung des FG, für die Eigenschaft als selbstständiges Wirtschaftsgut könne auf die Höhe des Trennungsaufwands abgestellt werden. Gleichwohl anerkennt er die Herstellungskosten für den Anbau als förderfähig. Denn unter Einbeziehung des Altgebäudes entstand durch den Anbau ein neues Wirtschaftsgut, da der Anbau der einheitlichen neuen Halle das Gepräge gibt.

Der Anbau überwiegt mit einer Fläche von 1.248 qm die bisherige Halle mit 844 qm. Aufgrund der identischen Bauausführung ist auch von einem wertmäßigen Überwiegen des Anbaus auszugehen.

 

Hinweis

Begünstigte Investitionen sind nach § 2 Abs. 3 InvZulG 1999 ff. – unter besonderen Voraussetzungen – die Herstellung neuer Gebäude, Eigentumswohnungen, im Teileigentum stehende Räume und andere Gebäudeteile, die selbstständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind. Ein Neubau entsteht nur dann, wenn die eingefügten Teile dem Gesamtgebäude das Gepräge geben. Das ist insbesondere der Fall, wenn verbrauchte Teile ersetzt werden, die für die Nutzungsdauer bestimmend sind.

Wird ein bestehendes Gebäude durch einen Anbau erweitert, ist die Investition daher unter dem Gesichtspunkt der Herstellung eines neuen Wirtschaftsguts, d.h. nicht als nachträgliche Herstellungsarbeiten, nur dann begünstigt, wenn ein selbstständiges, neben den Altbau tretendes neues Gebäude, ein selbstständiger Gebäudeteil oder ein einheitliches neues Gebäude unter Einbeziehung des Altgebäudes entsteht. Es ist daher zu unterscheiden:

1. Ein selbstständiges Wirtschaftsgut entsteht, wenn der Anbau mit dem Altgebäude baulich nicht verschachtelt ist. Hierfür sind die statische Standfestigkeit der Gebäudeteile und die dazu getroffenen Baumaßnahmen (z.B. eigene tragende Mauern und eigene Fundamente) entscheidend. Auf die Höhe der Bauaufwendungen, die erforderlich sind, um den Anbau im Fall der Trennung von dem Altbau standfest zu machen, kommt es nicht an. Ein Anbau, der keine eigene statische Standfestigkeit besitzt, ist daher kein selbstständiges Wirtschaftsgut.

2. Trotz baulicher Verschachtelung des Anbaus mit dem bestehenden Gebäude liegt ein selbstständiger Gebäudeteil vor, wenn der Anbau in unterschiedlichem Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit dem bereits vorhandenen Gebäude steht oder an ihm gesondertes Wohnungs- oder Teileigentum besteht.

3. Durch einen mit dem bisherigen Gebäude verschachtelten Anbau entsteht ein einheitliches neues Gebäude aus Altgebäude und Anbau, wenn die Neubauteile dem Gesamtgebäude das Gepräge geben. Dafür sind regelmäßig die Größen- und Wertverhältnisse der Alt- und Neubauteile maßgebend. In früheren Urteilen hatte der BFH zwar ausgeführt, eine Verschachtelung setze bauliche Verbindungen voraus, die nicht ohne erhebliche Bauaufwendungen voneinander getrennt werden könnten. Später hat er jedoch klargestellt, dass bei mangelnder eigener Standfestigkeit des Anbaus die Höhe der Aufwendungen, um den Anbau standfest zu machen, kein Kriterium dafür ist, ob der Anbau als selbstständiges Wirtschaftsgut zu beurteilen ist (BFH, Urteil vom 15.2.1990, V R 7/85, BFH/NV 1991, 61).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 25.1.2007, III R 49/06

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