Verrechnungspreise

Verrechnungspreise sind kein Thema nur für die Steuerabteilung. Das erläutert Dr. Markus Rose, TP-Experte bei Deloitte, anhand des Operational Transfer Pricing-Konzepts. Seine Anwendungsbeispiele veranschaulichen, wie Transfer Pricing als Gemeinschaftsaufgabe funktionieren kann.

"Operational Transfer Pricing – Chancen nutzen!"

Das Thema "Verrechnungspreise" hat in den vergangenen Jahren immer mehr an Bedeutung für international tätige Unternehmen gewonnen. Insbesondere die operativen Aspekte rund um Verrechnungspreise sind immer wichtiger geworden, um den wachsenden Anforderungen gerecht zu werden. Dabei handelt es sich nicht nur um ein Thema der Steuerabteilung allein, sondern geht viel tiefer in die Finanz- und Geschäftsfunktionen von Unternehmen hinein. Das macht es auf der einen Seite komplex, generiert auf der anderen Seite aber auch viele Chancen.

Der Interviewpartner

Dr. Markus Rose ist Transfer Pricing Partner bei Deloitte und Experte im Bereich Financial Services. Er verfügt über eine langjährige Praxiserfahrung in den Bereichen Unternehmenssteuerung, Controlling und Accounting als auch Transfer Pricing.

Die Fragen stellte Anodri Suchdeve, Financial Services and Operational Transfer Pricing Senior Manager bei Deloitte in Frankfurt.

Lieber Markus, viele Leserinnen und Leser haben sicherlich eine Vorstellung, was Operational Transfer Pricing, oder kurz OTP, bedeutet. Ich möchte Dich trotzdem einmal bitten, auch Deine "Definition" von OTP mit uns zu teilen, damit wir genauer wissen, wovon wir sprechen.

Dr. Rose: Ich glaube eine sehr zutreffende Beschreibung von OTP, also Operational Transfer Pricing, ist, dass damit all die Bereiche zusammengefasst werden, die notwendig sind, die Transfer Pricing Theorie in Praxis umzusetzen. Zur Theorie gehören die Policies und Richtlinien, die im Konzern vorgeben, wie die gruppeninternen Verrechnungspreise bestimmt werden und wie sie dokumentiert werden müssen. Zur Praxis gehört, wie dieses konkret umgesetzt wird, um die internen Geschäftsbeziehungen innerhalb eines Konzerns objektiv und fair in den Finanzkennzahlen abzubilden.

Interessant! Und was gehört alles zur Praxis?

Dr. Rose: Sehr gute Frage und eine Chance, mit einem weit verbreiteten Missverständnis aufzuräumen: OTP ist nicht einfach nur der Einsatz von Technologie, um vorhandene Prozesse zu automatisieren. Technologie ist zwar ein wesentlicher Bestandteil von OTP, aber es gehören noch andere Bereiche essenziell dazu. Insgesamt sollte man 4 Bereiche betrachten, wenn man ein effizientes und effektives Transfer Pricing im Unternehmen aufsetzen will:

  1. Prozesse! Die TP-Prozesse müssen detailliert und prüfungssicher beschrieben sein mit klaren Verantwortlichkeiten aller beteiligten Parteien, also inkl. der Steuerfunktion, Controlling und Accounting und den Geschäftsbereichen. Eine solche Prozessbeschreibung bildet auch die Basis sowohl für Effizienzsteigerungen als auch die Definition von zielgerichteten Kontrollen.
  2. Mitarbeiter! Die Mitarbeiter, die am TP-Prozess beteiligt sind, müssen die passenden Fähigkeiten haben und auf das gleiche Ziel hinarbeiten. Sie müssen die Geschäftsmodelle des Unternehmens hinsichtlich ihrer TP-Relevanz verstehen. Sie müssen Verträge zwischen den beteiligten Einheiten aufsetzen. Preiskalkulationen müssen ausbalanciert, zwischen globalen und lokalen Vorgaben definiert und durchgeführt werden. Und letztendlich stellen die Mitarbeiter sicher, dass sich diese Preise nachvollziehbar in den Finanzkennzahlen des Unternehmens und jeder einzelnen Einheit wiederfinden.
  3. Daten! Die "richtigen" Daten bezüglich Detailtiefe und Segmentierung müssen zeitnah identifiziert werden, um die Verrechnungspreise pro Einheit regelmäßig kalkulieren und auch buchen zu können. Dies geschieht idealer Weise monatlich, mindestens jedoch quartalsweise oder jährlich.
  4. Technology! Alle drei zuvor genannten Bereiche sollten durch technologische Lösungen ("Tools") unterstützt werden, die zur Komplexität des Unternehmens und ihrer TP-Sachverhalte passen, als auch in die vorhandene bzw. geplante IT-Landschaft.

Ok, dann fasse ich nochmal zusammen: Um ein effizientes und effektives Transfer Pricing im Unternehmen aufzusetzen braucht man klar definierte Prozesse, fachlich übergreifend ausgebildete Mitarbeiter, die richtigen Daten und technologische Lösungen, die das ganze effizient unterstützen. Das hört sich ziemlich komplex an.

Dr. Rose: Ist es auch. Alle 4 Bereiche generieren eine gewisse Komplexität. Umso wichtiger ist es, innerhalb des Unternehmens alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen und die einzelnen Fähigkeiten und Interessen auf ein gemeinsames Ziel hin auszurichten. Und dieses gemeinsame Ziel ist recht einfach beschrieben: Ziel sollte es sein, die TP-Sachverhalte transparent, nachvollziehbar und möglichst automatisiert zu etablieren und zu dokumentieren.

Es lohnt sich, das Thema OTP anzugehen und Zeit und Geld in die Hand zu nehmen, um ein effizientes und effektives TP-System aufzubauen.

Mit den Faktoren Zeit und Geld werden sich sicherlich einige Unternehmen schwertun, oder?

Dr. Rose: Jeder, der tiefer in Betriebsprüfungen eingebunden ist, weiß aus eigener Erfahrung, wie schnell viele Millionen Euro des lokalen Betriebsergebnisses einer einzelnen Einheit von den Steuerbehörden hinterfragt werden. Lokale Betriebsprüfer fordern aus unserer Erfahrung immer detailliertere Erklärungen ein, um die Sachgerechtigkeit der jeweiligen Kosten- und Ertragsbuchungen zu dokumentieren. Und wenn diese Transparenz nicht in angemessener Zeit erbracht wird, dann kann es schnell zu einer Doppelbesteuerung in Millionenhöhe kommen und das geht zulasten der Shareholder. Aber auch unabhängig von Betriebsprüfungen, die sich ja naturgemäß mit der Vergangenheit beschäftigen, gibt es auch vorwärts gerichtete klare Benefits für einen OTP-Case. Um nur ein paar zu nennen:

  • Sicherstellung von Compliance Anforderungen,
  • Reduzierung des Aufwandes für Dokumentationspflichten,
  • Reduzierung von Prozesskosten,
  • Frühzeitiges Erkennen von materiellen Risiken,

Ja, das hat wirklich einen großen Impact in beide Richtungen: Risiken vermeiden als auch Chancen erschließen. Hast du hierzu mal ein konkretes Beispiel?

Dr. Rose: Nimm das Beispiel der Verrechnung von Service Leistungen aus der Sicht des Leistungserbringers: Häufig greifen sich die Betriebsprüfer einzelne Kostenstellen aus den Finanzsystemen einer Einheit heraus, bei denen direkte Kosten gebucht sein könnten, die im Zusammenhang mit der Leistungserbringung für andere Einheiten stehen könnten, z. B. IT-Dienstleistungen oder Leistungen der Finanzfunktion.

Die Betriebsprüfer stellen dann sehr nachvollziehbare und einfach klingende Fragen, z. B.: "Wofür sind entsprechende Kosten angefallen? Sind sie an alle Serviceempfänger verrechnet worden? Wie sind die internen Preise für die Serviceempfänger berechnet worden? Sind Rechnungen gestellt und bezahlt worden? Gibt es Verträge zwischen den beteiligten Einheiten?"

Ohje, bei solchen Fragen bricht sicherlich in vielen Unternehmen erstmal Panik aus...

Dr. Rose: Ja klar. Denn um die durchaus angemessenen Fragen zu beantworten, müssen entsprechende Evidenz und Belege zusammenzutragen werden. Dabei macht es die Tatsache nicht einfacher, dass entsprechende Fragen aus einer Betriebsprüfung sich meistens auf Zeiträume beziehen, die mehrere Jahre zurückliegen. Alle vier Bereiche, die ich vorhin genannt habe, müssen hier zusammenspielen, um diese end-to-end Transparenz zu generieren.

Und hier kommt doch dann bestimmt dein 4. Punkt zum Einsatz, um das gewährleisten zu können: Die Technologie, oder?

Dr. Rose: Ja genau: Wir leben in einer zunehmend digitaleren Welt und es gibt viele Möglichkeiten, die gleichzeitig Chancen darstellen, Prozesse, Mitarbeiter und Daten durch passende IT-Lösungen zu unterstützen

Anhand des Beispiels eben möchte ich hier ein paar Anwendungsbeispiele geben:

Durch den Einsatz spezieller OTP-Tools kann die Berechnung, die Analyse und das Reporting von Transfer Preisen, z. B. für spezifische Services, stark automatisiert werden. Der Charme dieser Lösungen ist aber auch, dass alle benötigten Informationen zur Kostenbasis, zu den Service Empfängern und den Allokationsmechanismus zentral gespeichert werden können. Hierdurch hat man zentral und "auf Knopfdruck" die end-to-end Transparenz von der Kostenentstehung bis hin zur Verbuchung der Verrechnungspreise beim Service Empfänger. Durch die Verwendung von "unique identifiern" innerhalb der IT-Finanzsysteme (der Fachausdruck ist hier ERP-Systeme, wie beispielsweise SAP) können diese Finanzinformationen auch eindeutig den Services, den TP-Kalkulationen, den Rechnungen und den TP-Reports zugeordnet werden. Das Spektrum der am Markt erhältlichen Tools reicht hier von einfachen MS-Office basierten Lösungen, bis hin zu IT-Lösungen, die effizient direkt mit den Finanzsystemen des Unternehmens kommunizieren können.

Auch für das Management von Intercompany Verträgen gibt es maßgeschneiderte IT-Lösungen. Nicht selten gibt es in großen, multinationalen Unternehmen, hunderte oder gar tausende von Intercompany-Agreements, mit dazugehörigen SLAs. Diese werden häufig dezentral in den jeweiligen Fachabteilungen der Service Provider erstellt und wiederum in anderen Abteilungen abgerechnet. Wenn die Prozesse, Verantwortlichkeiten, sowie Templates und Daten zu Erstellung und Abrechnung von Intercompany Agreements klar definiert sind, dann können solche IT-Tools einen großen Beitrag zur Automatisierung dieser Prozesse liefern.

Ich habe jetzt nur 2 Anwendungsbereiche angesprochen, in denen IT-Lösungen einen deutlichen Mehrwert liefern können. Es gibt zahlreiche mehr im Bereich Workflow-Management, Daten-Management, Collaboration, Reporting, usw.

OTP Transfer Pricing Deloitte

Ok, ich merke schon, die Anwendungsbereiche sind echt vielfältig. Welche Tools würdest Du denn unseren Leserinnen und Lesern empfehlen, um deren Prozesse, Mitarbeiter und Daten durch passende IT-Lösungen zu unterstützen?

Dr. Rose: Es gibt in all diesen Bereichen keine "silver bullet" oder "one size fits all" Antwort! Meine Empfehlung zur Erreichung eines modernen OTP-Set-ups ist es, alle 4 Bereiche Prozesse, Mitarbeiter, Daten und Technologie sauber durchzudeklinieren und auf die individuellen Bedürfnisse und Ambitionen des Unternehmens anzupassen. Hierzu ist es notwendig, alle beteiligten Parteien an einen Tisch zu holen, insbesondere das Tax/TP-Team, Controlling und Accounting, IT und auch die Geschäftsbereiche, die durch die Ausgestaltung ihrer Geschäftsmodelle die Komplexität des Transfer Pricings bestimmen.

Damit ist OTP ein klares CFO-Thema mit einem Business Case, der sich für die Shareholder und auch Mitarbeiter rechnet.

Die Notwendigkeit für ein modernes OTP-Set-up hast du uns in jedem Fall sehr nah gebracht, danke dir dafür. Ich hoffe, dass wir das Bewusstsein unserer Leser dahingehend schärfen konnten. Vielen Dank, Markus, für das spannende Interview mit dir.

Dr. Rose: Sehr gerne, vielen Dank auch von meiner Seite.

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