Der 2. Auslöser einer anlassbezogenen Risikoanalyse auch auf Ebene der mittelbaren Zulieferer wird in § 5 Abs. 4 LkSG geklärt. Eine Risikoanalyse ist folglich dann anlassbezogen durchzuführen, wenn das Unternehmen mit einer wesentlich veränderten oder wesentlich erweiterten Risikolage in der Lieferkette rechnen muss, etwa durch die Einführung neuer Produkte, Projekte oder eines neuen Geschäftsfeldes. Veränderungen der Geschäftstätigkeit betreffen zwar grundsätzlich die gesamte Lieferkette, worin die mittelbaren Zulieferer aufgrund ihrer vorgelagerten Position allerdings eine relativ wichtige Rolle bzgl. der Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen einnehmen.

Bei einer grundlegenden Veränderung der Geschäftstätigkeit muss das Unternehmen somit die Risiken identifizieren, die sich durch die neuen Rahmenbedingungen für das Unternehmen offensichtlich ergeben. Diese Änderungen betreffen primär interne Entscheidungen, wie bspw. bedeutende Investitionen, neue Geschäftsfelder oder die Erschließung neuer Beschaffungsquellen, allerdings können Veränderungen der Geschäftstätigkeit auch durch gravierende externe Ereignisse ausgelöst werden. Als Beispiel sind hier Konflikte oder Naturkatastrophen in Ländern zu nennen, in denen das Unternehmen bzw. deren Zulieferer aktiv sind.

In beiden Szenarien sind Unternehmen dazu angehalten, die Risiken entlang der gesamten Lieferkette anlassbezogen zu untersuchen, die durch die Veränderungen beeinflusst werden könnten. Letztendlich bedeutet dies: Es sind diejenigen Risiken in der Lieferkette zu analysieren, die aufgrund der Veränderungen der Geschäftstätigkeit besonders deutlich erkennbar oder neu hinzugekommen sind und somit für das Unternehmen als offensichtlich anzusehen sind. Aufgrund ihrer vorgelagerten Position in der Lieferkette und somit tendenziellen Nähe zu den Rohstoffmärkten betrifft dies explizit auch die Ebene der mittelbaren Zulieferer.

 
Praxis-Beispiel

Anlassbezogene Risikoanalyse durch eine interne Veränderung der Geschäftstätigkeit in der Lieferkette

Ein Unternehmen, das sich bisher auf die Produktion von elektronischen Geräten spezialisiert hat, plant die Einführung einer neuen Linie von Haushaltsgeräten, wie bspw. Waschmaschinen und Geschirrspüler. Diese Erweiterung der Geschäftstätigkeit birgt neue Risiken in der Lieferkette. Bspw. erfordert die Herstellung von Haushaltsgeräten möglicherweise den Einsatz von Rohstoffen wie bestimmten Metallen oder Kunststoffen, die bisher in der Elektronikherstellung nicht genutzt wurden. Diese Rohstoffe können aus Regionen stammen, in denen es vermehrt Berichte über Umweltverschmutzung, illegale Bergbauaktivitäten oder Kinderarbeit gibt. Des Weiteren können sich die Herstellungsprozesse der Haushaltsgeräte grundlegend von denen der elektronischen Produkte unterscheiden. Neue Produktionsverfahren können bspw. umweltbelastender sein oder höhere Anforderungen an die Arbeitnehmer stellen, was zu Arbeitsrechtsverletzungen führen kann.

Um diesen Risiken zu begegnen, ist eine anlassbezogene Risikoanalyse erforderlich. Sie sollte die Beschaffung der neuen Rohstoffe, die neuen Produktionsverfahren und die möglichen Auswirkungen auf die Produktqualität sowie rechtliche und ethische Aspekte der neuen Produktlinie umfassen. Auf Grundlage dieser Analyse kann das Unternehmen dann präventive Maßnahmen ergreifen, um die Risiken zu minimieren, wie bspw. die Auswahl von Zulieferern, die den erforderlichen Standards entsprechen, oder die Implementierung zusätzlicher Qualitätskontrollen während des Herstellungsprozesses der neuen Haushaltsgeräte.

 
Praxis-Beispiel

Anlassbezogene Risikoanalyse durch eine externe Veränderung der Geschäftstätigkeit in der Lieferkette

Ein Unternehmen, das globale Kleidungslinien herstellt, bezieht in seiner unternehmensübergreifenden Lieferkette einen Großteil seiner Baumwolle aus einem Land, das von politischen Unruhen und Konflikten betroffen ist. Diese Konflikte haben zu einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen geführt und können Menschenrechtsverletzungen wie Zwangsarbeit oder ausbeuterische Praktiken in der Baumwollproduktion zur Folge haben.

Aufgrund dieser externen Einflussfaktoren, die potenziell schwerwiegende Auswirkungen auf die Einhaltung von Menschenrechtsstandards vor allem in den frühen Stufen der Lieferkette haben können, entscheidet sich das Unternehmen, eine anlassbezogene Risikoanalyse durchzuführen. Diese Analyse zielt darauf ab, die Auswirkungen der politischen Unruhen auf die Arbeitsbedingungen der Baumwollproduktion zu untersuchen und mögliche Verstöße gegen Menschenrechte zu identifizieren.

Das Unternehmen beauftragt Experten und unabhängige Prüfer, um die Arbeitsbedingungen in den betroffenen Regionen zu untersuchen. Die Analyse konzentriert sich hierbei auf Aspekte wie Zwangsarbeit, Sicherheitsmaßnahmen am Arbeitsplatz und faire Löhne. Basierend auf den Ergebnissen der Risikoanalyse ergreift das Unternehmen anschließend Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Lieferkette langfristig den erforderli...

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