Das LkSG sieht grundsätzlich 2 Auslöser für die Notwendigkeit einer anlassbezogenen Risikoanalyse auf der Ebene mittelbarer Zulieferer vor (s. Abb. 1):

  1. Das Vorliegen einer substantiierten Kenntnis über das potenzielle Vorliegen einer Verletzung von menschenrechtlichen oder umweltbezogenen Pflichten und
  2. grundlegende Veränderungen der Geschäftstätigkeit innerhalb der gesamten Lieferkette.

Eine grundlegende Veränderung der Geschäftstätigkeit bezieht sich hierbei allerdings nicht ausschließlich auf die mittelbaren Zulieferer, vielmehr steht hier die gesamte Lieferkette sowie der eigene Geschäftsbereich im Fokus. Da die Ebene der mittelbaren Zulieferer gerade mit Blick auf externe Einflussfaktoren durch ihre Nähe zu den Rohstoffmärkten hiervon allerdings oftmals stark betroffen ist, wird dieser Punkt hier ebenfalls behandelt. 2 Beispiele in Kapitel 3.2 belegen die entsprechende Relevanz der mittelbaren Zulieferer in diesem Zusammenhang.

Abb. 1: Reichweite der regelmäßigen und der anlassbezogenen Risikoanalyse laut LkSG

3.1 Vorliegen einer substantiierten Kenntnis

Gemäß § 9 Abs. 3 LkSG ist es für einen Handlungsbedarf bei mittelbaren Zulieferern entscheidend, ob eine substantiierte Kenntnis bzgl. relevanter Risiken oder Pflichtverletzungen vorliegt. Wenn einem Unternehmen, das dieser Verpflichtung unterliegt, konkrete Hinweise vorliegen, die darauf hindeuten könnten, dass mittelbare Zulieferer möglicherweise Menschenrechts- oder Umweltstandards verletzen, ist das Unternehmen dazu verpflichtet, unverzüglich eine risikobezogene Analyse durchzuführen.

Diese Hinweise sollten nicht lediglich auf Meinungen oder unbestätigten Gerüchten basieren, sondern müssen auf nachprüfbaren Fakten beruhen. Diese können

  • interne Erkenntnisse des Unternehmens,
  • Berichte über unzureichende Menschenrechtsbedingungen in der Produktionsregion,
  • die Einordnung des Zulieferers in eine brisante Branche hinsichtlich Menschenrechts- oder Umweltrisiken oder sogar
  • offizielle Hinweise von Behörden umfassen.

Wesentlich ist, dass diese Hinweise vorhanden sind und im Verantwortungsbereich des Unternehmens liegen, sodass sie problemlos zur Kenntnis genommen werden können. Hierzu gehören bspw.:

  • Meldungen über Beschwerdeverfahren.
  • Handreichungen des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) und Meldungen der Bundesregierung, von denen erwartet wird, dass das Unternehmen, bspw. durch den Menschenrechtsbeauftragten, von ihrer Veröffentlichung Kenntnis nimmt.
  • Medienberichte, Berichte von Nichtregierungsorganisationen und Meldungen im Internet sind relevant, sofern sie offensichtlich sind, entweder, weil sie branchenweit bekannt sind oder dem Unternehmen direkt übermittelt werden.

Bei Handreichungen, Listen von Fällen und Datenbanken von Multi-Stakeholder- oder Brancheninitiativen wird umso eher davon ausgegangen, dass das Unternehmen substantielle Kenntnis im Sinne von § 9 Abs. 3 LkSG hat, je weiter die Informationen in der gesamten Branche verbreitet sind.

 
Praxis-Beispiel

Fehlen einer substantiierten Kenntnis

Ein Unternehmen erhält anonyme Hinweise über mögliche Verletzungen von Menschenrechts- oder Umweltstandards durch einen mittelbaren Zulieferer. Diese Hinweise sind jedoch sehr vage und unkonkret. Es gibt keine klaren Angaben zu spezifischen Vorfällen, keine verifizierbaren Beweise oder keine Angaben darüber, wo und wann diese Verstöße stattgefunden haben sollen. Die Informationen sind oberflächlich und können als Gerüchte betrachtet werden, ohne konkrete Fakten oder Belege, die die behaupteten Verletzungen belegen können.

Das Unternehmen bewertet die eingegangenen Hinweise und entscheidet sich, diese nicht weiter zu verfolgen oder zu überprüfen, da sie anonym und vage sind und keine soliden Beweise für potenzielle Verstöße bieten. Es werden keine zusätzlichen Maßnahmen ergriffen, um die Glaubwürdigkeit dieser Informationen zu überprüfen, wie bspw. direkte Kontakte zu den Zulieferern, um Informationen zu sammeln, oder die Einbeziehung von Experten, um die Glaubwürdigkeit zu bewerten.

In diesem Szenario gibt es keine klaren und überprüfbaren Anhaltspunkte für tatsächliche Verletzungen von Menschenrechts- oder Umweltstandards durch den Zulieferer. Das Unternehmen verzichtet aufgrund der fehlenden substantiierten Kenntnis darauf, weitere Schritte im Sinne einer anlassbezogenen Risikoanalyse bei dem mittelbaren Zulieferer durchzuführen.

 
Praxis-Beispiel

Substantiierte Kenntnis durch Meldungen über das Beschwerdeverfahren

In der Textilbranche erhält ein global agierendes Unternehmen, welches seine Kleidung über Intermediäre von einem mittelbaren Zulieferer in einem Schwellenland bezieht, mehrere alarmierende Hinweise über das implementierte Beschwerdeverfahren. Diese Beschwerden kommen von verschiedenen Quellen, darunter ehemalige und derzeitige Arbeitnehmer in den Produktionsstätten des Zulieferers, lokale Nichtregierungsorganisationen für Arbeitsrechte und internationale Gewerkschaften. Die Beschwerden sind äußerst detailliert und beinhalten eine Vielzahl von Anschuldigungen, die weit über bloße Mei...

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