Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung gibt es ein wichtiges Haftungsprivileg für Unternehmer bzw. Arbeitgeber. Erleidet ein Arbeitnehmer einen Arbeitsunfall, muss für den dadurch entstandenen Personenschaden grundsätzlich nicht der Arbeitgeber, sondern die Berufsgenossenschaft einstehen, bei der der Arbeitnehmer auf Kosten des Unternehmers gegen Unfall versichert ist (vgl. allgemein dazu etwa BAG, Urteil v. 19.8.2004, 8 AZR 349/03).

Der Unternehmer ist dem Arbeitnehmer allerdings dann zum Ersatz des diesem entstandenen Personenschadens verpflichtet, wenn er den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt hat (§ 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Dabei muss sich der zur Haftung des Unternehmers führende Vorsatz nicht nur auf die Handlung und deren Erfolg erstrecken, sondern auch auf den konkreten Schadensumfang (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 21.12.2006, 1 Sa 113/06). Vorsätzliche Schadensverursachungen kommen in der Praxis aber selten vor. Es kann z. B. gegen ein vorsätzliches Handeln des Unternehmers sprechen, wenn der den Arbeitsunfall verursachende gefährliche Zustand bereits viele Jahre angedauert hat, ohne dass es zu einer Verletzung eines Arbeitnehmers gekommen ist (LAG Saarland, Urteil v. 28.6.2006, 2 Sa 138/05).

 
Praxis-Beispiel

Blutentnahme in Arztpraxis

Wenn ein Arzt vorsätzlich die gefährliche Arbeit der Blutentnahme bei einem Hepatitis-C-Patienten durch eine Auszubildende am ersten Tag der Arbeit ohne Einweisung und mit ungeeigneten Hilfsmitteln verrichten lässt, haftet er für den dadurch entstehenden Gesundheitsschaden. Der Haftungsausschluss nach § 104 SGB VII ist nicht anwendbar (LAG Nürnberg, Urteil v. 9.6.2017, 7 Sa 231/16).

In dem entschiedenen Fall wurden in der Arztpraxis des Arbeitgebers nicht die vorgeschriebenen Sicherheitskanülen verwendet; diese Pflichtverletzung führte auch zu dem Gesundheitsschaden bei der Auszubildenden (u. a. rheumatische Arthritis). Der Arbeitgeber hatte sich bewusst dafür entschieden, die traditionellen und nicht die vorgeschriebenen Sicherheitskanülen zu verwenden.[1] Für die Schädigung bejahte das LAG bedingten Vorsatz, weil dem Arbeitgeber die Hepatitis-C-Erkrankung des Patienten bekannt und ihm als Arzt daher auch das damit verbundene Gesundheitsrisiko bewusst war. Ihm war auch bewusst, dass für die Klägerin als Auszubildende am ersten Arbeitstag eine persönliche Hilfe und konkrete Einweisung erforderlich war; diese stellte er aber nicht zur Verfügung.

[1] Die Pflichten des Arbeitgebers ergeben sich in Bezug auf die Schutzmaßnahmen aus § 8 Abs. 5 Satz 1 i. V. mit § 11 BioStoffV und in Bezug auf die Unterweisung aus § 14 Abs. 2 BioStoffV.

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