rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurechnung. Arbeitsunfall. Arbeitgeberhaftung

 

Leitsatz (amtlich)

Einzelfallentscheidung aufgrund der tatsächlichen Umstände zu der Frage, ob dem Unternehmer ein bedingter Vorsatz betreffend den bei einem Arbeitsunfall eingetretenen Personenschaden zuzurechnen war.

 

Normenkette

SGB VII § 104

 

Verfahrensgang

ArbG Schwerin (Urteil vom 25.01.2006; Aktenzeichen 22 Ca 2742/03)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin – 22 Ca 2742/03 – vom 25.01.2006 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsmittels trägt die Klägerin.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist die Witwe des am 4. August 2000 als Arbeitnehmer der Beklagten bei einem Arbeitsunfall ums Leben gekommenen H. Sch.. Sie macht Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld geltend.

Der verstorbene Ehemann der Klägerin war am 4. August 2000 auf einer Baustelle der Beklagten in W. zusammen mit anderen Arbeitnehmern damit beschäftigt, eine 2,2 Tonnen schwere Betonplatte auf eine bereits stehende Platte aufzusetzen. Zum Anheben der Betonplatte wurde ein Atlas-Bagger benutzt, an dessen mit einem Tieflöffel ausgerüsteten Schwenkarm die Betonplatte mit Ketten angeschlagen wurde. Als die Kette, die beim Anheben des Schwenkarms in einem Winkel von fast 90 Grad über der Löffelkante lag, riss, wurde der Ehemann der Klägerin, der zum Einfädeln der Platte auf eine an die bereits stehende Wand angelehnte Leiter gestiegen war, von der herabstürzenden Platte erschlagen.

Wegen der Einzelheiten des Ablaufs wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils und den zur Akte gereichten Bericht des Amtes für Arbeitsschutz und technische Sicherheit (Blatt 24 bis 27 d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin meint, dass sich aus dem Geschehensablauf so gravierende Verstöße gegen Unfallverhütungsvorschriften und Verkehrssicherungspflichten ergäben, dass aufgrund dessen von einer vorsätzlichen Schadensverursachung durch die Beklagte auszugehen sei.

Die Staatsanwaltschaft Schwerin hat gegen den Arbeitnehmer J. Z., der bei dem Unfall als Baggerführer tätig war, ein Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung eingeleitet; dieses wurde im Januar 2003 gemäß §§ 153 a, 170 StPO nach Zahlung eines Geldbetrages zur „symbolischen Schadenswiedergutmachung” an die Witwe eingestellt. Im Rahmen der Ermittlungen sind von der Kriminalpolizeiinspektion Schwerin der damalige Geschäftsführer der Beklagten S. P. sowie die auf der Baustelle tätigen Arbeitnehmer H. G., R. B., H. B. sowie der spätere Beschuldigte Z. noch am Unfalltag als Zeugen vernommen worden. Im Rahmen der Ermittlungen ist auch eine kriminaltechnische Untersuchung des Materials der Kettenglieder durch das Sachverständigenbüro Dr. Ing. K. I. erfolgt.

Die beigezogene Ermittlungsakte war auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung beim Landesarbeitsgericht. Der Inhalt der Ermittlungsakte im tatsächlichen Bereich ist zwischen den Parteien unstreitig (Berufungsbegründungsschrift Seite 5, Blatt 188 d.A.).

Das Arbeitsgericht Schwerin hat mit Urteil vom 25.01.2006 die Klage abgewiesen, der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt und den Streitwert auf 49.868,98 EUR festgesetzt.

In der Begründung seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht darauf abgestellt, dass nach § 104 Abs. 1 SGB VII ein Unternehmer zum Ersatz des Personenschadens bei einem Arbeitsunfall nur im Falle der vorsätzlichen Verursachung unmittelbar haftet. Selbst von einem bedingten Vorsatz im Sinne des billigenden Inkaufhehmens eines für möglich gehaltenen Schadens könne hier jedoch nicht ausgegangen werden. Hierfür reiche es nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 27.06.1975, 3 AZR 457/74, AP Nr. 9 zu § 636 RVO) nicht aus, dass der Vorsatz sich lediglich auf die Missachtung von Sicherheitsvorschriften richte; er müsse auch auf den Personenschaden gerichtet sein.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachstandes und der Entscheidungsgründe wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin im Ganzen Bezug genommen.

Gegen das am 23. März 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin – anwaltlich vertreten – mit einem als Telefax am Montag, dem 24. April 2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die mit einem weiteren als Telefax am 23. Mai 2006 eingegangenen anwaltlichen Schriftsatz begründet worden ist. Mit der Berufung verfolgt sie die erstinstanzlich gestellten Anträge weiter.

Die Klägerin begründet die Berufung damit, dass das Arbeitsgericht rechtsfehlerhaft eine falsche Beurteilung der Abgrenzung zwischen grober Fahrlässigkeit und bedingtem Vorsatz vorgenommen habe. Die Vielzahl der offensichtlichen und einschlägigen Verstöße indiziere, dass die Beklagte und deren Mitarbeiter als Verrichtungsgehilfen nicht nur auf einen guten Ausgang hätten hoffen dürfen, sondern schon bei geringster Gewissensanspannung einen Schaden bis hin zum Tod eines beteiligten Arbeitnehmers hätten befürchten müssen. Der Einsatz eines B...

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