In solch einer Umgebung müssen sich multinationale Konzerne darüber im Klaren sein, welchen Risiken sie sich aussetzen, wenn sie den Festlandmarkt betreten. Bis jetzt haben wir uns hauptsächlich auf die weit verbreitete Beamtenkorruption und ihre Auswirkung auf den Ruf der Partei und der Regierungsorgane konzentriert. Jedoch gibt es auch weitreichende Folgen für die Gesellschaftswerte und die Geschäftskultur. Eine Regierungspolitik oder amtliche Handlungen und Entscheidungen, die protektionistisch sind oder zumindest zugunsten der Regionalwirtschaft ausfallen, können in der Unternehmenswelt den Ton angeben. Bürokratie, undurchsichtige Geschäftstätigkeiten, mangelnde Kenntnis der Corporate Governance und eine Laissez-faire-Haltung von Managern und ihren Mitarbeitern gegenüber der Geschäftsethik können letztendlich die Geschäfte eines Unternehmens schwächen.

Wirtschaftskorruption äußert sich auf viele Arten, durch Diebstahl, Unterschlagung, Bestechung, Schiebung und verschiedene Arten von Betrugsgeschäften: Einsatz von Strohfirmen (juristische Personen ohne materielle Vermögenswerte, über die Produkte oder Leistungen geschleust werden können), Fälschung von Rechnungen (Fapiaos), um Budget – oftmals vom Vertrieb, Marketing und der Öffentlichkeitsarbeit – abzuzweigen, und Fälschen des Geschäftsverkehrs durch die Gründung parallel laufender Unternehmen, die ein separates Produkt herstellen, aber die Abwicklungs- und Produktionskosten dem Hausunternehmen in Rechnung stellen. Fälle von Vetternwirtschaft und Protektion – Geschäfte mit nahestehenden Unternehmen und/oder Personen – sind in China besonders weit verbreitet.

Ausländische Investoren können beim Markteintritt in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn sie nicht ausreichend vorbereitet sind. Das folgende Beispiele verdeutlicht, wie sich eine unzureichende Unternehmensprüfung auf Partnerschaften von multinationalen Konzernen mit privaten chinesischen Unternehmen auswirken kann: Zwischen 2000 und 2004 investierte die International Finance Corporation (IFC) in Wumart-Läden, eine in Peking ansässige Einzelhandelskette, die 2004 an der Hongkonger Börse zugelassen wurde. Zwei Jahre später wurde Wumarts Gründer, Zhang Wenzhong, wegen des Verdachts auf "unangemessene" Verbindungen zum in Ungnade gefallenen ehemaligen Vizebürgermeister von Peking, Liu Zhihua, verhaftet und schließlich wegen Veruntreuung, Bestechung und Betrug zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt. Liu hatte Berichten zufolge dabei geholfen, die frühe Expansion von Wumart Ende der 1990er in Peking zu ermöglichen. Die Investition wurde zu einer großen Blamage für die IFC.

Obwohl multinationale Konzerne viel tun können, um ihr Reputationsrisiko zu mindern, indem sie vor dem Markteintritt eine Risikobewertung und strenge Unternehmensprüfung vornehmen, werden die größten Compliance-Risiken teilweise erst sichtbar, wenn das Unternehmen bereits geschäftstätig ist. Entscheiden sich beispielsweise Führungskräfte, die nur begrenzte Kenntnis der örtlichen Bedingungen und der Sprache haben, dafür, die geschäftlichen Entscheidungen ihren einheimischen chinesischen Managern zu überlassen, kann das teuer werden. Einem im Ausland lebenden Leiter eines italienischen Unternehmens in China, der der chinesischen Sprache nicht mächtig war, wurde z.B. Betrug innerhalb seines Unternehmens in Ost-China vorgeworfen. Er entdeckte, dass sein dienstältester regionaler Manager – ein langjähriger einheimischer Angestellter, der in Italien gelebt hatte und fließend Italienisch sprach – das Unternehmen massiv betrog, indem er zurückgesendete Waren wieder auf dem Markt verkaufte. Die Unkenntnis der chinesischen Sprache durch den italienischen Manager und seine unzureichenden Englischkenntnisse hatten ihn gezwungen, sich zu sehr auf eine einzelne Person innerhalb des Unternehmens zu verlassen.

Es gibt weitere Gründe, warum multinationale Konzerne besonders häufig zum Ziel von Betrügereien werden. In den Anfangsjahren der Investitionen aus dem Ausland waren einheimische Betrüger in der Lage, die Gegebenheiten der Praxis zu ihrem Vorteil auszunutzen, wie z.B. die Bürokratie, Sprachprobleme, starke Unterstützung vom Hauptsitz für schnell wachsende Märkte, das Fernmanagement und die mangelnde Kenntnis des Marktes sowie weiterreichende Probleme in Bezug auf Investorennaivität und ein geringes Wissen um die örtliche Geschäftskultur. Noch heute sind sie Zielscheibe für Betrüger, obwohl jahrzehntelange Investitionen aus dem Ausland die multinationalen Konzerne viel über bekannte Fallstricke und Standards für bewährte Methoden in allen Betriebsabläufen gelehrt haben, einschließlich der Compliance und Integrität.

Seit jüngerer Zeit stehen multinationale Konzerne auch noch unter bisher unbekannter Kontrolle durch die Regierung auf nationaler und regionaler Ebene. Während ein Teil dieser Aufmerksamkeit fair und gerechtfertigt ist, wachsen die Bedenken, dass die Vorschriften zu protektionistischen Zwecken eingesetzt werden und Auslandsunternehmen dadurch d...

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