Neurodivergenz am Arbeitsplatz

Die Integration von neurodivergenten Menschen in Unternehmen ist nicht einfach. Von Autisten, Personen mit ADHS, Zwangsstörungen und anderen nicht neurotypischen Dispositionen können die Betriebe aber oft profitieren. Wie gelingt eine erfolgreiche Einbindung neurodivergenter Beschäftigter in die Arbeitsprozesse?

Neurodiversität bedeutet neurologische Vielfalt, der Begriff „neurodivergent“ eine Abweichung vom mentalen oder neurologischen „Normalzustand“ (wissenschaftlich: Neurotypisch). Zur Neurodivergenz gehören Autismus, Asperger-Syndrom, Legasthenie, Dyskalkulie, Epilepsie, Hyperlexie, Dyspraxie, AD(H)S, Zwangsstörung (OCD) und Tourette-Syndrom (TS). Laut Schätzungen sind immerhin rund 20 % aller Menschen in Deutschland neurodivergent. Der Begriff Neurodiversität wurde von der australischen Soziologin Judy Singer geprägt, die selbst Autistin ist. Die Intention ihrer Wortschöpfung war es, dazu beizutragen, neurodivergente Menschen nicht als krank wahrzunehmen, sondern sie lediglich als etwas „anders tickende“ Menschen zu betrachten.

Herausforderungen am Arbeitsplatz

Das „anders ticken“ kommt daher: Die Informationsverarbeitung funktioniert bei neurodivergenten Menschen unterschiedlich zu neurotypischen Personen, weil ihre Gehirne anders „verdrahtet“ sind. Sie haben daher oft große Probleme, sich so zu verhalten wie die Mehrheit der Menschen. Das erschwert wiederum ihre Integration in Strukturen und Prozesse, die für die Denk- und Handlungsweisen von neurotypischen Menschen konzipiert wurden – also auch in Unternehmen. Sie sind darüber hinaus schnell von Reizen überfordert, leiden intensiver unter Arbeitsbelastungen als ihre neurotypischen Kollegen und fallen in Stresszeiten durch eine besonders ausgeprägte Nervosität auf.

Besonders problematisch für den Arbeitsalltag ist aber, dass sie sich schwer in Kommunikationsprozesse einbinden lassen, weil sie die „normalen“ Kommunikationsmuster oft nicht vollständig verstehen. So können beispielsweise Autisten viele Formen der nonverbalen Kommunikation nicht nachvollziehen oder deuten Gestik, Mimik und Blickkontakte anders als sie von ihren neurotypischen Kollegen eigentlich gemeint gewesen waren.

Viele Stärken

Trotz dieser negativen Besonderheiten fallen viele neurodivergente Menschen im Betrieb oft nicht als solche auf, man hält sie höchstens für „Sonderlinge“ oder „Einzelgänger“. Wüsste man von ihren Besonderheiten, könnte man ihre Stärken dagegen gezielt fördern. Menschen mit ADHS beispielsweise eignen sich besonders für Berufe in Medien, Kunst und Design, da sie besonders kreativ sind und in neuen Wegen denken können. Und Autisten sind in der IT-Branche tatsächlich schon heute besonders nachgefragte Fachkräfte, da sie mit ihren herausragenden kognitiven Fähigkeiten besonders systematisch denken und Probleme außergewöhnlich tiefgehend analysieren können.

Umgang im Betrieb

Noch mehr als neurotypische Menschen sollten neurodivergente Beschäftigte speziell für die Arbeitsprozesse vorgesehen werden, in denen sie ihre Stärken vollständig ausspielen können. Sie eigenen sich dagegen noch weniger für flexible Einsätze in verschiedenen Arbeitsbereichen innerhalb einer kurzen Zeitspanne. Der perfekt zugeschnittene Personaleinsatz ist also besonders entscheidend dafür, ob eine neurodivergente Person ein Gewinn für das Unternehmen sein kann oder nicht.

Weiterhin sollten bei neurodivergenten Personen folgende Maßnahmen umgesetzt werden:

  • Neurodivergente Menschen sind schnell sensorisch überlastet. Arbeitsplätze sollten daher mit dimmbarer Beleuchtung und Geräuschunterdrückung ausgestattet sein. Ruhezonen sollten in nächster Nähe zum Arbeitsplatz zur Verfügung stehen.
  • Eine flexible Arbeitszeitgestaltung kommt der besonders ausgeprägten Individualität dieser Beschäftigten entgegen.
  • Unterstützungssysteme wie Mentoring oder Coaching können neurodivergenten Mitarbeitern helfen, sich in den betrieblichen Prozessen besser zurechtzufinden und ihre Kommunikation mit neurotypischen Kollegen zu optimieren.

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