Fragmentierte Arbeitszeiten verbessern Work-Life-Balance nicht

Eine aktuelle Studie untersucht, ob fragmentierte Arbeitstage, bei denen die Beschäftigten immer wieder zwischen beruflichen und privaten Verpflichtungen wechseln, zu einer Steigerung der Work-Life-Balance führen – oder ob eher das Gegenteil der Fall ist. Und welche Rolle spielen Geschlecht und Elternschaft dabei?

Die Mehrheit der Beschäftigten möchte Beruf und Familie besser miteinander vereinbaren können. Vor allem im Homeoffice haben mehr Beschäftigte die Möglichkeit, Erwerbsarbeit und familiäre Verpflichtungen oder andere wichtige private Aktivitäten zu verbinden. Eine negative Folge dieser eigentlich arbeitnehmerfreundlichen Lösung ist: Die Arbeitszeiten werden teilweise stark fragmentiert, d. h. zerstückelt, und die Beschäftigten müssen ständig zwischen beruflicher und privater Rolle hin- und herspringen.

Welche Vor- und Nachteile in Bezug auf Gesundheit, Arbeitspensum und Work-Life-Balance haben diese zerstückelten bzw. fragmentierten Arbeitstage für die betroffenen Beschäftigten? Das haben Forscher des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) untersucht und ihre Ergebnisse Ende 2024 veröffentlicht.

Zunahme, aber kein Massenphänomen

Die Studie analysierte Daten von mehr als 6.400 Beschäftigten aus den Jahren 2015 und 2017. Demnach ist der Anteil derjenigen, die ihre Arbeit an mindestens einem Arbeitstag pro Woche unterbrechen, um private Aufgaben zu erledigen, in diesem Zeitraum deutlich von 45 % auf 53 % gestiegen. Gleichzeitig stieg der Anteil derjenigen, die in ihrer Freizeit berufliche Aufgaben erledigen, von 35 auf 40 %.

Bei den meisten Befragten waren aber nur ein oder wenige Tage pro Woche durch gleichzeitige Erwerbsarbeit und private „Sorgearbeit“ für Kinder oder andere Familienangehörige geteilt. Nur 4 % der Beschäftigten unterbrachen ihre Arbeit „häufig“ und machten am Abend nach 19 Uhr mit ihrer beruflichen Arbeit weiter. Bei 10 % kam das nur „manchmal“ vor, bei 27 % „selten“, beim Rest überhaupt nicht.

Frauen unzufriedener, Mütter besonders

Bei den Befragten, die häufig oder zumindest manchmal ihre Arbeitstage zwischen Arbeits- und Privatverpflichtungen aufteilen mussten, war ein überraschend eindeutiger Trend festzustellen: Die Zufriedenheit mit der eigenen Work-Life-Balance war nicht besonders ausgeprägt. Dies traf vor allem auf weibliche Befragte zu, insbesondere auf Mütter. Sie empfanden aufgrund ihrer zerstückelten Arbeitstage viel Zeitdruck und Stress.

Insbesondere Müttern fiel es darüber hinaus sehr schwer, nach der Arbeit abzuschalten und sich zu erholen. Hinzu kam: Im Gegensatz zu Männern und kinderlosen Frauen arbeiteten Mütter für ihren Job nicht länger, wenn sie einen Teil davon in die Abendstunden verlagerten. Dadurch bewältigten sie ihr Arbeitsvolumen im Beruf mehr schlecht als recht und fühlten sich durch den vermehrten Zeit- und Leistungsdruck noch gestresster als die Vertreter der beiden anderen Gruppen.

Weitere Ergebnisse

Daneben waren die wichtigsten Ergebnisse der Studie:

Zeit- und Leistungsdruck betrifft alle: Arbeitszeitfragmentierung und Zeit- oder Leistungsdruck hingen für alle befragten Personengruppen eng zusammen. Die Studienmacher vermuten, dass der zerstückelte Arbeitstag allein schon durch den mehrmaligen Rollenwechsel am Tag den Stresslevel erhöht und dass die Arbeitsmenge im Job durch den Zeitaufwand für die privaten Verpflichtungen für alle befragten Personengruppen, also nicht nur die Mütter, daher nur schwer zu bewältigen ist.

Ruhezeiten zu kurz: Bei häufiger fragmentierter Arbeit konnten die meisten Befragten die gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten nicht hinreichend ausnutzen, da oft zwischen dem Ende eines Arbeitstages und dem Arbeitsbeginn des nächsten Tags keine (vorgeschriebenen) elf Stunden liegen. Dies habe massive Auswirkungen auf die Erholung, den Schlaf, die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit, das Unfallgeschehen, aber auch auf Gesundheit und Wohlbefinden, so die Forscher.

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Hinweise für Arbeitgeber

Insgesamt bilanzierten die Forscher, „dass die Unterbrechung der Arbeitszeit für private Verpflichtungen zwar eine Vereinbarkeit grundsätzlich ermöglicht, aber nicht zwangsläufig zu einer höheren Zufriedenheit führt.“ Welche Schlüsse sollten Arbeitgeber daraus ziehen?

Flexible Arbeitszeiten dürften, so die Wissenschaftler, nicht zu einer Entgrenzung der Arbeitszeit führen, weil dies die Erholung und die Gesundheit der Beschäftigten zu sehr beeinträchtigt. Daher müssten Arbeitszeit und Freizeit klar voneinander getrennt werden. Arbeitszeitmodelle müssten so flexibel gestaltbar sein, dass die Beschäftigten noch mehr Autonomie über ihre Arbeitszeit bekommen. Darüber hinaus sollten betriebliche Gesundheitsförderungsmaßnahmen weiter ausgebaut werden.


Schlagworte zum Thema:  Arbeitszeit, Work Life Balance