Zusammenfassung

 
Überblick

Unternehmensstrukturen sind in der modernen Arbeitswelt nicht mehr so homogen und kompakt, wie sie waren, als das deutsche Arbeitsschutzsystem geprägt wurde. Der Arbeitsort von Beschäftigten ist zunehmend weniger der Firmensitz oder ein vollständig ausgestatteter Firmenstandort und häufig arbeiten Beschäftigte und die zuständigen Führungskräfte nicht am selben Ort.

Die grundlegenden Arbeitsschutzpflichten, wie Gefährdungsbeurteilung, Unterweisung und sichere und gesunde Arbeitsplatzgestaltung, verlieren deshalb aber nicht an Bedeutung. Ihre Umsetzung muss der gegebenen Unternehmensstruktur Rechnung tragen, damit Arbeitsschutzanforderungen nicht nur formal, sondern zweckentsprechend und effizient erfüllt werden.

Bei der klassischen Arbeitsschutzbegehung werden in regelmäßigem Turnus Arbeitsstätten und Arbeitsplätze von diversen fachlich bzw. hierarchisch zuständigen Personen (Führungskräfte, Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Sicherheitsbeauftragte, Beschäftigtenvertreter) gemeinsam in Augenschein genommen und bewertet. Dies kann in einer sich wandelnden Arbeitswelt u. U. nicht mehr gemeinsam in Präsenz an einem Ort stattfinden. Die erforderlichen Informationen, Erkenntnisse und Einschätzungen müssen daher in anderer geeigneter Weise zusammengetragen und dokumentiert werden, sodass die erforderlichen Tätigkeiten in sicherer und gesunder Arbeitsumgebung durchgeführt werden können.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit – Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG):

§ 3 bzw. § 5 ASiG Aufgaben der Betriebsärzte / Aufgaben der Fachkräfte für Arbeitssicherheit

"(1) Die Betriebsärzte / Fachkräfte für Arbeitssicherheit haben die Aufgabe, den Arbeitgeber beim Arbeitsschutz und bei der Unfallverhütung in allen Fragen des Gesundheitsschutzes / der Arbeitssicherheit einschließlich der menschengerechten Gestaltung der Arbeit zu unterstützen. Sie haben insbesondere

...

3. die Durchführung des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung zu beobachten und im Zusammenhang damit a) die Arbeitsstätten in regelmäßigen Abständen zu begehen und festgestellte Mängel dem Arbeitgeber oder der sonst für den Arbeitsschutz und die Unfallverhütung verantwortlichen Person mitzuteilen, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Mängel vorzuschlagen und auf deren Durchführung hinzuwirken."

1 Begehungen als Baustein der Arbeitsschutzkultur

Die regelmäßige (oft jährliche) Arbeitsschutzbegehung wird oft als sehr elementarer Bestandteil eines guten Arbeitsschutzstandards angesehen. Dies ist umso mehr der Fall, als die Begehung als solche ein Vorgang ist, der im betrieblichen Alltag gut wahrnehmbar ist – mehr als z. B. die Dokumentation zur Gefährdungsbeurteilung oder die regelmäßig durchgeführten Arbeitsschutzausschusssitzungen, in die nicht direkt beteiligte Unternehmensangehörige meist gar keinen Einblick haben.

Dabei darf aber nicht außer Acht gelassen werden, dass die juristische Bedeutung von Arbeitsschutzbegehungen tatsächlich relativ gering ist. Die Begehung ist ein Werkzeug zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung – nicht mehr und nicht weniger. Es ist die Gefährdungsbeurteilung, die den unverzichtbaren und rechtlich in hohem Maß relevanten Kern der Arbeitsschutzpflichten des Unternehmers darstellt. Im Arbeitsschutzgesetz, das seit 1996 die elementaren Unternehmerpflichten im Arbeitsschutz beschreibt, ist die Arbeitsschutzbegehung dagegen nicht erfasst.

Sie wird lediglich im sehr viel älteren Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) beschrieben (Erstveröffentlichung 1973), aber "nur" als eine Teilaufgabe in der Tätigkeit von Betriebsärzten und Fachkräften für Arbeitssicherheit, und zwar zur Beobachtung des Arbeitsschutzstandes eines Unternehmens.

Auf dieser Ebene werden im Arbeitssicherheitsgesetz auch noch andere Bausteine der Arbeitsschutzberatung beschrieben, die keineswegs in allen Unternehmen eine Rolle spielen: z. B. die Beratung in der Auswahl und Erprobung von Körperschutzmitteln, in der Beschaffung von technischen Arbeitsmitteln oder die Untersuchung von arbeitsbedingten Erkrankungen. Es handelt sich hier also um die Beschreibung von Beratungspflichten, die umzusetzen sind, soweit sie in der spezifischen Situation eines Unternehmens relevant sind.

Das bedeutet umgekehrt, dass der rechtliche Stellenwert der Arbeitsschutzbegehung nicht so hoch ist, dass sie unbedingt als Präsenzbegehung stattzufinden hätte. Es gibt auch Fälle, wo sie für eine gute Arbeitsschutzberatung durch Fachkraft für Arbeitssicherheit bzw. Betriebsarzt nicht erforderlich oder auch gar nicht sinnvoll ist.

2 Begehung als Bestandteil der Gefährdungsbeurteilung

Das deutsche Arbeitsschutzsystem ist so ausgelegt, dass der Kern einer guten Arbeitsschutzstruktur die Gefährdungsbeurteilung ist. Der Arbeitgeber ist nach ArbSchG und DGUV Vorschrift 1 verpflichtet, alle Beschäftigten in einer Gefährdungsbeurteilung zu erfassen und diese zu dokumentieren. Das ist elementarer Bestandteil der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, die selbstverständlich unabhängig davon gilt, wo und unter welchen Umständen ein Beschäftigt...

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