Mit dem Schlagwort "Remote-Begehung" wird also im Kern die Durchführung bzw. Aktualisierung einer Gefährdungsbeurteilung bezeichnet, die eben genau nicht mit einer wörtlich verstandenen räumlichen Begehung verbunden ist.

Um eine solche qualitativ hochwertig und rechtlich korrekt durchzuführen, müssen dieselben Rahmenbedingungen eingehalten werden, wie es bei einer Präsenzbegehung sonst auch der Fall sein sollte:

Beteiligung der zuständigen Führungskraft/eines Arbeitgebervertreters

Nicht immer ist bei der Erstellung oder Aktualisierung einer Gefährdungsbeurteilung die in der Unternehmenshierarchie offiziell zuständige Führungskraft beteiligt. Auch ein formal untergeordneter Standort- oder Teamleiter, im Ausnahmefall auch ein erfahrener und gut informierter Mitarbeiter kann geeignet sein, die Arbeitgeberseite zu vertreten. Es muss aber im gesamten Ablauf klar sein, dass die Gefährdungsbeurteilung als Vorgang und in ihren Ergebnissen von der zuständigen Führungskraft zu vertreten ist, auch wenn sie die Durchführung an andere delegiert.

Richtig:

  • Führungskraft in die Planung und Organisation der Durchführung mit einbeziehen.
  • Ergebnisse/erstellte Dokumente der zuständigen Führungskraft zustellen und durch diese freigeben lassen.

Falsch:

  • Fachkraft für Arbeitssicherheit führt die Remote-"Begehung" ohne Absprache mit der Führungskraft mit Beschäftigten vor Ort "zwischendrin" durch und legt die Dokumente ohne weitere Rücksprache ab.

Beteiligung des Betriebsrats/Personalrats/der Mitarbeitendenvertretung

Aktivitäten zur Gefährdungsbeurteilung sind immer mitbestimmungspflichtig. Das gilt genauso für die Remote-"Begehung".

Richtig:

  • Gremienvertreter in den Prozess und die Terminvereinbarung einbeziehen.
  • Formate wählen, die einen Austausch von allen an der Beurteilung beteiligten Funktionsträgern ermöglichen, z. B. Online-Konferenzen oder zentrale Präsenztreffen.
  • Erstellte Dokumente, ggf. nach Freigabe durch die zuständige Führungskraft, den Gremienvertretern zugänglich machen.

Falsch:

  • Beurteilungen in einem zweiseitigen Telefongespräch erstellen und Unterlagen ohne weitere Kommunikation ablegen.
 
Hinweis

Darf der Betriebsrat auch mal fehlen?

Den Gremienvertretern muss es möglich sein, den Prozess der Gefährdungsbeurteilung mitzugestalten und ihre Informationen, Erfahrungen und Sichtweisen einzubringen. Das bedeutet, dass der Organisationsablauf, die Wahl des Besprechungsformates und die Terminfindung so abgestimmt sein müssen, dass diese Beteiligung praktisch möglich ist. Es heißt aber nicht, dass bei jedem Beurteilungstermin ein Gremienvertreter anwesend sein muss. Ggf. empfinden diese es als ausreichend, bei der beispielhaften Beurteilung eines Musterarbeitsplatzes dabei zu sein und die Beurteilung vieler gleichartiger Einzelstandorte nur in der Dokumentation nachzuvollziehen.

Ausreichende Wissens-, Informations- und Erfahrungsgrundlage sicherstellen

Richtig:

  • Beurteilungstermin gut vorbereiten, klären, welche Informationsträger benötigt werden, ggf. Fragenkatalog/Checkliste erarbeiten.
  • Format so wählen, dass alle erforderlichen Informationsträger teilnehmen können.

Falsch:

  • Abarbeiten eines standardisierten Fragenkatalogs am Telefon, wenn erkennbar ist, dass dieser die betriebliche Wirklichkeit vor Ort nicht vollständig abbildet.
 
Praxis-Tipp

Formate für Remote-"Begehungen"

Der Begriff Remote-"Begehung" bezeichnet nicht die Vorstellung, dass vor Ort eine digital angeschlossene Kamera durch die Räume getragen wird und auf diese Weise nicht in Präsenz anwesende Personen sich ein Bild von der Situation machen und eine Einschätzung treffen. Wenn die Inaugenscheinnahme der Arbeitsbedingungen zwingend erforderlich ist, bleibt eine Präsenzbegehung das Mittel der Wahl (s. u. Abschn. 4).

In bestimmten Fällen sind natürlich auch visuelle Informationen hilfreich und digital gut zu übermitteln, dann aber i. d. R. zweckmäßiger als Foto oder Video.

Online-Konferenzen

sind gut geeignet, um Beurteilungen aus der Distanz durchzuführen.

  • Teilnehmer können nach Bedarf zusammengestellt werden und sich in der Gruppe gut austauschen.
  • Geringe organisatorische Hürden. So können auch hoch beanspruchte Führungskräfte oder Betriebsärzte mit geringem Stundenkontingent mindestens phasenweise an Beurteilungen teilnehmen.
  • Dokumente können gemeinsam eingesehen und bearbeitet werden.

Präsenzbesprechungen an zentralem Ort

bieten weniger räumliche und zeitliche Flexibilität, kommen aber z. B. dann infrage, wenn alle erforderlichen Teilnehmer (Führungskräfte, Beschäftigtenvertreter, Fachkraft für Arbeitssicherheit u. a.) ohnehin an anderer Stelle versammelt sind.

Telefongespräche

kommen in Ausnahmefällen infrage, wenn z. B. innerhalb eines Gesamtprozesses zur Gefährdungsbeurteilung für einzelne gleichartige Standorte lediglich bestimmte Punkte nach Checkliste abgefragt werden müssen und dafür nicht mehr als zwei Teilnehmer erforderlich sind.

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