Die bislang genannten Beispiele zu Nudging-Strategien und -Anwendungen bezogen sich auf das Gesundheitsmanagement und die Gesundheitspolitik. Das hat seine Gründe. Denn im Bereich des Arbeitsschutzes und der Arbeitssicherheit stehen Nudging-Strategien gerade erst am Anfang ihrer Anwendung. Dabei geht es in der Pionierphase v. a. um durch Technologien (Computer, Roboter) bewirkte Verhaltensänderungen beim Menschen. Für diese Interaktion zwischen Maschine und Mensch hat sich der Ausdruck Persuasive Technologien durchgesetzt. Mittels der Persuasiven Technologie sollen Verhaltensänderungen durch Überzeugung ausgelöst werden, d. h., es geht um beabsichtigte Veränderungen ohne Zwang, Manipulation oder Täuschung.

 
Wichtig

Persuasive Technologie: Nudging mit dem Computer

Eng verwandt mit dem Konzept der Nudges ist das der Persuasiven Technologien, welches sich jedoch speziell auf den Bereich der Mensch-Computer-Interaktion bezieht. Persuasive Technologien sind Computersysteme, die so gestaltet sind, dass es Einstellungen und/oder Verhalten von Benutzern ändert bzw. beeinflusst – und genau wie das Nudging, ohne dabei Zwang oder Täuschung auszuüben. Aus Sicht der Verhaltensbeeinflussung können persuasive Systeme daher als mögliche Werkzeuge für Nudging verstanden werden, da sie (Arbeits-)Mittel darstellen, mit denen Verhalten weder über Zwang bzw. Strafe noch über Belohnung beeinflusst werden kann. Eine Persuasive Technologie, die bereits eine weite Verbreitung gefunden hat, ist z. B. eine Pulsuhr, die über Selbstüberwachung (Self-Monitoring) dafür sorgt, dass der Träger mit der idealen Belastung läuft und seine Leistung genau überprüfen kann.

Ob Persuasive Technologien und daran gekoppelte Nudging-Strategien auch für den Arbeitsschutz Verwendung finden können, darüber forschte die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) in einem mehrjährigen Forschungsprojekt.[1] In 3 Studien mit insgesamt 171 Probanden wurde jeweils eine simulierte Aufgabe aus unterschiedlichen Arbeitsfeldern, wie der Montage oder der Chemieverarbeitung, von den Probanden bearbeitet.

Im finalen Studienversuch arbeiteten an einem Computer-Arbeitsplatz beispielsweise 90 Probanden mit einem kollaborativen Leichtbauroboter zusammen, um gemeinsam mit ihm elektrische Steckbretter zu montieren. Ein Teil der Probanden bearbeitete die Aufgabe ohne Nudges und ohne jegliches Feedback zu ihren Handlungen, um die Wirksamkeit des Nudgings objektiv vergleichen zu können. In den 3 Interventionsgruppen dagegen wurden die Probanden mit diversen computergenerierten Nudges zu sicherem Verhalten animiert. Eine Gruppe wurde durch eine Textbotschaft zum Tragen der Handschuhe animiert, eine andere durch eine Textbotschaft und zusätzlich eine Ampelschaltung (Grün = Handschuhe werden getragen). In der dritten Gruppe schließlich wurden menschenähnliche virtuelle Avatare ("Virtuelle Agenten") eingesetzt, die über ihre Mimik den Probanden Freude oder Trauer/Ärger anzeigten.

Allen Nudges war gemeinsam, dass sie auf die Handlungen der Probanden unmittelbar mit einem Feedback antworteten. Das Feedback wurde ausgelöst, sobald ein rotes Kabel in das Steckbrett eingesetzt wurde. Wurden zu diesem Zeitpunkt Schutzhandschuhe getragen, wurde positives Feedback gegeben, andernfalls negatives Feedback. Dabei wurden neben den Verhaltensweisen der Probanden auch subjektive Einstellungen der Probanden erhoben, v. a. bezüglich der Frage, welche Nudges von den Probanden besonders akzeptiert wurden.

In allen 3 Studienversuchen hatten die Probanden die Option, ihre Aufgabe vergleichsweise schnell und mit weniger Rücksicht auf Sicherheitsmaßnahmen durchzuführen oder aber etwas langsamer, dafür aber sicherheitsbewusster. Welche Nudging-Strategie führte bei den Probanden zu welchen Verhaltensänderungen und wie lange haben die Probanden ihr verändertes Verhalten tatsächlich beibehalten? Die Ergebnisse der Studien zeigten, dass Nudging-Strategien mittels Persuasiver Technologie geeignet waren, das Verhalten der Probanden im Sinne gesundheitsgerechter Arbeit zu beeinflussen. Das Fehlverhalten sank teilweise um 40 bis 50 %. Je nach Art und optischer Gestaltung wurden die Nudges von den Personen unterschiedlich bewertet, wobei insbesondere die Virtuellen Agenten hohe Zustimmungswerte erreichten. Auch hinsichtlich der Nachhaltigkeit der Verhaltensänderung konnte die Nudging-Strategie überzeugen: In der Nudging-Gruppe kam es auch dann zu etwa 40 % weniger die Arbeitssicherheit weitgehend ignorierenden Verhaltensweisen, als keine Nudges mehr zum Einsatz kamen.

[1] Hartwig: Nudging für den Arbeitsschutz?. Potentiale und Risiken von Verhaltensanregungen zur Förderung sicheren Arbeitens, in: baua: Bericht kompakt, 1. Auflage, Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2019.

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