Der Schutz gegen Absturz und herabfallende Gegenstände ist eine der grundlegenden Anforderungen an Arbeitsstätten. Normalerweise wird ein dreiteiliges Geländer – bestehend aus Handlauf, Knieleiste und Fußleiste – als Absturzsicherung und Schutz gegen herabfallende Gegenstände verwendet. Aber auch die Verwendung von Fanggerüsten, Fangnetzen oder der Einsatz von persönlicher Schutzausrüstung kommen unter Umständen als Absturzsicherung infrage. Die grundlegenden Anforderungen an Arbeitsstätten sind im Anhang zur Arbeitsstättenverordnung beschrieben. In Anhang 2.1 ArbStättV ist der Komplex "Schutz gegen Absturz und herabfallende Gegenstände, Betreten von Gefahrenbereichen" geregelt. Die Arbeitsstättenrichtlinie ASR A2.1 enthält konkretisierende Hinweise für die Umsetzung; im April 2014 wurde Abschn. 8 "Abweichende/ergänzende Anforderungen für Baustellen" eingefügt . Außerdem gibt es hierzu ergänzende berufsgenossenschaftliche Regeln für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (sog. DGUV-Regeln). DGUV-Regeln sind Zusammenstellungen bzw. Konkretisierungen von Inhalten z. B. aus

  • staatlichen Arbeitsschutzvorschriften (Gesetze, Verordnungen) und/oder
  • berufsgenossenschaftlichen Vorschriften (Unfallverhütungsvorschriften) und/oder
  • technischen Spezifikationen und/oder
  • den Erfahrungen berufsgenossenschaftlicher Präventionsarbeit.

Sie richten sich in erster Linie an den Unternehmer und sollen ihm Hilfestellung bei der Umsetzung seiner Pflichten aus staatlichen Arbeitsschutzvorschriften und/oder BG-Vorschriften geben sowie Wege aufzeigen, wie Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren vermieden werden können. Der Unternehmer kann bei Beachtung der in den BG-Regeln enthaltenen Empfehlungen davon ausgehen, dass er die in BG-Vorschriften geforderten Schutzziele erreicht. Andere Lösungen sind möglich, wenn Sicherheit und Gesundheitsschutz in gleicher Weise gewährleistet sind.

Grundsätzlich ist der Bauherr dafür verantwortlich, dass von der Baustelle keine Gefahren ausgehen. Ihn trifft die sog. Verkehrssicherungspflicht. Er muss die Arbeitsstätte (z. B. Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste beschaffen muss, aber auch die Baustelle) so einrichten und unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorgenommen werden, so regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit wie möglich geschützt ist. Die Verantwortung für die Bauausführung trägt allerdings grundsätzlich der Bauunternehmer. Diesem hat der Bauherr gerade wegen seiner besonderen Sachkunde und Erfahrung die Ausführung der gefährlichen Aufgabe anvertraut.[1] Eine Ausnahme gilt, wenn der Bauherr sich von vornherein die Bauaufsicht ganz oder zum Teil vorbehalten hat.

Eine typische Aufgabe des Bauunternehmers ist insbesondere die Beobachtung aller Maßnahmen zur Unfallverhütung. Dabei kann sich der Unternehmer seiner allgemeinen Aufsichtspflicht allerdings durch die Übertragung auf einen Bediensteten nicht völlig entledigen. Für Unfälle, die durch Verschulden des Bauleiters verursacht oder nicht verhindert worden sind, muss er weiterhin einstehen, wenn er es bei der Auswahl des Vertreters, bei der Zuteilung der Aufgaben oder bei der Ausübung der ihm möglichen und gebotenen Oberaufsicht an der erforderlichen Sorgfalt hat fehlen lassen oder wenn er trotz Kenntnis von bestehenden Missständen oder Gefahren nicht eingeschritten ist.

Gleiches gilt für den Bauherrn selbst. Nimmt der Bauherr wahr, dass der Bauunternehmer nachlässig arbeitet, muss er einschreiten.[2] Der 5. Strafsenat des OLG Stuttgart hat dies in seiner Entscheidung vom 5.4.2005 ausdrücklich bestätigt. Danach wird der Bauherr wieder selbst verkehrssicherungspflichtig, wenn

  • er Gefahrenquellen erkennt oder erkennen müsste und
  • Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der von ihm beauftragte Unternehmer im Hinblick auf die Einhaltung der Verkehrssicherheit nicht genügend zuverlässig ist, und
  • er den auch einem Laien einsichtigen Sicherheitserfordernissen nicht in ausreichender Weise Rechnung trägt.

Die Besonderheit des Falles war allerdings, dass der beauftragte Bauunternehmer erkennbar die Sicherheitserfordernisse, die auch einem Laien einsichtig sind, nicht einhält. Im Einzelnen ging es um die Abdeckung eines nicht durchtrittsicheren Hallendachs ohne Sicherungsgerüst und Fangnetz.

[1] So bereits BGH, Urteil vom 21.4.1964, 1 StR 72/64, BGHSt 19, 286, 288.
[2] BGH, Urteil vom 21.4.1964, 1 StR 72/64, BGHSt 19, 286, 289.

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