Zusammenfassung

 
Überblick

Die barrierefreie Gestaltung von Arbeitsstätten wurde mit der Novellierung der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) im Jahr 2004 in das deutsche Arbeitsschutzrecht aufgenommen. Danach sind Arbeitgeber verpflichtet, Arbeitsstätten so einzurichten und zu betreiben, dass die Belange der bei ihnen beschäftigten Menschen mit Behinderungen berücksichtigt werden. Dieser Beitrag zeigt, was Barrierefreiheit ist, wem sie dient, in welchen Rechtsnormen diesbezügliche Anforderungen zu finden sind und wie diese in der betrieblichen Praxis umgesetzt werden können.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Grundlage der barrierefreien Gestaltung von Arbeitsstätten ist die ArbStättV. Die Anforderungen hinsichtlich der barrierefreien Gestaltung werden in der ASR V3a.2 "Barrierefreie Gestaltung von Arbeitsstätten" konkretisiert. Außerhalb des Arbeitsschutzrechts gibt es weitere rechtliche Regelungen für Menschen mit Behinderungen. Dazu zählen das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) und das Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX). Anforderungen an die Barrierefreiheit finden sich auch in den Bauordnungen der Länder.

1 Arbeitsschutz- und Schwerbehindertenrecht

1.1 Arbeitsschutzrecht

Mit der Novellierung der ArbStättV im Jahr 2004 erschienen im deutschen Arbeitsschutzrecht erstmals die Menschen mit Behinderungen und die barrierefreie Gestaltung. Hintergrund war die Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht: Nach der Begründung zur Verordnung[1] sollte die Regelung in der ArbStättV die zuvor in § 81 Abs. 4 Nr. 4 SGB IX[2] getroffenen Bestimmungen um entsprechende Arbeitsschutzbestimmungen ergänzen. Das SGB IX und eines seiner Vorgänger, das Schwerbehindertengesetz, hatten zu diesem Zeitpunkt bereits punktuell für die Umsetzung zweier EU-Arbeitsschutz-Richtlinien gesorgt. Demnach waren für behinderte Arbeitnehmer seit 1989 die Arbeitsstätten und seit 1992 die Baustellen ggf. behindertengerecht zu gestalten.[3]

Die Klarstellung in der ArbStättV hatte ihren Grund auch in dem im Jahr 2002 in Kraft getretenen BGG, das als ein wesentliches Element die Barrierefreiheit beinhaltet.

Welche Maßnahmen Arbeitgeber konkret zu treffen hatten, blieb zunächst noch weitgehend offen, da ein entsprechendes technisches Regelwerk nicht vorhanden war. Lediglich im Normenwerk des Deutschen Instituts für Normung (DIN) gab es dazu bereits detaillierte Regelungen.

[1] Z. B. Bundesrats-Drucksache 450/04.
[2] In der bis 31.12.2017 gültigen Fassung des SGB IX.
[3] EG-Arbeitsstättenrichtlinie (89/654/EWG) Anhang I Ziffer 20 und Anhang II Ziffer 15; EG-Baustellenrichtlinie (92/57/EWG) Anhang IV Teil A Ziffer 17.

1.2 Schwerbehindertenrecht

Im Schwerbehindertenrecht hat die Fürsorge des Staates für Menschen mit Behinderungen und deren Tätigwerden in Betrieben eine lange Tradition. Schon die erste Fassung des Gesetzes über die Beschäftigung Schwerbeschädigter im Jahr 1920 enthielt wesentliche Aussagen, die noch im heutigen Schwerbehindertenrecht verankert sind:

Arbeitgeber mussten Arbeitsräume, Betriebsvorrichtungen, Maschinen und Gerätschaften so einrichten und unterhalten und den Betrieb so regeln, dass Schwerbeschädigte[1] in den Betrieben Beschäftigung finden konnten. Über das 1953 neu gefasste Schwerbeschädigtengesetz der Bundesrepublik Deutschland, das Schwerbehindertengesetz 1983 bis hin zum heutigen SGB IX von 2001 wurden mithin Anforderungen an Arbeitsstätten gestellt, für die das deutsche Arbeitsschutzrecht bis dahin keine materiellen Regelungen getroffen hatte.

 
Wichtig

Benachteiligungsverbot im Grundgesetz

An exponierter Stelle wurde bereits im Jahr 1994 der Benachteiligung, Ausgrenzung und Diskriminierung von Menschen mit Behinderung begegnet: Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz bestimmt seither als Grundrecht, dass niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf.

Im internationalen Maßstab ist die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) von 2008 zu erwähnen, die den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen fördern und gewährleisten soll.

[1] U. a. die aus dem 1. Weltkrieg heimgekehrten Kriegsversehrten.

2 Menschen mit Behinderungen

2.1 Behinderung und Schwerbehinderung

Was unter einer Behinderung zu verstehen ist, hat das BGG formuliert:

Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können. Als langfristig gilt ein Zeitraum, der mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate andauert.[1]

In Deutschland leben nach dem Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes zu den Lebenslagen der behinderten Menschen 10,2 Mio. amtlich anerkannte behinderte Menschen. 7,5 Mio. von ihnen sind schwerbehindert. Damit sind fast 13 % der Bevölkerung behindert und knapp 9 % schwerbehindert. Die altersmäßige Verteilung der Menschen mit Behinderungen zeigt Abb. 1.

Abb. 1: Menschen mit Behinderungen in Deutschland nach dem Alter[2]

Die meisten Behinderungen entstehen im Laufe des Lebens. Die Hälfte der Menschen mit Behinderungen ist 65 Jahre un...

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