Evakuierung bei Brandfällen: Menschen mit schweren Behinderungen

Die Evakuierung von Beschäftigten mit schweren Behinderungen im Brandfall ist in erster Linie Aufgabe des Arbeitgebers. Was hat er hier zu beachten? Mit welchen Maßnahmen können schwerbehinderte Beschäftigte rechtzeitig und sicher vor dem Feuer gerettet werden?

In der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) heißt es, dass Arbeitgeber, die Menschen mit Behinderungen beschäftigen, Arbeitsstätten so einzurichten und zu betreiben haben, dass die besonderen Belange dieser Beschäftigten im Hinblick auf Sicherheit und Gesundheitsschutz berücksichtigt werden. Hierzu zählt auch die Berücksichtigung der Anforderungen im Rahmen des vorbeugenden Brandschutzes. Eine besondere Herausforderung ist dabei die Evakuierung bzw. „Entfluchtung“ von behinderten Beschäftigten im Falle eines Gebäudebrands. Die Grundlage hierfür bildet zunächst einmal die barrierefreie Gestaltung von Arbeitsplätzen sowie von Türen, Fluchtwegen, Notausgängen, Treppen und Orientierungssystemen. Zum Beispiel müssen rollstuhltaugliche Fluchtwege vorhanden sein und als solche entsprechend gekennzeichnet werden, damit Rollstuhlfahrer diese erkennen und im Notfall auch benutzen.

Evakuierung bei Brandfällen – Arbeitgeber ist in der Verantwortung

Die primäre Verantwortung für eine Evakuierung der Arbeitsstätte liegt nicht bei der Feuerwehr, sondern beim Arbeitgeber bzw. dem vom Brand betroffenen Unternehmen. Deshalb dürfen diese nicht fahrlässig Zeit durch Warten auf Hilfe durch die Feuerwehr verstreichen lassen, sondern müssen umgehend handeln.

Die Evakuierungsmaßnahmen haben vor diesem Hintergrund also bereits vor Eintreffen der Feuerwehr zu erfolgen, damit die Feuerwehrleute bei Ankunft am Gefahrenort direkt mit der Brandbekämpfung und weiteren Rettungsmaßnahmen beginnen können. Nur so kann der Arbeitgeber darüber hinaus auch sicherstellen, dass die dringend benötigte Hilfe für Beschäftigte mit Behinderung nicht zu spät kommt.

Evakuierung bei Brandfällen – Prinzip Selbstrettung

Weniger problematisch ist die Rettung von Arbeitnehmern, die seh- oder hörbehindert sind, aber mobil. Diese Personen können sich meistens aus eigener Kraft retten (Selbstrettung). Allerdings müssen sie durch unternehmensweite Alarmierungssysteme auf den Notfall aufmerksam gemacht werden – sowohl akustisch als auch optisch. Sollten diese Warnsysteme noch nicht vorhanden sein, muss dieser Punkt im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung angesprochen und unverzüglich gelöst werden.

Evakuierung bei Brandfällen – Patenregelung für Menschen mit Behinderungen

Die meisten der schwer gehbehinderten Menschen aber auch viele blinde und taube Personen benötigen bei der Evakuierung aber zusätzliche Unterstützung. Eine Selbstrettung ist für sie ausgeschlossen. Zunächst: Menschen mit schwereren Behinderungen sollten, wenn möglich, einen Arbeitsplatz im Erdgeschoss zugewiesen bekommen, vorzugsweise in der Nähe der Ausgangstüren des Gebäudes. Wenn dies aber nicht möglich ist und diese Beschäftigten in den oberen Geschossen arbeiten, muss ein Alternativplan her. In vielen Arbeitsstätten hat sich so zum Beispiel ein „Patensystem“ etabliert. Dabei werden der Person mit Behinderung ein oder besser zwei Paten zugeteilt, die manchen Betrieben auch als Evakuierungshelfer oder Etagenbeauftragte bezeichnet werden bzw. als Etagenbeauftragte/Evakuierungshelfer und Paten in Personalunion fungieren. Bei diesem Patensystem muss der Arbeitgeber festlegen, wer als Hilfsperson für eine bestimmte behinderte Person und in welchen Zeiträumen in Frage kommt. Es ist also verbindlich zu regeln, wer für wen im Notfall zuständig ist.

Sichere Bereiche für Menschen mit Behinderungen

Sollte auch die Hilfe durch einen Paten nicht ausreichen, um einen Beschäftigten mit Behinderung rechtzeitig aus dem Haus zu begleiten, dann muss die Person alternativ in einen gesicherten Bereich der Arbeitsstätte gebracht werden und dort bis zum Eintreffen der Feuerwehr vom Paten betreut werden. Bei den „sicheren Bereichen“ in einem modernen Gebäude handelt es sich in erster Linie um Treppenhäuser und Aufzugsvorräume. Denn deren Wände und Türen sind in der Regel brandschutzsicher und erlauben einen sicheren Aufenthalt für mindestens 90 Minuten. Innerhalb dieser Zeitspanne sollte in der Regel die Feuerwehr bereits vor Ort sein und die wichtigsten Brandbekämpfungs- und Rettungsmaßnahmen eingeleitet haben. In älteren Gebäuden, die nicht über brandschutzsichere Bereiche verfügen, müssen behinderte Menschen in Räume gebracht werden, die sich so weit wie möglich vom Brandherd entfernt befinden.

Evakuierung bei Brandfällen – Notrutschen und Evakuierungsstühle

Eine weitere Möglichkeit zur Rettung von Personen mit Behinderung ist der Einbau von Notrutschen oder die Bereitstellung von Evakuierungsstühlen. Doch Achtung: Diese Geräte sind ohne vorherige Übung nicht problemlos zu benutzen. Daher müssen die Beschäftigten mit Behinderungen in deren Benutzung unterwiesen werden, natürlich auch verbunden mit praktischen Übungen.