Brandschutz- und Evakuierungsübungen planen und durchführen

Brandschutz- und Evakuierungskonzepte sind notwendig, um bei einem Brand die Sicherheit von Beschäftigten und Besuchern zu gewährleisten. Um darin enthaltene Schwachstellen und Fehlerquellen aufzudecken, sollten Evakuierungskonzepte regelmäßig trainiert werden. Je vertrauter darüber hinaus Fluchtwege und Sammelplätze sind, desto reibungsloser verläuft die Evakuierung im Ernstfall.

Warum werden Brandschutz- und Evakuierungsübungen durchgeführt?

Konkret geht es darum, zu überprüfen, ob das Evakuierungskonzept, das für das jeweilige Unternehmen bzw. Gebäude für den Gefahrenfall entwickelt wurde, umsetzbar ist und funktioniert. Ziel ist es, alle Mitarbeitenden in einer Notsituation schnell und geordnet zu evakuieren. Die Zeitspanne der Evakuierung ist das Entscheidende, wenn es brennt. Idealfall ist, dass das Gebäude bereits evakuiert ist, wenn die Feuerwehr eintrifft. Diese kann sich dann auf ihre eigentliche Aufgabe, nämlich auf die Suche nach dem Brandherd und auf die Brandbekämpfung, konzentrieren.
Evakuierungsübungen haben zudem den Sinn, die Beschäftigten auf das richtige Verhalten im Brandfall zu trainieren. Die alleinigen theoretischen Unterweisungen sind in der Regel nicht hinreichend. Je vertrauter somit Fluchtwege und Sammelplätze sind, desto reibungsloser verläuft die Evakuierung im Ernstfall.

Sind diese Übungen gesetzlich vorgeschrieben und müssen sie regelmäßig durchgeführt werden?

Die Notwendigkeit von Unterweisungen und Brandschutz- und Evakuierungsübungen sind in § 10 Arbeitsschutzgesetz sowie ASR A2.3 beschrieben. Demnach sind Unternehmer grundsätzlich für die Sicherheit ihrer Beschäftigten verantwortlich. Die Arbeitsstättenregelwerke gehen noch weiter ins Detail. Im Zuge der Novellierung der ASR A2.3 ist dort festgelegt, dass mindestens alle zwei bis fünf Jahre eine Übung stattfinden sollte. Auch die Gefahrstoffverordnung  verlangt gemäß §13 die Festlegung von Notfallmaßnahmen und die regelmäßige Durchführung von Sicherheitsmaßnahmen.  

Gemäß den Ergebnissen der Gefährdungsbeurteilung können auch jährliche Übungen zweckdienlich sein. Das muss der Unternehmer selbst bewerten und auch begründen. Übungen können in unterschiedlichen Abstufungen durchgeführt werden. Es gibt beispielsweise Vollräumungen oder -evakuierungen, Teilevakuierungen oder sogenannten Stabsübungen. Letztere betreffen ausschließlich die Personen, die für die Evakuierung zuständig sind. Auch in der Wahl der Art der Übung ist der Unternehmer frei.

Die Arbeitsstättenregelwerke stellen den Stand der Technik dar. Das bedeutet, dass die sogenannte Vermutungswirkung eintritt. Auch wenn es einem Betrieb freigestellt ist, eigene Lösungen zum Schutz der Mitarbeitenden zu finden, liegt der Vorteil beim Anwenden der Technischen Regeln in der Vermutungswirkung.

Bei Einhaltung der Technischen Regeln kann der Unternehmer davon ausgehen, dass die entsprechenden Anforderungen der  Arbeitsstättenverordnung umgesetzt sind. Wählt der Arbeitgeber dagegen eine andere Lösung, muss er damit mindestens die gleiche Sicherheit und den gleichen Schutz der Gesundheit für die Beschäftigten erreichen und dies auch nachweisbar darlegen können.

Wie läuft eine Übung in der Praxis ab?

Übungen laufen in der Praxis sehr unterschiedlich und insbesondere unternehmens- und gebäudebezogen ab. In einem ersten Schritt wird geschaut: Mit welchem Gebäude hat man es zu tun, mit welchen Personengruppen? Wir müssen grundsätzlich differenzieren zwischen einem Büro-, Verwaltungsbetrieb oder vergleichbar, in dem sich primär die eigenen Mitarbeitenden aufhalten und keine externen Personen wie Besucher oder Kunden. Sonderbauten wie z. B. Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime sowie auch Industrie- und Produktionsbetriebe müssen nochmals gesondert betrachtet werden, denn die Art der Nutzung sowie auch Personen erfordert darauf abgestimmte und ausgelegte Übungen.

Vor den Übungen stimmen sich die verantwortlichen Personen sowie die Fachkraft für Arbeitssicherheit oder Brandschutzbeauftragter im Unternehmen ab, wie sich der Ablauf gestaltet. Idealerweise gibt es ein Evakuierungskonzept oder eine Brandschutzordnung der Teile A bis C. Hier sind bereits viele Positionen enthalten, wie sich Gefahren- oder Abläufe im Brandfall gestalten. Dort wird auch berücksichtigt, ob es eine Brandmeldeanlage gibt oder eine Alarmierung über Personen. Dementsprechend wird die Übung vorher durchgesprochen. Bei Brandmeldeanlagen ist es unabdingbar, dass die Übertragungseinrichtung zur Feuerwehr oder einer anderen ständig besetzten Stelle in Kenntnis gesetzt wird bzw. die Übertragungseinrichtung abgeschaltet wird.

Im tatsächlichen Evakuierungsfall haben die Brandschutzhelfer eine besondere Rolle zu übernehmen. Sie kontrollieren, dass die Mitarbeitenden richtig gelotst werden und bspw. keine Aufzüge benutzen etc. Zur Überprüfung der Abläufe während der Übung ist es sinnvoll, sogenannte Beobachter zu bestimmen. In der Vorbereitung ist es daher ratsam, mögliche Beobachter vorab zu benennen und sie anhand einer Checkliste in ihren Aufgaben zu unterweisen.

Planung und Vorbereitung einer Brandschutz- oder Evakuierungsübung. Was ist zu beachten?

Grundsätzlich sollten Unternehmen ein Konzept vorweisen, in dem sie Abläufe, Personen etc. benennen, die Unterweisungen der entsprechenden Personen dokumentiert haben sowie Flucht- und Rettungspläne darlegen. Dies alles ist vorab zu prüfen, um ein belastbares Konzept zu haben.
In der Rangfolge ist jedoch zunächst die Gefährdungsbeurteilung zu überprüfen und festzustellen, ob es Abweichungen zum Sollzustand gibt. In einem weiteren Schritt geht es darum, die Personen zu identifizieren, die im Gefahrenfall zuständig wären. Sie werden im Rahmen eines Notfall- bzw. Sicherheitsorganigramms benannt. Zum Tragen kommen hier die Brandschutzhelfer, natürlich die Führungskräfte, der womöglich installierte Brandschutzbeauftragte und die Fachkraft für Arbeitssicherheit als beratende Instanz. Ggf. wird noch ein sogenannter Sammelplatzleiter installiert. Festzulegen ist in diesem Zusammenhang auch der Qualifizierungsumfang dieser Personen. Dann ist zu klären, ob Ausrüstungsgegenstände, wie z.B. Handkarten zur Evakuierung, Warnwesten oder Funkgeräte benötigt werden.

Für größere Gebäude werden oftmals Evakuierungskarten entwickelt. Damit ordnet man Geschossebenen bestimmten Brandschutzhelfern zu, die sich im Gefahrenfall speziell um ihre Bereiche kümmern.

Welche gebäudespezifischen Aspekte müssen berücksichtigt werden?

Bei Verkaufsstätten sollte genau überlegt werden, wann eine Übung durchgeführt wird. Samstags muss bspw. geschaut werden, ob zunächst nur die Beschäftigten eingebunden werden oder ein Wochentag gewählt wird, an dem weniger Kunden vor Ort sind und diese dann in einem zweiten Schritt mit eingebunden werden.
 
In Krankenhäusern und Pflegeheimen ist es noch komplizierter, denn dort kann mit Patienten oder Bewohnern, je nach Gesundheitszustand, nicht aktiv geübt werden. Hier bietet sich an, mit dem eigenen Personal Situationen zu simulieren – wie zum Beispiel eine horizontale Evakuierung. In einem richtigen Brandfall ist bis zum Anrücken der Feuerwehr nicht viel Zeit, dann müssen auch diese Situationen einstudiert sein. Bei einer Übung wie auch im wahren Brandfall sieht man vor, die Zimmer rechts und links des Brandherdes und auch die Zimmer unmittelbar darüber als erstes zu evakuieren. Trifft die Feuerwehr ein, übernimmt sie in diesen Fällen die Führung vor Ort und damit auch die Evakuierung.

Ist eine Nachbereitung der Übung in sinnvoll?

Nach der Übung ist auch immer vor der Übung: eine Nachbereitung ist unerlässlich. Empfehlenswert ist, die Feststellungen und Optimierungspotentiale in einem Protokoll festzuhalten und ihre Ursachen zu analysieren. Aufgabe der Sicherheitsverantwortlichen ist es, kritisch zu hinterfragen, wo offensichtliche Abweichungen vom Evakuierungsplan bestanden, ob alle Mitarbeitenden die richtigen Fluchtwege gewählt bzw. den Alarm überhaupt gehört haben, zügig zu den Sammelplätzen gegangen sind und dort die Anwesenheitskontrolle reibungslos verlaufen ist.
 
Auch bei einer Übung lässt sich bei der Vielzahl an beteiligten Personen nicht alles steuern. Manchmal passiert es, dass die Übertragungseinrichtung der Brandmeldeanlage temporär nicht ausgeschaltet wurde und die Feuerwehr mit dem kompletten Löschzug anrückt. Möglicherweise entstehen hierfür dem Unternehmen zusätzliche Gebühren. Auch erleben wir häufig während der Übungen, dass Notausgänge nicht funktionieren, sie verschlossen, defekt oder verstellt sind. Auch aus diesem Grund ist die abschließende Analyse der Übung unerlässlich, die die Schwachpunkte nochmals benennt.

Ein besonderes Augenmerk ist auf das Reaktionsverhalten der Beschäftigten und sonstigen Besucher im Gebäude zu legen. In der Regel verfallen im Brandfall die Personen nicht in Panik, sondern verhalten sich oft träge, so dass dies die Evakuierung verzögert. Somit ist eine Sensibilisierung der Personen unerlässlich. Gleichzeitig ist zu beobachten, ob ggf. Aufzüge benutzt werden oder zu viele bzw. zu sperrige Gegenstände mitgenommen werden.

Ferner haben wir aktuell die Situation, dass viele Beschäftigte hybrid arbeiten, ggf. häufiger im Homeoffice sind. Damit sind dann womöglich zu wenig Brandschutzhelfer vor Ort. Auch das gilt es bei den Planungen zu beachten.

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