Unter Einstiegsarbeiten wird das Betreten von bzw. Einsteigen und auch Hineinbeugen in umschlossene Räume in abwassertechnischen Anlagen verstanden. Als umschlossene Räume gelten dabei nicht nur Räume, die von festen Wandungen umgeben sind, sondern auch Bereiche, in denen aus anderen Gründen der Luftaustausch sehr gering ist. Solche Räume kommen in nahezu allen Arten von abwassertechnischen Anlagen vor. Im Kanalbereich sind alle überhaupt begehbaren Kanäle und dazugehörigen Schächte betroffenen, in Kläranlagen außerdem z. B:

  • Ein- und Auslaufbauwerke,
  • tief gelegene Bereiche von Rechenanlagen oder Sandfängen,
  • Schlammsilos,
  • Faulbehälter usw.

4.3.1 Risiken

Einstiegsarbeiten sind wegen folgender Gefahren ein Schwerpunkt sicherheitstechnischer Überlegungen in abwassertechnischen Anlagen:

  • lebensgefährliche Vergiftungen bzw. Ersticken durch das Auftreten toxischer Gase (v. a. CO2, Methan, Schwefelwasserstoff, Faulgase, Benzine – durch unzulässige oder störfallbedingte Einleitungen) oder Sauerstoffmangel (genauere Informationen siehe DGUV-R 103-003 Anhang 4),
  • Explosionsgefahr durch die Bildung explosionsfähiger Gas-Luftgemische (Methan, Benzine),
  • Ertrinken (besonders nach Unfällen oder bei unerwartet und plötzlich steigenden Wasserständen),
  • erschwerte Rettung bei Unfällen,
  • Kontakt mit biologischen Arbeitsstoffen, der zu Infektionen führen kann, sowie Kontakt mit Ratten,
  • Absturz an Leitern, Steigeisengängen usw.

Unfälle beim Einsteigen in abwassertechnische Anlagen sind gemessen an anderen Unfallschwerpunkten in der Arbeitswelt zwar eher selten, enden aber oft tödlich. Sie waren bisweilen dadurch besonders tragisch, dass neben dem zuerst Verunglückten weitere Opfer bei überstürzten Rettungsversuchen ums Leben kamen. Es handelt sich also trotz glücklicherweise geringer Fallzahlen um einen unter Arbeitsschutzgesichtspunkten durchaus kritischen Bereich.

4.3.2 Allgemeine Sicherheitsüberlegungen

Verantwortliche Führungskräfte und Sicherheitsfachkräfte sollten sich im Zusammenhang mit Einstiegsarbeiten vor allen weiteren Überlegungen Folgendes klar machen:

Für Einstiegsarbeiten gibt es detaillierte berufsgenossenschaftliche Vorschriften, die in der DGUV-V 21 und der DGUV-R 103-602 im Überblick beschrieben und Hauptgegenstand der DGUV-R 103-003 "Arbeiten in umschlossenen Räumen abwassertechnischer Anlagen" sind.

Sie einzuhalten bedeutet einiges an organisatorischem und finanziellem Aufwand. Dem steht erschwerend gegenüber:

  1. In vielen Bereichen sind Einstiegsarbeiten zwar nicht ganz unvermeidlich, kommen aber selten vor.
  2. Die Erfahrung lehrt, dass die zu berücksichtigenden Gefahren, insbesondere giftige Gase oder Sauerstoffmangel, in der Praxis sehr selten auftreten.

Das macht es schwer, bei den betroffenen Kollegen und bei den betrieblichen Verantwortlichen das Bewusstsein für sicherheitsgerechtes Verhalten aufzubauen und zu erhalten. Entsprechend groß ist die Versuchung, gelegentliche Einstiegsarbeiten "nur mal eben" ohne die erforderlichen Maßnahmen vorzunehmen.

 
Achtung

Hohe Haftungsrisiken

Die Haftungsrisiken sind gerade bei Einstiegsarbeiten wegen des häufig tödlichen Unfallausgangs und der deswegen bestehenden verbindlichen Vorschriftenlage für die Verantwortlichen erheblich. Mit anderen Worten: Bei Einstiegsarbeiten muss unbedingt ein verbindliches "Ganz oder gar nicht" gelten, auch wenn die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen aufwendig erscheinen.

Kurz gefasst gilt folgende Einstufung: Wenn umschlossene Räume vorhanden sind, in die aber nicht eingestiegen wird, müsste nach DGUV-V 21 immerhin die "Rettungsgrundausstattung" mit wenigstens einem Atemschutzgerät zur Rettung, einem Abseilgerät usw. vorgehalten werden (vgl. Abschn. 3.12). Es wäre im Einzelfall zu prüfen, ob in Abstimmung mit der zuständigen Aufsichtsbehörde darauf verzichtet werden kann, wenn sichergestellt ist, dass tatsächlich nie (auch nicht unfallbedingt) eingestiegen werden muss, weil z. B. konkrete Absprachen mit der örtlichen Feuerwehr bestehen. Allerdings sollte man nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass die Feuerwehr automatisch in der Lage sein muss, im Notfall die Rettungsarbeiten komplett mit eigenen Kräften durchzuführen. Oft dauert bereits die Rüstzeit und Anfahrt gerade zu ländlich abgelegenen Anlagen so lange, dass der Arbeitgeber auf eigene Maßnahmen nicht komplett verzichten kann. Außerdem ist der Abwasserbereich mit seinen spezifischen Bedingungen und Risiken auch für die in technischer Hilfeleistung geübten Wehren ein eher fremdes Territorium (siehe dazu auch Abschn. 4.3.3.6 Notfall- und Rettungsmaßnahmen)

Für alle weiteren Einstiegsarbeiten in umschlossene Räume sind die in Tab. 1 aufgeführten Maßnahmen vorzusehen (vgl. Anhang 1 DGUV-R 103-602 und Anhang 1 DGUV-R 103-003).

 
Einstiegstiefe Maßnahmen
1–5 m[1]
  • Alarm- und Rettungsplan muss vorhanden sein.
  • Rettungsausrüstung muss vorhanden sein.
  • Sicherung der Arbeitsstelle.
  • Mindestens eine zweite Person muss über Tage anwesend sein (Sicherungsposten).
  • Freimessen mit geeignetem Messverfahren. Geeignete Messverfahren sind z. B. kontinuierliche Messungen mit dir...

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