Nachhaltiges Eventmanagement

9:16 Awards: Zwischen Live-Streaming und Emissionen


9:16 Awards: Live-Streaming und Emissionen

Live, laut, digital – und klimabewusst? Immer mehr Events setzen auf hybride Formate oder ergänzen ihre Bühnenprogramme durch Streaming-Angebote. Was für Reichweite sorgt, hat jedoch eine nicht zu unterschätzende Kehrseite: Auch das Streamen verursacht Emissionen. Wie man dieser Diskrepanz aktiv begegnen kann, zeigten kürzlich die 9:16 Awards in Hamburg.

Egal ob live, hybrid oder rein digital: Events ziehen Millionen Menschen weltweit in ihren Bann – sie inspirieren, vernetzen und schaffen unvergessliche Momente. Doch mit ihrer Reichweite wächst auch die Verantwortung, den ökologischen Fußabdruck zu minimieren. Für Event-Veranstalter gibt es grundsätzlich zahlreiche Möglichkeiten, die CO₂-Emissionen niedrig zu halten und nachhaltige Veranstaltungen zu organisieren: Von der Wahl eines umweltfreundlichen Veranstaltungsortes – idealerweise mit guter Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel – über energieeffiziente Beleuchtung und Technik bis hin zur Vermeidung von Einwegplastik und einem Catering mit regionalen und saisonalen Speisen. 

Auch digitale oder hybride Event-Formate können grundsätzlich helfen, den CO₂-Fußabdruck gering zu halten, beispielsweise indem dadurch Reisen – insbesondere Flugreisen – von Besuchern vermieden werden. Allerdings verursacht auch der Datenverkehr im Internet Emissionen. Die Herausforderung liegt darin, die Faszination von Events mit einem möglichst geringen Einfluss auf das Klima zu vereinen. Wie dies gelingen kann, zeigten kürzlich die 9:16 Awards in Hamburg – und sie liefern Ansätze, die auch andere Veranstalter übernehmen können. Bei der Preisverleihung, begleitet von einem Summit, werden Creator und Marken für herausragenden Content im vertikalen, Smartphone-typischen 9:16-Format ausgezeichnet.

Emissionen im Fokus: Wissenschaftlich fundiertes Tracking

Rund 1.200 Gäste feierten im Mai 2025 die 9:16 Awards im altehrwürdigen Deutschen Schauspielhaus in Hamburg. Eine imposante Kulisse, doch mit dem Live-Streaming im Internet wurde ein noch sehr viel größeres Publikum erreicht: Mehr als 100.000 Zuschauer verfolgten die Veranstaltung auf Twitch, YouTube, TikTok und Instagram – und sorgten damit für nicht unbedeutende Co2-Emissionen. 

Erstmals analysierte das Unternehmen klima&so den CO₂-Fußabdruck des Livestreams umfassend – von der Serverinfrastruktur bis zu den Endgeräten der Zuschauer. Das eigens entwickelte Berechnungsmodell berücksichtigte den Stromverbrauch der Streaming-Plattformen, die Datenübertragung zwischen Rechenzentren und Endgeräten sowie Hardware-Nutzung durch Plattformen, Infrastruktur und die Zuschauergeräte. Die Ergebnisse wurden nicht hinter geschlossenen Türen ermittelt, sondern transparent für alle: Während des 180-minütigen Streams visualisierte ein Live-Counter die nicht vermeidbaren Emissionen in Echtzeit. Auf diese Weise offengelegt, wurde der CO₂-Fußabdruck für Zuschauer greifbar und unterstrich das Engagement der Veranstalter. 

Das Ergebnis hat Gewicht: Der vierstündige Livestream verursachte 2,47 Tonnen CO₂-Äquivalente – vergleichbar mit einer 13.000 Kilometer langen Autofahrt von Hamburg nach Singapur, rechneten die Gründer von klima&so mithilfe des Quarks-CO₂-Rechners vor. 

Emissionen begrenzen: Doppelstrategie und praktische Maßnahmen

Die präzise Erfassung der Emissionen bildete die Grundlage für anschließende Reduktions- und Kompensationsmaßnahmen. Hauptsponsor 1KOMMA5° setzte auf eine zweistufige Kompensation, um die verbleibenden Emissionen zu adressieren. Zunächst wurden 1,2 EU-Emissionszertifikate aus dem Europäischen Emissionshandel (EU ETS) gelöscht, wodurch die Verbrennung von umgerechnet 1,2 Tonnen Steinkohle verhindert wurde. Zusätzlich wurden sechs Mischwald-Bäume auf deutschen Flächen ohne bestehende Aufforstungspläne gepflanzt.

Neben der Kompensation setzten die 9:16 Awards auf ein Bündel praktischer Maßnahmen, um Emissionen gezielt zu vermeiden: Papierloses Ticketing und digitale Gästemanagement-Tools (ticketree) reduzierten den Papierverbrauch. Die zentrale Lage des Deutschen Schauspielhauses nahe dem Hauptbahnhof erleichterte zudem die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Außerdem wurde der Termin der Awards so gewählt, dass Gäste ihre Reise mit anderen Veranstaltungen wie der OMR, die einen Tag später ihre Tore öffnete, kombinieren konnten. Nicht zuletzt nutzten die Veranstalter bestehende Technik, Sound, Licht und Personal des Schauspielhauses, um zusätzliche Ressourcen zu sparen. 

Dieses Leuchtturmprojekt könnte nun Schule machen. Der Dienstleister klima&so hat bereits weitere Events in seiner Pipeline: einen großen Creator Economy Award und einen Creator-Spenden-Livestream für Klima und Umwelt. „Das Interesse von Veranstalterseite wächst, weil sie merken: Transparente CO₂-Bilanzierung ist kein Hexenwerk, sondern smart umsetzbares Eventmanagement“, sagt klima&so Mitgründer Jean-Paul Laue.

Streaming bewusst nutzen und Awareness schaffen

Auch wenn die Möglichkeiten, CO₂ zu reduzieren, immer besser umzusetzen sind – eines bleibt: Viele Online-Zuschauer bedeuten eine große gestreamte Datenmenge – was wiederum hohe Emissionen verursacht. Doch nach Einschätzung von Laue verfügt jeder Veranstalter über zwei große Hebel, um smart gegenzusteuern. „Die Streaming-Qualität muss bewusst gewählt werden“, betont Laue. Es müsse nicht 4K sein. „Full HD reicht oft völlig aus und spart massiv CO₂“, so der Experte.

Je nach Art des Events können Veranstalter auch aufgezeichnete Inhalte clever einsetzen, beispielsweise indem sie im Nachgang nicht das komplette Event online abrufbar machen, sondern nur ausgewählte Sequenzen. Das Wichtigste ist aus Sicht von Laue jedoch, aufzuklären und Awareness zu schaffen, denn viele Zuschauer sind sich nicht bewusst, dass beim Streaming CO₂-Emissionen entstehen. „Kommunikation ist der größte Wirkhebel, weil sie Verhaltensänderungen auslöst.“

Sogar bei den großen Plattformen kommt Bewegung in das Thema – wenn auch sehr langsam. So hat TikTok im Juni eine Partnerschaft mit Scope3 verkündet, einer externen Plattform zur Messung von Kohlendioxidemissionen. Dank dieser Partnerschaft können die Werbekunden der Kurzvideo-Plattform künftig die Kohlendioxidemissionen ihrer Werbekampagnen auf TikTok messen und bei Bedarf entsprechend gegensteuern. Und das dürfte erst der Anfang sein.

Wichtige Learnings von den 9:16 Awards

1.    Emissionen analysieren – auch im Digitalen

Viele Unternehmen unterschätzen die Klimawirkung digitaler Formate. Die 9:16 Awards zeigen: Auch Livestreams verursachen Emissionen – und lassen sich erfassen. Wer beginnt, diese Emissionen systematisch zu analysieren, schafft Transparenz und kann gezielt gegensteuern.

2.    Reduzieren vor Kompensieren – mit System

Die Kombination aus struktureller Emissionsvermeidung (z. B. zentrale Locations, digitale Tickets, gebündelte Reisen) und gezielter Kompensation der Livestreams (zum Beispiel Löschung von Emissionszertifikaten) bietet ein wirkungsvolles Gesamtkonzept, das Greenwashing vermeidet.

3.    Klimaschutz sichtbar kommunizieren

Ein Live-Counter für Streaming-Emissionen auf der Hamburger Veranstaltung mag ungewöhnlich wirken – aber genau darin liegt das Potenzial. Wer offen zeigt, was digitale Aktivitäten bewirken, erzeugt Bewusstsein und Glaubwürdigkeit

4.    Bestehende Strukturen nutzen

Nicht jede Maßnahme muss neu erfunden werden. Die 9:16 Awards nutzten vorhandene Infrastruktur – von der Technik bis zur Logistik. So ließen sich Emissionen vermeiden, ohne zusätzliche Ressourcen zu beanspruchen.

5.    Kommunikation als Hebel verstehen

Die Awards waren in Bezug auf die CO₂-Reduktion ein wichtiger Pilot – aber auch eine Blaupause für mögliche Event-Strategien. Wer sie emissionsärmer aufsetzt und transparent kommuniziert, erhöht seine Glaubwürdigkeit im Nachhaltigkeitskontext. 


Schlagworte zum Thema:  Veranstaltung , Emission
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