Wozu wir Re:thinking brauchen

Dieser Artikel ist ein Ausschnitt aus dem Buch „Re:thinking Sustainability“, das 2024 bei Haufe erschienen ist. Hier geht es zum Buch. |
Die Notwendigkeit eines neuen Denkens in Zeiten des Wandels
In einer Welt, die sich schneller verändert als je zuvor und in der die Herausforderungen größer sind als bisher, stehen wir vor der Notwendigkeit, unsere Denkweisen zu hinterfragen und neu zu gestalten. Mit unserem Buch »Re:thinking Sustainability« wollen wir eine Transformation unterstützen, die bereits im Gange ist. Die Transformation unseres Denkens und Handelns – was uns heraus aus dem fossilen Kapitalismus hin zu regenerativem Wirtschaften führt. Die Herausforderung liegt aktuell im Dazwischen, wir befinden uns also mitten im Übergang. Wir sind noch nicht weg von unseren alten fossilen Strukturen, den damit verbundenen Glaubensbekenntnissen und Handlungen, aber auch noch nicht im Neuen. Genau das ist die große Herausforderung. Niemand wird seine Boje loslassen und anfangen zu schwimmen, wenn er kein Land sieht oder die Notwendigkeit zu schwimmen gar nicht erkennt.
Der Ethnologe Victor Turner beschreibt diesen Schwellenzustand, in dem sich Individuen oder Gruppen befinden, nachdem sie sich von der herrschenden Sozialordnung gelöst haben, als Liminalität. Während der liminalen Phase befinden sich Individuen in einem mehrdeutigen Zustand. Die Klassifikation der alltäglichen Sozialstruktur wird langsam aufgehoben: Die Individuen besitzen einerseits nicht mehr die Eigenschaften ihres vorherigen Zustandes, aber auch noch nicht die des zukünftigen Zustandes.
Man kann Probleme nie auf derselben Ebene und mit der gleichen Einstellung beheben, auf der sie entstanden sind. (Albert Einstein)
Um der Erkenntnis von Albert Einstein zu folgen und diese Übergänge der Liminalität progressiv zu gestalten, braucht es ein Re-Design unseres Denkens.
Reframing als Schlüssel zur Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft
Aus all den bisherigen Überlegungen ergibt sich für unser Buch folgende Ausgangsfrage: Wie sieht eine Zukunft aus, in der wir als Menschen leben wollen? Und: Wie können Individuen und Organisationen dazu beitragen, diese Zukunft mitzugestalten? Der Schlüssel für ein Re-Design unsers Denkens liegt im Reframing. Indem wir die Art und Weise, wie wir Probleme wahrnehmen, verändern, können wir neue Wege und Lösungen finden.
Dafür richten wir unsere Arbeit und unsere Energie auf die proaktive Ausgestaltung unseres Einflussbereiches, nicht auf das, was nicht funktioniert.
Betrachten wir – bevor wir diesen Gedanken weiterverfolgen – zunächst die im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit häufig genannten Prinzipien des Fußabdrucks und des Handabdrucks:
- Der ökologische Fußabdruck misst die negativen Auswirkungen unseres Lebensstils auf die Umwelt. Er quantifiziert die Menge an natürlichen Ressourcen, die wir verbrauchen, und er quantifiziert die Menge an Abfall, die wir erzeugen, um unseren Lebensstandard aufrechtzuerhalten.
- Im Gegensatz zum Fußabdruck, konzentriert sich der Handabdruck auf die positiven Beiträge, die wir leisten können, um die Umwelt zu schützen und soziale Gerechtigkeit zu fördern. Er beschreibt den positiven Einfluss, den wir durch bewusste Entscheidungen und proaktive Maßnahmen erzielen können, um die Welt nachhaltiger zu gestalten.
Ein großer Handabdruck zeigt, dass wir aktiv daran arbeiten, unsere negativen Auswirkungen zu kompensieren und positive Veränderungen zu bewirken.
In Phasen von Umbrüchen lernen wir den Umgang mit neuen Situationen. Vieles von dem, was wir erfahren, erscheint uns zunächst paradox, es ist widersprüchlich, oft unbekannt und es macht uns manchmal Angst. Aber erst in solchen Zuständen entsteht etwas Neues, das es zu entdecken gilt. Der Begriff Ambidextrie beschreibt die Fähigkeit, sowohl das Bestehende zu betreiben (Exploitation) als auch das innovativ Neue zu erschließen (Exploration). Diese komplexe, aber entscheidende Fähigkeit brauchen wir, damit Transformationen hin zu nachhaltigem Handeln zum Erfolg führen. Mit ihr gelingt uns ein wirkungsvolles Überwinden der liminalen Phase.
Anders formuliert: Wir müssen es schaffen, die Spielregeln zu ändern, während wir das Spiel spielen. Dafür gibt es leider keine Best Practices, keine Masterpläne, keine vorgefertigten Gebrauchsanweisungen. Und es gibt auch nicht das, wonach wir uns oft sehnen: einfache Antworten, einen knackigen Drei-Punkte-Plan oder heilsversprechende Parolen von Politikern.
Klar ist nur: Wenn wir die regenerative Transformation schaffen wollen, brauchen wir die kollektive Anstrengung vieler Akteure. Es braucht die Menschen, die an den Systemen arbeiten und z. B. gesetzliche Rahmenbedingungen gestalten – sei es in Regierungen, in der Politik oder in der Wissenschaft. Wir brauchen aber auch alle, die im System mitwirken und es von innen heraus verändern: die Zivilgesellschaft, die Bürger – und vor allen Dingen die Unternehmen. Von ihnen erzählen wir in unserem Buch zwölf inspirierende Geschichten. Wir stellen dabei die Menschen vor, die das Reframing beherrschen. Sie alle haben sich auf den Weg einer individuellen Transformation hin zu einer regenerativen Wirtschaft gemacht – und zwar ausnahmslos mit neuen, teilweise radikalen Denkansätzen und Handlungsweisen. Sie haben sich und ihre Unternehmen teilweise neu erfunden.
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Dieser Artikel ist ein Ausschnitt aus dem Buch „Re:thinking Sustainability“, das 2024 bei Haufe erschienen ist. Hier geht es zum Buch.
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