MOVE 2025: Ein Nachbericht

Nachhaltigkeitskommunikation ist kein Reporting. Und doch wird bei der diesjährigen MOVE viel über den Omnibus, die CSRD und den Nachhaltigkeitsbericht gesprochen. Über ein Kommunikationsevent, das nicht nur Kommunikator:innen anspricht.

„Wenn uns eine Botschaft bereits zu den Ohren heraushängt, kommt sie in der breiten Öffentlichkeit gerade erst an“, stellt Jutta Paulus, Mitglied des Europäischen Parlaments, in der Opening Keynote zur diesjährigen MOVE fest. Wie werden aus Fakten also Überzeugungen? Ehrlich informieren. Mutig vorangehen. Überzeugend kommunizieren. So lautet die Antwort der zweitägigen Kommunikationskonferenz in Berlin, organisiert von der Deutschen Presseakademie. Nachdem es im letzten Jahr neben dem „Imageproblem der Nachhaltigkeitskommunikation“ bereits verstärkt um Nachhaltigkeitsreporting ging, schauen die Expert:innen 2025 noch mehr über den Tellerrand hinaus.

Von Green Claims und New Ways

„Die Bundesregierung kann ihre Klimaziele ohne die Deutsche Bahn nicht erreichen. Die Bahn ist too big to fail“, meint Katrin Habenschaden, Leiterin Nachhaltigkeit und Umwelt bei der Deutschen Bahn. Der Konzern habe Nachhaltigkeit in seine Strategie integriert, ein strategisches Nachhaltigkeitsmanagement mit ambitionierten Zielen entwickelt und sich zur Stärkung von Vielfalt bekannt („Immer und immer und trotzdem!“). Aber es gäbe auch offene Fragen, die eine glaubwürdige und greifbare Kommunikation erfordern: Das vegane und vegetarische Angebot in den Bordbistros werde heiß diskutiert. Zudem fehle der Bahn eine umfassende Biodiversitätsstrategie. Nicht zuletzt sei da die Umweltmarke „Das ist grün.“, über deren rechtlichen Status sich Habenschaden angesichts der Green Claims Directive noch nicht ganz sicher ist.

Ob die Deutsche Bahn künftig mit diesem Slogan auf ihren Zügen werben darf, wagt Andreas Bauer, Rechtsanwalt von Taylor Wessing, zu bezweifeln. Das Unternehmen müsse so eine Aussage auf demselben Medium spezifizieren oder eine „anerkannte hervorragende Umweltleistung“ nachweisen. In seinem Vortrag geht er auf die Green Claims Directive – deren Verabschiedung aktuell unsicher ist – und die Empowering Consumers-Richtlinie ein. Dass Unternehmen ihre Umweltaussagen laut Green Claims Directive vorab von Behörden validieren lassen müssen, hält Bauer für fatal. Fazit: „Ja, es kann noch rechtssicher mit Nachhaltigkeit geworben werden. Aber die Anforderungen an Green Claims werden immer höher.“

„Alle Logistikunternehmen werben mit nachhaltiger Mobilität. Doch wie können wir uns von der Konkurrenz abheben und authentisch über Nachhaltigkeit kommunizieren?“ fragen sich Wing Huo, Global Head Sustainability Communication Strategy, und Anna Nießen, Lead Communications for Sustainability & Digital Content Strategist, von der DHL Group. Ihre Antwort ist das „Sustainable Fleet Quartet“, ein Kartenquartett mit der Fahrzeugflotte des Unternehmens. Eine analoge Lösung für eine digitale Kampagne? Das Quartett sei etwas mehr als das: Huo und Nießen haben ein digitales Kommunikations-Framework entwickelt, mit Inhalten für Social Media, Website, DHL-App und mit weitreichenden Maßnahmen für die interne Kommunikation.

„Wir müssen über unsere nachhaltigen Projekte sprechen“, betont Kristin Wolf, Global Communications Director der Beckers Group. Obwohl Nachhaltigkeitskommunikation transparent, ehrlich und faktenbasiert sein müsse, sei sie noch längst kein Reporting. Und noch wichtiger: „Alle im Unternehmen müssen Basisfakten zur Nachhaltigkeit haben. Es ist ein riesiger Vorteil, wenn wir Mitarbeitende dazu befähigen, mit Kund:innen über Nachhaltigkeit zu sprechen.“ Genau deshalb müsse Kommunikation einen Platz am Tisch haben und Nachhaltigkeit strategisch mitgestalten.

„Das Ziel ist nicht der Bericht, sondern die Bewegung, die er auslöst“

„Unser Nachhaltigkeitsbericht war zu wenig für Nerds, aber zu viel für unsere Kund:innen“, erzählt Max Schmiel, „Fairstainabilityhorn“ bei einhorn products, in seinem Plädoyer für weniger Aufwand im Nachhaltigkeitsreporting. Das Unternehmen plane einen Strategiewechsel und gönne sich bei der Berichterstattung eine Verschnaufpause, um herauszufinden, was wesentlich ist und wohin die Reise geht. In zukünftigen Berichten will Schmiel das „True Cost Accounting“ anwenden, damit Kund:innen den negativen Impact des Unternehmens besser nachvollziehen können. Eine Kostprobe: Mit Herstellung und Verkauf von 4,3 Mio. Kondomen, 7,3 Mio. Tampons und 25.000 Cups habe einhorn 2024 Schadenskosten in der Höhe von 285.136,06 Euro an die Allgemeinheit übertragen. 

Die Etappen auf dem Weg zum CSRD-konformen Nachhaltigkeitsbericht schildert Hans-Henning Beyer, ESG Disclosure und Transformation Manager bei Canyon Bicycles. „Das Ziel ist nicht nur der Bericht, sondern die Bewegung, die er auslöst“, sagt Beyer, dessen Unternehmen schon vor der CSRD berichtspflichtig war, weil es zum Portfolio eines Investors gehört. Fehlende Anfangsklarheit, Komplexität der Datenerhebung und Zeitdruck waren die größten Hürden für den Fahrradhersteller. Das Unternehmen habe daraus einiges gelernt: „Nachhaltigkeit ist ein integrativer Steuerungsaspekt, die CSRD kein Monster und der Bericht ein strategisches Instrument.“ Wer die Mitarbeitenden und das Management einbindet und früh loslegt, könne sein Unternehmen positiv beeinflussen, die eigene Geschichte sichtbar machen und das Momentum der Transformation nutzen. 

Während sich regulatorische Anforderungen dynamisch verändern, bleiben die Erwartungen von Investor:innen, Kund:innen und Märkten an ESG-Themen hoch. Warum gerade jetzt freiwillige Nachhaltigkeitsberichterstattung eine Chance bietet, um Transparenz zu schaffen, Vertrauen aufzubauen und sich frühzeitig zukunftssicher aufzustellen, erklären die Forscherinnen Paula Danhausen und Anna Hover vom FIR, einem Netzwerk für Fortschritt, Innovation und Nachhaltigkeit an der RWTH Aachen. Sie stellen den freiwilligen VSME-Berichtsstandard als praxistauglichen Ansatz vor: für eine strukturierte, effiziente und ganzheitliche Nachhaltigkeitsberichterstattung mit reduziertem Aufwand.

Die Zukunft des Klimaschutzes und ein Thema im Schatten

Wie kann soziale Nachhaltigkeit aus dem Schatten des Klimas treten? Darüber diskutieren Marina Lewandowski und Sabine Lewandowski vom Kosmetikhersteller MARI & ANNE, die freie Wirtschaftspsychologin Dr. Lisa Schleker und Julia Irina Rosenkranz vom zentrum Nachhaltige Tranformation (zNT). „Wir müssen nicht die ganze Welt verändern. Das können wir auch im Kleinen tun“, meint Sabine Lewandowski, die ihrer Schwester Marina und ihrer Behinderung durch die Mitarbeit im Unternehmen Sichtbarkeit verleiht. Lewandowski verbreitet ihre Botschaft durch kreatives aktives Storytelling und im Kreis ihrer werteorientierten Belegschaft. 

„Unsere Arbeitswelt ist alt. Und ihre Strukturen passen nicht mehr zu uns“ beobachtet Dr. Lisa Schleker. Es fehle vor allem an Möglichkeiten zur Teilhabe. „Leider werden Soziales und Ökologisches oft als getrennte Bereiche behandelt. Dabei können diese Themen zusammen eine enorme Synergie entwickeln.“ Unternehmen rät sie dazu, in eine externe Beratung zu sozialen Themen wie Diversity zu investieren, denn: „Vielfalt ist unsere große Stärke.“ Trotzdem gehe es in Unternehmen um Zahlen und wirtschaftlichen Erfolg, meint Julia Irina Rosenkranz: „Soziale Nachhaltigkeit ist nicht nur ein Wohlfühlthema!“ Deutschland habe bis heute kein überzeugendes Konzept für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Eine Trennung von sozialen und ökologischen Themen hält auch sie für problematisch, aber sie könnte auch sinnvoll sein, um die Themen in Zahlen und Strategien zu übersetzen. Um andere Menschen vom wirtschaftlichen Mehrwert zu überzeugen.

„Wenn man Einsichten in die Umsetzung des Klimaschutzes hat, muss man diese selbstverständlich kommunizieren“, fordert Prof. Dr. Hans Joachim Schellnhuber, Director General am International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA), in der abschließenden Keynote. Um die Erde langfristig wieder in einen zivilisationsverträglichen Klimabereich zurückzuführen, müssen die Treibhausgasemissionen weltweit bis 2050 auf nahezu Null gesenkt und zusätzlich müsste CO2 aus der Atmosphäre entfernt werden. Die erforderlichen Optionen bedeuten allerdings eine „Große Transformation“ der Art des Wirtschaftens und Bauens und des Umgangs mit der Natur.

Fazit oder: Warum es nicht nur um Kommunikation geht

Die vergangenen Monate sind alles andere als spurlos an deutschen Unternehmen vorübergegangen. Auch in der Kommunikation steht der Omnibus auf dem Fahrplan. Und so widmen sich die zahlreichen Expert:innen bei der MOVE nicht nur den klassischen Fragen strategischer Kommunikation, sondern auch immer mehr der Nachhaltigkeitsberichterstattung: Welche Folgen hat die Omnibus-Initiative für die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)? Welche Bedeutung hat der Nachhaltigkeitsbericht? Und wie stehen die Teilnehmenden zu freiwilligem Reporting?

Im Quadriga Forum in Berlin kommen daher nicht nur profilierte Kommunikator:innen zusammen, sondern auch zahlreiche Sustainability Manager:innen und andere Expert:innen aus Unternehmen. Die MOVE bietet damit eine kleine Plattform mit einem relevanten Themenzuschnitt rund um Nachhaltigkeit und Kommunikation. Darüber hinaus zeichnet sich das Event durch ein hochwertiges Panel an Expert:innen sowie ein engagiertes und interessiertes Publikum aus.

Hier wird deutlich: Wer erreichen will, dass Botschaften wirklich in der breiten Öffentlichkeit ankommen, muss über den Tellerrand schauen und aus seiner Bubble heraustreten. Selbst wenn einem das alles bereits zu den Ohren heraushängt.


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