Generation Climate Change auf dem Arbeitsmarkt

Nachhaltigkeit wird vor allem für Jüngere ein immer wichtigerer Faktor der Arbeitgeberattraktivität. Im Doppelinterview sprachen wir mit einer Klimaaktivistin und einer Unternehmensberaterin darüber, was Unternehmen tun können, um den Ansprüchen der „Generation Climate Change“ gerecht zu werden.

„Es ist schwer nach Feierabend ehrenamtlich die Welt zu retten, wenn andere sie hauptberuflich zerstören.“ Im Sinne dieses Zitats von Eckhardt von Hirschhausen fordern Klimaaktivisten nicht nur konsequenteres Handeln von der Politik, sondern sie erwarten auch glaubhafte Klimaschutz-Initiativen von potenziellen Arbeitgebern. Laut einer Befragung der Europäischen Investitionsbank hinterfragen insbesondere Berufseinsteiger aus der „Generation Climate Change“ das Umweltbewusstsein von Unternehmen. Im Doppelinterview sprachen wir mit Shirley Sheffer von der Unternehmensberatung Accenture und Heidi Strand als Vertreterin der jüngeren Generation.

Heidi Strand schreibt ihre Masterarbeit im Bereich Nachhaltige Entwicklung an den Universitäten Leipzig und Basel. Erste Berufserfahrung sammelte sie unter anderem bei Germanwatch e.V., der Renewables Grid Initiative sowie bei der norwegischen UN-Delegation. Sie beschäftigt sich damit, wie wir auch in Zukunft gut leben können und hat „keine Scheu vor Utopien.“

Shirley Sheffer ist Managing Director bei Accenture und leitet den Bereich Talent und Organisation in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Diplom-Psychologin ist Expertin in den Bereichen New Work, HR-Workforce Transformationen und Change Navigation und sagt über sich, ihr Lebenslauf „war damals nicht so ‚gestylt‘ wie der von Kollegen, die sich heute bewerben.“

Kreative Lösungen abseits des Status quo

Frau Strand, Sie stehen eher am Anfang Ihres Berufslebens – was wünschen Sie sich als Teil der „Generation Climate Change“ von potenziellen Arbeitgebern?

Heidi Strand: Ganz viel, wenn ich ehrlich bin. Wir stehen vor multiplen Krisen, die gleichzeitig bewältigt werden müssen. Die Lösungen dazu müssen kreativ sein und außerhalb des Bestehenden funktionieren und entwickelt werden. Dazu braucht es Arbeitskulturen, die das zulassen. In meinen bisherigen Jobs, auf staatlicher Ebene und in NGOs, gab es dafür nicht genügend Platz. Dringender waren Deadlines und Geld. Bei der Frage, wie wir unsere Arbeit nachhaltiger gestalten, gab es immer einen festen Rahmen, in den Ideen hineinpassen mussten. Für junge engagierte Menschen kann das unglaublich demotivierend sein. Das Zeitproblem nehme ich auch bei meinen Bekannten wahr. Uns wird erzählt, alles sei effizienter geworden. Technologie ermöglicht uns eigentlich, mehr Zeit zu haben. Aber ich nehme das Gegenteil wahr. Alle meine Zeitgenoss:innen sind gestresst und haben nach ein oder zwei Jahren Arbeitserfahrung kleine Burnouts. Ich frage mich, wie unser Arbeitsleben weitergehen wird. Wir arbeiten wahrscheinlich bis in unsere Siebziger, müssen mit dem Stress klarkommen, diese Krisen zu bewältigen und gleichzeitig ein Arbeitstempo zu verfolgen, das persönlich nicht mehr nachhaltig ist.

Frau Sheffer, laut einer Studie der europäischen Investitionsbank spielt Nachhaltigkeit für knapp über fünfzig Prozent der Berufseinsteiger eine Rolle bei der Wahl des Arbeitgebers. Nehmen Sie das auch so wahr?

Shirley Sheffer: Ja, das würde ich in zweifacher Hinsicht bestätigen. Die eine ist, wenn ich unser eigenes Beratungsportfolio anschaue. Da hat der Nachhaltigkeitsbereich stark zugenommen. Wir reagieren damit auf die ansteigende Nachfrage des Marktes, als Beratung sind wir in der Hinsicht ein Spiegel dessen. Der Bereich ist nicht nur groß geworden, sondern er geht auch in die Breite. Damit meine ich: Wir haben zunächst eine Einheit für Nachhaltigkeitsberatung gegründet, in der wir uns fokussieren konnten. Nun ist Nachhaltigkeit so omnipräsent, dass es in alle Bereiche integriert wird. Zum Vergleich: Wir hatten mal eine Einheit namens „Digital“. Die gibt es heute nicht mehr, weil digital überall ist…

… digital ist nun das Kerngeschäft. Und Nachhaltigkeit?

Sheffer: So ist es, digital steckt nun überall drin. Die Beratungseinheit Sustainability gab es bei Accenture schon seit über 15 Jahren. In den letzten fünf Jahren ist sie aber extrem gewachsen. Und nun ist es so weit, dass Sustainability einfach überall relevant ist. In meinem Bereich machen wir uns zum Beispiel Gedanken über nachhaltige Organisationen oder über nachhaltige Personalarbeit, Trainingsanforderungen für Nachhaltigkeit oder auch HR Reporting dazu. Das Zweite ist, dass Menschen, die bei uns einsteigen, sehr wohl Erwartungen daran haben, wie nachhaltig wir aufgestellt sind. Also was unsere eigene Infrastruktur angeht, die Arbeitsweise, aber auch die Philosophie. Ob jemand bei uns einsteigt, ist nicht mehr so sehr eine Frage des Gehalts wie früher.

Das Nachhaltigkeitsverständnis von Unternehmen klar kommunizieren

Frau Strand, ihr Unternehmen sei ein Spiegel des Marktes, sagte Frau Sheffer gerade…

Strand: Ich sehe eine größere Verantwortung der Privatwirtschaft, als nur ein Spiegel des Marktes zu sein. Der Markt ist künstlich erzeugt. Was Menschen wollen und welche Gewohnheiten sie haben, ist Teil einer Kultur, die sich über Jahre entwickelt hat. Wir brauchen eine Erwachsenenbildung zur Nachhaltigkeit. Der Arbeitsplatz sollte so ein Ort sein. Er sollte Input und Inspiration zum nachhaltigeren Konsumieren, Sein, Leben und Tun geben. Arbeitgeber:innen sollten intern wie auch extern mehr Verantwortung übernehmen.

Mit welchen Nachhaltigkeits-Maßnahmen könnten Arbeitgeber bei Ihnen punkten?

Strand: Wenn eine Firma Nachhaltigkeit auf ihre Webseite und damit auf ihre Fahne schreibt, dann ist meist überhaupt nicht klar, was das genau für dieses Unternehmen bedeutet. Ich will wissen, was heißt das im Energiebereich? Was für die Ressourcenverwendung? Was für die interne Organisationsstruktur?

Es geht nicht nur darum, einen Konsens dafür zu finden, was unter Nachhaltigkeit verstanden wird, sondern auch um Räume für Konfliktgespräche. Die sind nur möglich, wenn konkretisiert wird.

Ich wünsche mir mehr Klarheit und ich würde keinem Unternehmen meine Bewerbung schicken, bei dem ich den Eindruck habe, dass „Nachhaltigkeit“ nur ein Schlagwort ist.

Sheffer: Da bin ich hundert Prozent Ihrer Meinung, es sollte kein Schlagwort sein. Die Spiegelbild-Metapher sollte nicht heißen, wir bedienen den Markt und sonst machen wir nichts. Nachhaltigkeit ist vor allem auch eine Frage der Haltung. Unternehmen in der Privatwirtschaft können und sollten sich bei der Gestaltung einer Gesellschaft einbringen. In diesem Sinne wollen auch wir unseren Beitrag in der Gesellschaft leisten, etwa durch Ausbildung und Weiterbildung sowie Unterstützung von unterschiedlichen Initiativen. Wir haben uns außerdem ambitionierte Klimaschutzziele gesetzt und achten auf die Arbeitsbedingungen unserer Mitarbeitenden. Im Beratungsgeschäft hat sich da einiges geändert. Früher hat das Arbeiten physisch bei unseren Kunden stattgefunden und wir hatten relativ wenige Hebel. Alles, was wir Mitarbeitenden mitgeben konnten, waren ein Laptop und ein Mobiltelefon. Die heutige hybride Arbeitswelt ermöglicht mehr Flexibilität und Gestaltungsspielraum: Wir ermöglichen Remote Work, flexible Arbeitsgestaltung und flexible Arbeitsverträge.

Die Kernforderung: Authentizität

Was können Unternehmen tun, um ihr nachhaltiges Engagement authentischer zu kommunizieren?

Strand: Authentischer arbeiten. Es geht ja nicht nur um Kommunikation. Die Kommunikationsstrategie zum Beispiel von Energieunternehmen ist strategisch fantastisch geworden. Sie müssen aber auch etwas tun und ihre Praktiken ändern. Da sehe ich noch keine Veränderung. Es gibt weiterhin steigende Emissionen, weiterhin eine Ausbeutung der Natur, die nicht nachhaltig ist. Es wird versprochen, wir tun alles, was wir können. Das ist aber nicht genug, die Zeit rennt uns davon. Vielleicht gibt es auf dem Arbeitsmarkt auch einen Generationenkonflikt: Meine Generation lebt noch eine ganze Weile in einer Welt, in der es nicht um den Planeten geht, sondern um die Lebensbedingungen für die Menschen in der Klimakrise. Und ich freue mich nicht darauf.

Ich hoffe, meine Mitmenschen sind kreativ, mutig und klug genug, um gemeinsam umzudenken, weg vom Konkurrenzgedanken, weg vom Profitgedanken hin zu gemeinsamen, solidarischen Lösungen.

Und was können Unternehmen beitragen? Ich kann persönlich mein Bestes tun, aber das ist ein Teilzeitjob. Deswegen muss auf systemischer Ebene mehr passieren. Meine Generation ist wütend, aber wir verstehen, dass Wut allein ohne Handeln nichts bringt. Wir müssen nicht nur lernen, besser zu kommunizieren, sondern auch das Konkurrenzdenken zwischen Generationen, Unternehmen und NGOs beseitigen.

Sheffer: Ich denke, dass wir mit unserem Handeln einen Impact haben. Damit es konkreter wird, nehme ich das Beispiel Lernen. Wir haben einen Fachkräftemangel. Eigentlich müssten wir alle dafür sorgen, dass mehr Menschen mehr und schneller lernen. Wir bieten deswegen eigene Lernplattformen an, auf denen sich Menschen kostenlos für digitale Berufe qualifizieren können und durch die Schülerinnen und Schüler verstehen, wie Berufe und Berufsbilder heute überhaupt funktionieren. Das gilt auch für den Bereich Nachhaltigkeit. Wir müssen jüngere Kollegen dazu einladen, mitzugestalten, ins Boot zu kommen und Teil der ganzen Geschichte zu werden. Wir kommen kein Stück weiter, wenn wir nicht aufeinander zugehen.

Apropos Fachkräftemangel: Zwanzig Millionen Babyboomer gehen der Rente entgegen. Ersetzt werden sie durch nur elf Millionen Menschen aus der Gen Z. Was bedeutet das für die „Verhandlungsposition“ der jungen Generation?

Strand: Wo ist die Verhandlungsmacht, wenn wir nicht in den Entscheidungspositionen sind? Es wird von uns erwartet, dass wir dynamisch und flexibel sind. Und dass wir positiv bleiben, obwohl wir jeden Tag mit dieser Doomsday-Geschichte aufwachen. Die Generation meiner Eltern hatte Möglichkeiten, die ich mir nicht erlauben kann. Und jetzt soll ich mit meinen Mitstreitenden dafür Verantwortung tragen. Ich wünsche mir mehr Verständnis dafür, dass das keine leichte Aufgabe ist. Es geht nicht darum, eine Verhandlungsposition zu nutzen. Aber wir müssen uns trauen, die Konflikte mehr auszusprechen. Wir müssen uns als Mitte-Zwanzigjährige überlegen, wie wir unsere Rente gestalten, weil dafür bis dahin wahrscheinlich kein Geld mehr übrig ist. Ich muss schon jetzt mit einer Angst leben, die meine Eltern nicht haben mussten.

Verschiedene Perspektiven an den Tisch bringen

Gibt es also ein Kommunikationsproblem zwischen den Generationen, gerade auch in Hinblick auf die „Klimaangst“ der jüngeren?

Sheffer: Ich kann Frau Strands Position gut nachvollziehen, ich habe schließlich selbst Kinder. Wie deren Welt mal aussehen wird, was ich ihnen erzählen soll, warum das so ist und was wir tun können, darüber mache ich mir viele Gedanken. Auch im Unternehmen sollten wir Möglichkeiten zum Dialog anbieten. Der sollte vor allem von den älteren Generationen ausgehen und von den Jüngeren auch angenommen werden. Sicher sind nicht alle so transparent wie Frau Strand, wenn es darum geht, was sie bewegt, welche Ängste es gibt oder wo mehr Guidance gewünscht wird.

Ich sehe keine zwei Fronten. Aber es ist schwierig für ältere Generationen, die Perspektive der Jungen ohne Hilfe einzunehmen. Das geht nur über viel Austausch.

Und dann müssen wir zusammen an den Maßnahmen arbeiten und ins Tun kommen, damit die Zukunft nicht so negativ wird, wie Frau Strand sie befürchtet.

Strand: Ich sehe da schon eine Machtasymmetrie. Die Älteren sind durch ihre Erfahrung in höheren Positionen. Die Macht, die mit diesen Positionen verbunden ist, wird von denjenigen, die sie innehaben, nicht aktiv genug reflektiert. Ich erlebe häufig, dass eine Machtsprache benutzt wird, durch die man klein und jung gemacht wird. Dabei ist es vor allem die jüngere Generation, die in dieser Zukunft leben muss. Allein Wut als Antwort darauf funktioniert aber nicht.

Sheffer: Um die Probleme der Gegenwart und – noch viel mehr – der Zukunft zu lösen, müssen verschiedene Perspektiven an den Tisch. Und wir, ich, andere, die in Führungspositionen sitzen, müssen dafür sorgen, dass die richtigen Menschen die Unternehmen führen. Dafür müssen wir im Zweifel auch die toxischen Menschen aus diesen Positionen rausnehmen, um dann Leute wie vielleicht Frau Strand nach vorne zu lassen und zu sagen: ‚Ihr könnt das vielleicht nicht allein übernehmen, aber ihr könnt mit uns gemeinsam nach vorne gehen und euch einbringen.‘ So entsteht ein besseres System. Die Unternehmen, die toxisch arbeiten und die Innovationen, Kreativität und Ideen der jungen Generationen abwürgen, werden tendenziell auch weniger Erfolg im Recruiting haben. Ich sehe viele von diesen Unternehmen, teilweise gehen dort die Kündigungsraten ganz schön nach oben. Der Druck, Diversität an den Tisch und zu lassen und andere Perspektiven anzuhören, kommt dann von allein.

Schlagworte zum Thema:  Klimaschutz, Green HR, Employer Branding