Wie Steuerberater mit der bAV umgehen

Es ist eher die Regel als die Ausnahme, dass Steuerberater von ihren Unternehmensmandanten auch mit Blick auf Fragen der betrieblichen Altersversorgung (bAV) konsultiert werden. Seitens der Geschäftsleitung wird meist selbstverständlich vorausgesetzt, dass der Steuerberater über sämtliche Kompetenzen im Zusammenhang mit Lohnbuchhaltung und steuerlichen Fragestellungen verfügt.
Doch tatsächlich ist die bAV eines jener Themen, das regelmäßig für Unsicherheit sorgt: Für Steuerberater stellt sie eine Herausforderung dar – nicht nur wegen der komplexen steuerlichen Regelungen, sondern insbesondere auch wegen der Nähe zu arbeits- und versicherungsrechtlichen Fragen, die schnell zur Stolperfalle werden können. Was als technische Prüfung gedacht ist, kann im Mandantenalltag rasch als rechtliche Beratung missverstanden werden – mit teils erheblichen Konsequenzen.
Viele Kanzleien versuchen dennoch, die bAV möglichst unauffällig mitlaufen zu lassen. Doch je nach Vertragskonstruktion und Kommunikationskultur mit dem Mandanten, birgt dies eine Reihe von Risiken. Beispielsweise entsteht schnell ein Beratungsanspruch, den Steuerberater in dieser Form weder leisten dürfen noch sollten. Wie also mit der bAV umgehen, ohne sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen – und trotzdem die Mandanten kompetent zu begleiten?
Typische Fehlerquellen in der Praxis
Ein häufiger Fall: Der Arbeitgeber legt dem Steuerberater bAV-Unterlagen vor – oft mit dem Wunsch nach einem kurzen "technischen Check". Wird das "Ok" erteilt, wird er in der Praxis oft als umfassendes Einverständnis interpretiert – auch für Regelungen, die weit über das Steuerliche hinausgehen. Ein Problem dabei ist die Tatsache, dass der Arbeitgeber sich auf die Aussagen des Steuerberaters verlässt, ohne weitere bAV-Experten hinzuzuziehen – und glaubt, damit alle relevanten Aspekte berücksichtigt zu haben. Dabei beantwortet der Steuerberater Fragen immer aus seiner fachlichen Sicht – und nicht unbedingt aus arbeitsrechtlicher oder versicherungstechnischer Perspektive.
Besonders problematisch wird es beispielsweise, wenn der bAV-Vertrag einen Berufsunfähigkeits-Baustein enthält, der zeitlich vor dem Rentenbeginn endet. In solchen Fällen droht dem Arbeitgeber eine Nachzahlungspflicht, wenn der Schutz für den Arbeitnehmer nicht mehr gegeben ist – ohne dass dieser überhaupt davon weiß. Hat der Steuerberater den Vertrag zuvor "durchgewunken", kann er mit in die Haftung geraten.
Wird einem Arbeitgeber in solchen Fällen später ein Schaden bekannt, wird er mit hoher Wahrscheinlichkeit seinen Steuerberater in Regress nehmen wollen. Unabhängig vom Ausgang eines möglichen Rechtsstreits ist jedenfalls eine Mandantenbeziehung zerstört, hinzu kommen erhebliche mentale Belastungen auf Seiten aller Beteiligten.
Haftungsfalle: Wo beginnt die unzulässige Rechtsberatung?
Das zentrale Dilemma ist immer wieder: Steuerberater sind weder Rechtsanwälte noch per se bAV-Experten. Dennoch erwarten Mandanten oft eine Rundumberatung – gerade bei einem Thema, das steuerliche, arbeitsrechtliche und versicherungsrechtliche Aspekte so eng miteinander verknüpft wie die bAV. Auch zu tariflichen Regelungen oder zu Anforderungen des Betriebsrats wird der Steuerberater häufig um eine Einschätzung gebeten. Der Arbeitgeber nutzt diese Aussagen mitunter sogar als Grundlage für die grundsätzliche Ausgestaltung seiner betrieblichen Altersversorgung – obwohl keineswegs sämtliche relevanten rechtlichen oder inhaltlichen Aspekte berücksichtigt werden.
Die Rechtsprechung hat im Grunde klare Grenzen gezogen: Bereits mehrere BGH-Urteile bestätigen, dass Steuerberater verpflichtet sind, ihre Beratung auf das Steuerrecht zu beschränken – und Mandanten bei darüber hinausgehenden Fragestellungen darauf ausdrücklich hinzuweisen. Andernfalls droht nicht nur der Verlust des Versicherungsschutzes durch die eigene Haftpflicht – sondern auch die persönliche Haftung.
Es gibt mehrere sinnvolle Wege, dieser Falle zu entgehen: so kann es empfehlenswert sein, den Mandanten frühzeitig zusätzlich an einen spezialisierten Anwalt zu verweisen – oder an einen spezialisierten bAV-Dienstleister, der sämtliche Prozesse im Bereich der betrieblichen Altersversorgung steuert und übernimmt. Auch ein Statusfeststellungsverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung kann helfen, um rechtliche Grauzonen transparent zu klären.
Up to date bleiben – aber wie?
Gerade für kleinere Kanzleien ist es eine Herausforderung, im komplexen Feld der bAV ständig auf dem aktuellen Stand zu bleiben. Immerhin liefern Plattformen, Fachportale, Steuerberaterverbände und Weiterbildungen wichtige Impulse. Doch solange es im Mandat keinen konkreten Anlass gibt, kann eine Kanzlei nicht immer alle Entwicklungen im Blick behalten.
Wird ein Thema plötzlich relevant, müssen Informationen dazu oft erst gezielt recherchiert werden. Wichtig ist, für solche Fälle gewappnet zu sein und dann bereits die richtigen Ansprechpartner verfügbar zu haben. Denn am stärksten bleiben Steuerberater dann, wenn sie sich auf ihren Fachbereich konzentrieren können – also auf steuerliche Fragen sowie auf die korrekte Abbildung der bAV in der Lohn- und Finanzbuchhaltung.
Kommunikation als Schlüssel
Ein weiterer Knackpunkt liegt im Dreiecksverhältnis zwischen Arbeitgeber, Steuerberater und Versicherung oder Makler. Wer darf mit wem sprechen? Wer ist wofür zuständig? Wer trägt am Ende die Verantwortung?
Fehlt hier eine klare Rollenverteilung, leidet die Qualität der bAV-Verwaltung – und das Risiko, dass Fristen versäumt oder Verpflichtungen übersehen werden, steigt. Daher ist es notwendig, Lücken zu schließen – alle involvierten Parteien müssen rechtzeitig eingebunden werden, ferner sind ihnen die nötigen Vollmachten zur Verfügung zu stellen. Doch dies wird in der Praxis nicht immer möglich sein: So läuft die Kommunikation zwischen Unternehmen und Steuerkanzlei meist über die Weiterleitung von Unterlagen zur Gehaltsabrechnung.
Sind die Informationen unvollständig, muss die Kanzlei in der stressigen Abrechnungsphase Rückfragen stellen – im Zweifel auch bei Versicherungen. Diese geben aber selbst bei Vorliegen einer Vollmacht häufig keine Auskunft, weil der Steuerberater schlicht nicht berechtigt ist. Die Folge: Gehälter und bAV werden möglicherweise falsch gebucht und müssen im nächsten Monat korrigiert werden. Derlei Herausforderungen lauern auch bei anderen Prozessen – der Steuerberater sollte sie im Blick behalten, um frühzeitig gewappnet zu sein.
Digitalisierung hilft – ersetzt allerdings keine Expertise
Es gibt eine ganze Reihe digitaler Tools und Plattformen, die Arbeitgeber bei der Verwaltung und Umsetzung der bAV unterstützen – von der Kommunikation mit Mitarbeitern bis hin zur Dokumentation. Zu denken ist insbesondere an Verwaltung sowie Abrechnung, an Beratung für Beschäftigte, an Integration mit HR sowie ferner an Prozesse in Reporting & Compliance. Und tatsächlich: Wenn Prozesse standardisiert, Dokumente digitalisiert und Zuständigkeiten klar definiert, lässt sich wertvolle Zeit sparen.
So wird die bAV für Unternehmen leichter handhabbar und für Mitarbeitende verständlicher. Allerdings haben externe Steuerberater bereits aus Gründen des Datenschutzes keinen Zugriff auf interne Systeme. Somit bleibt in der Praxis doch vieles fragmentiert: Auch aus dem Grund, dass Verträge – aufgrund gesetzlicher Pflichten – oft nur papierbasiert vorliegen oder Informationen zwischen den Beteiligten nicht sauber übermittelt werden. Deshalb gilt: Software kann unterstützen – aber nie die fachliche Einschätzung ersetzen. Gerade in einem sensiblen Bereich wie der bAV braucht es weiterhin persönliche Beratung und klare Verantwortlichkeiten.
Große Kanzleien mit mehreren Fachabteilungen können das Thema bAV oft umfassender abbilden – teils mit eigenen Experten für Sozialversicherungs- oder Arbeitsrecht. Doch auch hier bleibt spätestens die Kommunikation mit Versicherungen oft eine Herausforderung. Ohne Auskunftsvollmacht ist ein reibungsloser Austausch meist kaum möglich. Einzelkämpfer oder kleine Kanzleien haben zwar den Vorteil kürzerer Entscheidungswege – stoßen aber hinsichtlich ihrer Kapazitäten schnell an Grenzen.
Letztlich ist es Steuerberatern anzuraten, diese Punkte – im Idealfall bereits bei der Mandatierung – abzuklären. Und sich, soweit möglich, auch Zugänge zu digitalen Plattformen geben zu lassen.
Kooperation statt Risiko: Wie Steuerberater mit bAV-Spezialisten zusammenarbeiten können
Um Haftungsrisiken zu minimieren und Mandanten dennoch umfassend in bAV-Fragen betreuen zu können, kann es für Steuerberater darüber hinaus sinnvoll sein, spezialisierte Anbieter einzubinden, die sich um die bAV-Verwaltung kümmern und umfassend beraten können. Hat der Unternehmensmandant dies nicht seinerseits in die Wege geleitet, sollten Steuerberater eine Empfehlung in dieser Richtung in Erwägung ziehen. Denn nur so lassen sich auch komplexere Fragen der Mandanten sicher und vollständig beantworten. Durch die klare Kommunikation, dass ihre Expertise rechtliche und pragmatische Grenzen hat – in Verbindung mit dem Hinweis nach einer Konsultation von Spezialisten – kann das Vertrauen seitens des Mandanten oftmals sogar gesteigert werden.
Daher können externe bAV-Partner aus Perspektive von Steuerberatern eine hilfreiche Rolle spielen: als zuverlässige Ansprechpartner für Einzelfragen, als Schulungsgeber für das Kanzleiteam – oder als langfristige Kooperationspartner, die komplexere Sachverhalte direkt mit den Mandanten klären. In der Praxis haben sich verschiedene Modelle bewährt: von der punktuellen Rückfrage im Einzelfall bis hin zur regelmäßigen Zusammenarbeit über Rahmenvereinbarungen. Auch White-Label-Lösungen, bei denen Steuerberater gegenüber dem Mandanten als zentraler Ansprechpartner auftreten, sind denkbar.
Wichtig ist allerdings vor allem eines: Vertrauen. Wer einen bAV-Partner empfiehlt, sollte sich zuvor intensiv über diesen informieren. Es gilt, Referenzen zu prüfen und umfassende Gespräche zu führen. Nur so lässt sich seriös einschätzen, ob der Dienstleister zur eigenen Arbeitsweise passt und Mandanten tatsächlich fachkundig und zuverlässig betreut.
Fazit: Verantwortung klug verteilen
Steuerberater können auf dem schwierigen Feld der bAV nicht alles selbst einsteuern. Umso mehr müssen sie stets wissen, wo ihre Zuständigkeit endet – und wie sie ihre Mandanten im Rahmen ihrer Möglichkeiten bestmöglich begleiten können. Digitale Tools, spezifische Weiterbildung, eine gute Kommunikation, klare Absprachen und verlässliche, auf bAV spezialisierte Partner sind dabei der Schlüssel.
Denn wer die bAV nur als lästige Pflicht betrachtet, verschenkt Potenzial – und läuft in unnötige Haftungsrisiken. Wer dagegen die richtigen Grenzen zieht und auf Expertise setzt, kann auch komplexe Fälle souverän und rechtssicher begleiten.
Autor: Marco Eckert ist Geschäftsführer der DCS Deutsche Clearing-Stelle GmbH, ein Spezialist für die moderne Verwaltung der betrieblichen Altersversorgung (bAV) in Unternehmen. Die DCS optimiert Services und übernimmt die wachsenden Verwaltungsaufgaben. Ziel ist es, Personalverantwortliche zu entlasten und Arbeitgeber vor Haftungsrisiken zu schützen. Mehr Informationen unter https://dcsgroup.de. |
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