Kindergeldrückforderung bei Erwerbstätigkeit und Studium
Dies bestimmt § 70 Abs. 2 EStG. Die Vorschrift war neben der Korrekturnorm § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO Gegenstand einer Entscheidung des FG Düsseldorf.
Fall des FG Düsseldorf:
Im Streitfall bantragte eine Mutter für ihren volljährigen Sohn Kindergeld, nachdem dieser nach seiner Ausbildung ein Studium begonnen hatte (nach Angabe der Mutter ein Vollzeitstudium).
- Dabei informierte sie die Familienkasse auch über die Berufstätigkeit ihres Kindes. Zunächst arbeitete er wöchentlich ab April 2018 19,25 Stunden pro Woche, dann ab Oktober 2018 23,1 Stunden. Ab April 2018 gewährte die Familienkasse mit Bescheid v. 3.0.2018 Kindergeld. Mit Schreiben v. 4.10.2018 informierte die Klägerin die Familienkasse über die Erhöhung der Arbeitszeit seit dem 1.10.2018.
- Im Februar 2021 übersandte die Klägerin eine Immatrikulationsbescheinigung der Hochschule wonach ihr Sohn dort seit dem 1.9.2018 für ein Studium Business Administration (Teilzeit) eingeschrieben war. Sie gab zudem an, dass sich die Erwerbstätigkeit seit März 2020 auf 24 Stunden pro Woche erhöht habe.
- Im Dezember 2022 wurde eine weitere Studienbescheinigung für das Wintersemester 2021/22 übersandt. Die daraufhin vorgenommene Überprüfung der Beklagten ergab, dass eine Berücksichtigung des Kindes aufgrund seiner Erwerbstätigkeit von mehr als 20 Wochenstunden bereits seit Oktober 2018 ausgeschlossen war.
Demnach wurde die Festsetzung des Kindergeldes für den Zeitraum von Oktober 2018 bis Juni 2022 mit Bescheid vom 7.8.2023 nach § 70 Abs. 2 EStG aufgehoben und der für diesen Zeitraum überzahlte Betrag zurückgefordert. Bei dem Studium handelte es sich nach Auffassung der Familienkasse um eine berufliche Weiterbildung und den Aufstieg im bereits aufgenommenen Berufszweig. Es sei ein Teilzeitstudium und die Erwerbstätigkeit betrage mehr als 20 Stunden pro Woche. Die Voraussetzungen der Korrekturvorschrift des § 70 Abs. 2 EStG seien erfüllt. Die tatsächlichen Verhältnisse hätten sich erst nach dem Zeitpunkt der letzten Festsetzung mit Bescheid vom 3.9.2018 geändert.
Kläger: Informationen lagen schon frühzeitig vor
Nach Auffassung des Klägers ist die Korrekturvorschrift des § 70 Abs. 2 EStG nicht erfüllt, weil es an einer Änderung der Verhältnisse fehle; bereits im Zeitpunkt der Kindergeldfestsetzung seien der Beklagten sämtliche Tatsachen bekannt gewesen, insbesondere die klägerseits schon am 4.10.2018 mitgeteilte erweiterte Erwerbstätigkeit des Kindes mit 23,10 Wochenstunden seit dem 1.10.2018.
FG Düsseldorf: Keine rückwirkende Änderung zulässig
So sieht es auch das FG Düsseldorf (Urteil v. 8.3.2024, 15 K 1957/23 Kg).
Zwar stehe der Klägerin für den Streitzeitraum kein materieller Kindergeldanspruch zu. Vielmehr handele es sich bei dem Studium um eine berufsbegleitend durchgeführte Weiterbildung (Zweitausbildung), nicht dagegen um einen weiteren Abschnitt einer einheitlichen Erstausbildung, so dass die parallel ausgeübte Erwerbstätigkeit von mehr als 20 Wochenstunden (seit 1.10.2018) anspruchsschädlich sei (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 und 3 EStG).
§ 70 Abs. 2 EStG nicht einschlägig
§ 70 Abs. 2 EStG sei aber nicht einschlägig, weil die Vorschrift auf eine ursprünglich rechtmäßige Kindergeldfestsetzung abzielt, die durch eine Änderung der ihr zugrundeliegenden Verhältnisse rechtswidrig wird. Diese Voraussetzung liege hier aber nicht vor. Bereits im Zeitpunkt des Erlasses des bestandskräftig gewordenen Bescheides v. 3.9.2018 sei die Festsetzung des Kindergeldes rechtswidrig gewesen, weil das Kind schon am 1.9.2018 nicht das – von der Beklagten damals noch angenommene – Vollzeitstudium, sondern das Teilzeitstudium aufgenommen hatte und dies, obwohl der Sohn nach Studienbeginn noch einen Monat lang (September 2018) lediglich 19,25 Stunden erwerbstätig gewesen ist.
Korrektur nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO möglich?
Auch wenn die Tatbestandsmerkmale für eine Änderung nach § 173 AO nach dem reinen Wortlaut vorliegen, war die Familienkasse nach den Grundsätzen von Treu und Glauben an der Aufhebung der bestandskräftigen Kindergeldfestsetzung gehindert. Nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. In diesem Sinne waren die Aufnahme eines (bloßen) Teilzeitstudiums und die jeweilige Stundenzahl der Erwerbstätigkeit des Kindes der Beklagten erst nach dem Erlass des Bescheides vom03.9.2018 bekannt geworden.
Kein ordnungsgemäße Erfüllung der Ermittlungspflicht
Nach dem Urteil ist allerdings ist die Änderung eines Bescheides nach § 173 AO nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn der Behörde die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung ihrer Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre.
Vorliegend habe die Beklagte ihrer Ermittlungspflicht aus § 88 AO verletzt, während auf der anderen Seite die Klägerin ihren Mitwirkungspflichten umfänglich Genüge getan habe. Angesichts der Information der Klägerin bereits mit Schreiben v. 4.10.2018, dass sich die Arbeitszeit des Kindes schon v. 1.10.2018 an auf 23,1 Wochenstunden erhöht habe, hätte es der Beklagten oblegen, dieser Mitteilung nachzugehen und sie zum Anlass einer Überprüfung der Kindergeldfestsetzung zu nehmen
Im Rahmen derartiger Ermittlungen wäre der Beklagten auch die Aufnahme des Teilzeitstudiums, anstelle des ursprünglich angekündigten Vollzeitstudiums, schon zum 1.9.2018 bekannt geworden.
Revisionsverfahren beim BFH anhängig
Gegen die Entscheidung des FG Düsseldorf läuft ein Revisionsverfahren vor dem BFH. Hier wird unter dem Az. III R 43/24 folgende Rechtsfrage gestellt:
Gelten für die Beurteilung von Treu und Glauben bei der Anwendung der Korrekturnorm § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO in den Fällen, in denen der Ansatz für die Ermittlungspflicht erst nach Bescheiderteilung entstanden ist, andere Maßstäbe als bei Kindergeldrückforderungen nach § 70 Abs. 2 EStG?
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