Praxis-Tipp

Verkauf eines zum Betriebsvermögen gehörenden Grundstücks an Angehörige und Anwendung von § 6b EStG


§ 6b-Rücklage bei Verkauf eines Grundstücks an Angehörige

Ist der Verkauf eines zum Betriebsvermögen gehörenden Grundstücks an Angehörige steuerlich anzuerkennen mit der Folge, dass der Veräußerungsgewinn gewinnmindernd in eine § 6b-Rücklage eingestellt werden kann?

Reinvestitionsvergünstigung nach § 6b EStG

§ 6b EStG ermöglicht Unternehmen unter Einhaltung der in § 6b Abs. 4 EStG genannten Voraussetzungen die Übertragung stiller Reserven aus der Veräußerung bestimmter Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögen auf gesetzlich definierte Reinvestitionsobjekte. Der Veräußerungsgewinn muss dann nicht sofort als Ertrag versteuert werden, sondern kann bis zu 100 % von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Reinvestitionsobjekte abgezogen werden.

Wird der Gewinn im Jahr seiner Entstehung nicht auf ein Reinvestitionsobjekt übertragen, kann der Steuerpflichtige in Höhe des übertragungsfähigen Veräußerungsgewinns, also bis zu 100 % des Veräußerungsgewinns, stattdessen eine gewinnmindernde Rücklage bilden (§ 6b Abs. 3 Satz 1 EStG). Diese hat den gleichen steuerlichen Effekt wie ein Gewinnabzug, weil auch in diesem Fall die bei der Veräußerung aufgedeckten stillen Reserven durch die buchmäßige Rückgängigmachung des Veräußerungsgewinns steuerlich neutralisiert werden.

Beispiel: Verkauf eines Grundstücks an den Sohn

Zum Betriebsvermögen des Einzelgewerbetreibenden V gehört seit 15 Jahren ein unbebautes Grundstück (Bauplatz) mit stillen Reserven von 100.000 EUR, das S – der Sohn des V – mit einem selbstgenutzten Einfamilienhaus bebauen will. Wenn V 2025 das Grundstück zu fremdüblichen Bedingungen an S veräußert, kann er für den Veräußerungsgewinn von 100.000 EUR gewinnmindernd eine Rücklage nach § 6b Abs. 3 Satz 1 EStG bilden ( BFH, Urteil v. 10.7.2019, X R 21-22/17, BFH/NV 2020 S. 177 Rn. 30, 46 ff.), und diese bis zum Ende der Reinvestionsfristen in seinen Bilanzen fortführen.

Bei unentgeltlicher Übertragung des Bauplatzes kann V keine Rücklage bilden, er muss das Grundstück aber mit seinem Teilwert aus dem Betriebsvermögen entnehmen, was zu einer sofortigen Realisierung der stillen Reserven von 100.000 EUR führt. Die Bildung einer 6b-Rücklage ist bei einer Entnahme des Wirtschaftsguts nicht zulässig, die hierdurch aufgedeckten stillen Reserven sind nicht nach § 6b EStG begünstigt.

Verzinsungsregelung bei Nichtinvestition

Für die Fälle, in denen begünstigte Reinvestitionen nicht vorgenommen werden, aber durch Bildung einer Rücklage eine Stundungswirkung erzielt worden ist, enthält § 6b Abs. 7 EStG eine Verzinsungsregelung. Diese sieht vor, dass der Gewinn des Auflösungsjahrs für jedes volle Jahr des Bestehens der Rücklage fiktiv um 6 % des Auflösungsbetrags erhöht wird. Dadurch soll ein Ausgleich dafür geschaffen werden, dass für den Veräußerungsgewinn ein Steueraufschub gewährt wurde, obwohl es zu einer begünstigten Reinvestition nicht gekommen ist. Der BFH hat in einer neuen Entscheidung die Ansicht vertreten, dass der Gewinnzuschlag nach § 6b Abs. 7 EStG von 6 % verfassungsgemäß und weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden ist ( BFH, Urteil v. 20.3.2025, VI R 20/23, BFH/NV 2025, 1229).

Freiwillige gewinnerhöhende Auflösung der Rücklage möglich

Für die Auflösung der Rücklage muss der Steuerpflichtige nicht das Ende des Reinvestitionszeitraums abwarten. Er ist auch während des Laufs der Reinvestitionsfrist befugt, die Rücklage freiwillig gewinnerhöhend aufzulösen, selbst wenn er damit lediglich die Absicht verfolgt, die Progression zu mildern oder einen Verlustvortrag zu verbrauchen. Das eröffnet Gestaltungschancen.

Auflösung der Rücklage im Rahmen einer Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe zulässig

Steuerlich günstig ist auch, wenn die freiwillige Auflösung der Rücklage im Rahmen einer Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe erfolgt. Wird eine aus den Vorjahren stammende 6b-Rücklage anlässlich einer Betriebsveräußerung, Teilbetriebsveräußerung, Betriebsaufgabe oder der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils gewinnerhöhend aufgelöst, gehört der sich aus der Auflösung der Rücklage ergebende Gewinn zum steuerbegünstigten Veräußerungsgewinn i.S.d. § 16 Abs. 4 und des § 34 Abs. 1 EStG (R 6b.2 Abs. 10 Satz 5 und 6 EStR 2012).

Steuer-Tipp: Auflösungswahlrecht im Rahmen einer Betriebsveräußerung oder –aufgabe ausüben

Die Veräußerung z.B. einer Immobilie an einen Angehörigen im Vorfeld einer Betriebsveräußerung oder –aufgabe kann erwägenswert sein, wenn eine Betriebsaufgabe oder Betriebsveräußerung im zeitlichen Rahmen der Reinvestitionsfrist ansteht, da sich dann ein Veräußerungsgewinn über die Bildung der Rücklage in einen tarifbegünstigten Gewinn wandeln lässt (Strahl, NWB 28/2025 S. 1896). Das hat der BFH in seinem neuen Urteil ausdrücklich für zulässig angesehen ( BFH, Urteil v. 20.3.2025, VI R 20/23, BFH/NV 2025, 1229, Rn. 30).

Wenn V also im Beispielsfall seinen Betrieb z.B. zum 31.12.2026 veräußert oder aufgibt und in diesem Zusammenhang die Rücklage freiwillig auflöst, erhöht sich zwar der Veräußerungs- oder Aufgabegewinn um 106.000 EUR (Auflösung Rücklage 100.000 EUR + Zinszuschlag 6.000 EUR). Dieser Betrag wird aber als Teil des begünstigten Betriebsveräußerungs- oder Aufgabegewinns tarifermäßigt besteuert (R 6b.2 Abs. 10 Satz 5 EStR 2012).

Achtung: Fortführung der Rücklage über den Zeitpunkt der Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe hinaus

Veräußert ein Stpfl. seinen Betrieb, zu dessen Betriebsvermögen eine Rücklage i.S.d. § 6b Abs. 3 EStG gehört, kann er die Rücklage noch für die Zeit weiterführen, für die sie ohne Veräußerung des Betriebs zulässig gewesen wäre (R 6.b Abs. 10 Satz 1 EStR 2012). Die Finanzverwaltung geht also davon aus, dass auch eine 6b-Rücklage, die schon für einen früher entstandenen Gewinn gebildet worden ist (sog. Alt-Rücklage), weitergeführt werden kann. Das gilt auch, wenn der Steuerpflichtige keine Reinvestitionsabsicht hat.

Führt der Steuerpflichtige die Rücklage fort, kann nach Auffassung der Finanzverwaltung für den Gewinn aus der Betriebsveräußerung der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG und eine Tarifermäßigung nach § 34 EStG nur in Anspruch genommen werden, wenn die Rücklage keine stillen Reserven enthält, die bei der Veräußerung einer wesentlichen Grundlage des Betriebs aufgedeckt worden sind (R 6b.2 Abs. 10 Satz 3 EStR 2012). Da das an S veräußerte Grundstück aufgrund der Höhe seiner stillen Reserven als wesentliche Betriebsgrundlage anzusehen ist, könnte bei Weiterführung der Rücklage über den Zeitpunkt der Betriebsveräußerung oder –aufgabe hinaus der Veräußerungs– oder Aufgabegewinn nicht begünstigt besteuert werden.



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