Prof. Dr. Gerrit Frotscher, Prof. Dr. Christoph Watrin
Rz. 464
Bis zu der Gesetzesänderung v. 24.3.1999 (vgl. Rz. 465) war eine Bilanzänderung nur mit Zustimmung der Finanzbehörde zulässig.
Die Erteilung der Zustimmung lag im Ermessen der Finanzbehörde.
Im Rahmen der Ermessensentscheidung war die Zustimmung regelmäßig zu erteilen, wenn sich die rechtlichen oder tatsächlichen Rahmenbedingungen, unter denen der Stpfl. seine ursprüngliche Bilanzentscheidung getroffen hat, erheblich geändert haben. Hierbei konnte es sich um Änderungen der rechtlichen Bestimmungen oder um eine Änderung der tatsächlichen steuerlichen Gesamtbelastung handeln.
Rz. 465
Durch Gesetz v. 24.3.1999 war infolge einer Neufassung des § 4 Abs. 2 S. 2 EStG die Bilanzänderung mit steuerlicher Wirkung ausgeschlossen worden. Der gesetzgeberische Grund für den Ausschluss der Bilanzänderung lag darin, dass dem Stpfl. die Möglichkeit genommen werden sollte, durch eine Außenprüfung festgestellte Mehrsteuern mittels Ausübung von Wahlrechten zu optimieren. Es handelte sich um eine rein fiskalisch motivierte Regelung, die keine systematische Rechtfertigung hatte. Auch wurden die Interessen des Stpfl. unberücksichtigt gelassen. Der Stpfl. hatte mit zulässigen bilanzpolitischen Maßnahmen zzt. der Bilanzaufstellung und nach seinem Kenntnisstand zu diesem Zeitpunkt wirtschaftlich disponiert. Durch Feststellungen der Außenprüfung können diesen Dispositionen die Grundlage entzogen werden. Es ist kein Grund ersichtlich, außer fiskalischen Erwägungen, dem Stpfl. zu verbieten, nunmehr erneut zu disponieren und seine Entscheidungen der geänderten Entscheidungsgrundlage anzupassen.
Rz. 466
Die an dem Verbot der steuerlichen Bilanzänderung geäußerte Kritik hat dazu geführt, dass der Gesetzgeber durch Gesetz v. 22.12.1999 die Bilanzänderung wieder zugelassen hat. Allerdings ist die Zulässigkeit der Bilanzänderung in sachlicher, zeitlicher und betragsmäßiger Höhe beschränkt worden. Sachlich ist die Bilanzänderung nur möglich, wenn sie in Zusammenhang mit einer Bilanzberichtigung (z. B. aufgrund einer Außenprüfung) erfolgt; sie muss auch zeitlich in Zusammenhang mit einer Bilanzberichtigung stehen. Auch betragsmäßig besteht ein Zusammenhang mit der Bilanzberichtigung; durch bilanzpolitische Maßnahmen im Rahmen der Bilanzänderung dürfen nur die Gewinnauswirkungen der Bilanzberichtigung korrigiert werden.
Rz. 467
Die Bilanzänderung, die in zeitlichem, sachlichem und umfangsmäßigem Zusammenhang mit einer Bilanzberichtigung steht, ist nicht von der Zustimmung des FA abhängig; insoweit enthält die Neuregelung eine Verbesserung. Da die Rspr. aber bisher die Finanzbehörde verpflichtet hatte, bei Vorliegen eines sachlichen Grunds die Zustimmung zu erteilen, kann die bisherige Rspr. durchaus zur Bestimmung der Zulässigkeit der Bilanzänderung herangezogen werden. Es ergeben sich dann folgende Fallgruppen:
- Die bisherige Rspr., wonach eine Bilanzänderung nicht zulässig ist, wenn der Stpfl. hierdurch unsachgemäße Steuervorteile erstrebt, ist nicht mehr anwendbar. Das Gesetz sieht eine solche Einschränkung nicht vor, es besteht auch kein Entscheidungsermessen der Verwaltung, in dessen Ausübung dieser Aspekt einfließen könnte.
- Eine Bilanzänderung ist nicht allein deshalb zulässig, weil sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für den Stpfl. durch Änderung von Gesetzen, Verwaltungsanweisungen oder Rspr. geändert haben. Es fehlt an dem Zusammenhang mit einer Bilanzberichtigung.
- Keine Bilanzänderung ist auch zulässig, wenn der Gewinn, und damit die Steuerbelastung, höher ausfallen, als der Stpfl. erwartet hat, ohne dass eine Bilanzberichtigung vorliegt. Ein solcher Fall liegt auch vor, wenn sich das in einem Vz zu versteuernde Einkommen bei einem Land- und Forstwirt dadurch unerwartet erhöht, dass der Gewinn des zweiten in diesem Vz anteilig zu erfassenden Wirtschaftsjahrs unerwartet höher ist.
- In Betracht für eine Bilanzänderung kommen daher im Wesentlichen Fälle, in denen der Gewinn im Rahmen der Veranlagung oder bei einer Außenprüfung beanstandet und daher die vom Stpfl. eingereichte Bilanz berichtigt wird.
Rz. 468
Die Einschränkung der Bilanzänderung verstößt nicht gegen das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und damit gegen das Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung nach Art. 3 GG. Wahlrechte führen im Gegenteil zu einer Besteuerung unterhalb der Leistungsfähigkeit, da die objektiv vorhandene Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen durch Ausübung des Wahlrechts niedriger ausgewiesen wird. Die Einschränkung der Wahlrechtsausübung, die danach grundsätzlich nicht mehr durch Bilanzänderung erfolgen kann, dient also der Gleichmäßigkeit der Beteuerung, widerspricht ihr also nicht.
Rz. 469
Unberührt von der steuerlichen Regelung des § 4 Abs. 2 S. 2 EStG bleibt die handelsrechtliche Bilanzänderung; die Handelsbilanz kann also weiterhin im Rahmen der handelsrechtlichen Regelungen geändert werden. Die Steuerbilanz wird dadurch von der Handelsbilanz abgekoppelt; d...