Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerblichkeit der Tätigkeit eines bilanzierenden, selbständigen "EDV-Organisators"
Leitsatz (redaktionell)
1) Ein EDV-Organisator, der faktisch über die Kenntnisse eines Diplom-Wirtschaftsinformatikers (FH) verfügt, hat keine einem Diplom-Informatiker vergleichbare Ausbildung und damit keine Ausbildung eines Ingenieurs. Er erfüllt nicht die Voraussetzungen der Ausbildung als Freiberufler im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG.
2) Wer im Bereich der Installation des Standard-Software-Programms SAP R/3 im Bereich der Personalwirtschaft ältere Systeme in Unternehmen ablösen hilft und Mitarbeiter schult, übt keine der Tätigkeit eines Ingenieurs vergleichbare Tätigkeit aus.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; GewStG § 2; EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die Tätigkeit des Klägers (Kl.) als gewerblich zu beurteilen ist.
Der Kl. erbrachte in den Streitjahren 1999 und 2000 als Einzelunternehmer Dienstleistungen für andere Unternehmen auf dem Gebiet der EDV. Er hatte im Jahr 1981 die erste Staatsprüfung und im Jahr 1983 die zweite Staatsprüfung für das Lehramt für die Sekundarstufe II in den Fächern Mathematik (2. Fach) und Sozialwissenschaften (1. Fach) mit Erfolg abgelegt. Danach betrieb er bis 1990 eine Gaststätte. Vom 01.10.1984 – 24.10.1985 nahm er an einem Lehrgang „Umschulung zum EDV-Organisator” mit Erfolg teil. Neben seiner Tätigkeit als Gastwirt war der Kl. in der Folgezeit zusätzlich als EDV-Organisator und Programmierer nichtselbständig tätig.
Im Jahr 1992 meldete er bei der Stadt M einen Gewerbebetrieb „EDV-Organisator” an, den er zum 30.09.2000 wieder abgemeldet hat. Er hat danach seinen Betrieb in eine GmbH eingebracht, an der er beteiligt ist (GmbH). Er erzielt seitdem Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und aus Kapitalvermögen aus der GmbH-Beteiligung.
Seine Tätigkeit war in den Streitjahren wie folgt ausgestaltet:
Großunternehmen – z.B. Drogeriekette „Ihr Platz”, Babcock Borsig AG, CompuNet, Harzwasserwerke, Renault AG, Benteler AG, Metro AG –, die sich eines EDV-Systems zur betriebswirtschaftlichen Anwendung bedient hatten, erwarben das neuere System SAP R/3. Meist war vorher das System SAP R/2 genutzt worden. Das neue System bestand aus mehreren Modulen, u.a. Finanzbuchhaltung (F I), Controlling (CO), Finanzmanagement (TR) und Personalmanagement (HR). Mit der Einführung des Systems SAP R/3 wurden von den Großunternehmen bestimmte Firmen beauftragt, die beispielhaft in einer Projektübersicht 1999/2000 (vgl. Ordner I) bezeichnet sind (z.B. Nowis (Nordwestdeutsche Informationssysteme GmbH), SAP-Consulting, UMC (Uzuner Management Consulting, RWP). Diese wiederum bedienten sich zur Durchführung der erteilten Aufträge anderer Personen – u.a. des Kl.. Dabei wurde von dem Kl. nur das Modul Personal- und Zeitwirtschaft (HR) bearbeitet (vgl. Bl. 11 ff in Hefter Auszug aus Prüferhandakte „Projektverträge”).
Zunächst war eine Analyse zu erstellen, in welcher Weise und aufgrund welchen Systems die Personalwirtschaft vorher betrieben worden war (Systemanalyse). Sodann musste festgestellt werden, ob und in welcher Weise die Migration der Daten auf das System SAP R/3 bewerkstelligt werden konnte. Dabei war das neu zu installierende System in Teilbereichen zu variieren. Bei international tätigen Unternehmen war beispielsweise darauf zu achten, dass das neue System weltweit einzusetzen war. Die unterschiedlichen nationalen Lösungen mussten kompatibel gemacht werden. U.a. hierfür war die Programmierung von Hilfsprogrammen erforderlich (Geschäftsprozessanalyse und Konzeptentwicklung). Auf dieser Basis war das neue System SAP R/3 konkret einzurichten (Steuerung des Customizing).
Im Übrigen war bei verschiedenen Unternehmen für einen Releasewechsel zu sorgen. Die vorhandene Software von SAP war auf den neueren Entwicklungsstand umzusetzen, z.B. SAP R/3 HR auf 4.0 bei B AG.
Schließlich waren die vor Ort tätigen Mitarbeiter der Großunternehmen im Hinblick auf das neue System zu schulen. In Einzelfällen war dem Erwerb des Systems SAP R/3 auch eine Beratung durch den Kl. vorausgegangen.
Abgerechnet wurde dann über Dreieck in der Weise, dass die Großunternehmen Zahlungen an die von ihnen eingeschalteten Firmen leisteten, denen gegenüber dann der Kl. die von ihm erbrachten Leistungen in Rechnung stellte.
Neben dem Kl. waren bei der Installierung des Moduls Personalmanagement (HR) in gleicher Weise auch andere Personen bei den Endkunden – Unternehmen tätig, die – ebenso wie der Kl. – eine Ausbildung bei SAP absolviert hatten, u.a. Herr D (Diplom in Physik), Frau H (Hochschuldiplom) und Herr N (Kaufmann). Bezahlt wurden diese für ihre Tätigkeiten vom Kl., der deren Leistungen nach außen auch entsprechend abrechnete und hierfür die Verantwortung trug.
Lediglich in einem Fall war der Kl. unmittelbar für ein Großunternehmen (MobilNet GmbH) beratend un...