Entscheidungsstichwort (Thema)
Zinsaufwendungen für ,,gemischte" Kontokorrentschulden als Betriebsausgaben
Leitsatz (NV)
1. Zur Ermittlung des Umfangs, in dem ein Kontokorrentkredit für betriebliche und für private Zwecke in Anspruch genommen wird, ist das Konto grundsätzlich in zwei Unterkonten für den betrieblichen und den privaten Kredit aufzuteilen. Hierbei kann unterstellt werden, daß eingehende Betriebseinnahmen zunächst zur Abdeckung des privaten Kreditteils verwendet werden und daß gleichzeitig zu verbuchende Betriebsausgaben dem betrieblichen Unterkonto zu belasten sind.
2. Die Unterteilung des Kontokorrentkontos und die Entwicklung der Unterkonten ist vom Steuerpflichtigen vorzunehmen; dies kann auch nachträglich geschehen.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 3
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) üben eine Zahnarztpraxis in der Rechtsform einer BGB-Gesellschaft aus. Sie ermitteln ihren Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Im Rahmen dieser Gewinnermittlung berücksichtigten sie auch Sollzinsen für ein Bankkontokorrentkonto, über das Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben gebucht wurden. Als Vorabentnahme auf den erwarteten Gewinn haben sich die Kläger zu Lasten dieses Kontos auch Beträge auszahlen lassen, die sie für ihre private Lebensführung verwendeten. Nach einer Betriebsprüfung für die Jahre 1977 bis 1979 ließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) einen Teil der Zinsaufwendungen nicht zum Abzug zu, weil er durch eine Kreditaufnahme zu privaten Zwecken veranlaßt sei. Das FA schätzte die Beträge auf . . . DM (1977), . . . DM (1978) und . . . DM (1979) und änderte insoweit die Gewinnfeststellungsbescheide für diese Jahre.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, daß die Zinsaufwendungen in dem vom FA geschätzten Umfang privat, nämlich durch Abhebungen für Zwecke der Lebensführung, verursacht seien; auf die abweichende Berechnung bei bilanzierenden Steuerpflichtigen könnten sich die Kläger nicht berufen.
Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision der Kläger, mit der sie die Gleichbehandlung mit bilanzierenden Steuerpflichtigen erstreben; diese könnten die durch Entnahmen verursachten Kreditaufwendungen nämlich als Betriebsausgaben absetzen. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe mit der Differenzierung zwischen den Gewinnermittlungsarten seine frühere Rechtsprechung aufgegeben, daß § 4 Abs. 3 EStG keinen abweichenden Gewinnbegriff beinhalte, sondern lediglich eine Erleichterung bei der Gewinnermittlung schaffen wolle. Auf diese Rechtsprechungsänderung könne nach § 176 Abs. 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) die Änderung des Gewinnfeststellungsbescheids nicht gestützt werden.
Entscheidungsgründe
Auf die Revision der Kläger muß das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen werden.
1. Die Revision hat allerdings nicht schon deshalb Erfolg, weil das FA gemäß § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 an einer Änderung der Gewinnfeststellungsbescheide gehindert gewesen wäre. Danach darf bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheides nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, daß sich die Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofes des Bundes geändert hat, die bei der bisherigen Steuerfestsetzung von der Finanzbehörde angewandt worden ist. Aus den Ausführungen des BFH-Urteils vom 23. Juni 1983 IV R 185/81 (BFHE 139, 56, BStBl II 1983, 723) ergibt sich jedoch, daß Kontokorrentzinsen, die auf eine private Beanspruchung des Bankkontokorrentkredits zurückgingen, bei einem Steuerpflichtigen, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, in der Vergangenheit nicht als Betriebsausgaben angesehen worden sind. Anders sind allerdings Zinsaufwendungen eines Steuerpflichtigen beurteilt worden, der seinen Gewinn durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG ermittelt (BFH-Urteil vom 23. Juni 1983 IV R 192/80, BFHE 139, 50, BStBl II 1983, 725). Ob diese unterschiedliche Behandlung beider Gewinnermittlungsarten sachlich gerechtfertigt war, kann dahinstehen; § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 stellt nur auf die tatsächliche Entwicklung der Rechtsprechung, nicht ihre sachliche Rechtfertigung ab.
2. Zu Recht ist das FG auch davon ausgegangen, daß die Kontokorrentzinsen keine Betriebsausgabe bilden, soweit die Kreditsumme auf Auszahlungen für private Zwecke zurückgeht; hinsichtlich der Höhe des nicht abzugsfähigen Betrages hat sich das FG der Schätzung des FA angeschlossen. Die Ausführungen des FG lassen jedoch nicht erkennen, von welchen Grundsätzen es bei seiner Schätzung ausgegangen ist.
a) Der Senat hat zur Frage, ob ein Steuerpflichtiger, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, Kontokorrentzinsen auch dann abziehen darf, wenn der Kontokorrentkredit auf Auszahlungen für private Zwecke zurückgeht, eine Entscheidung des Großen Senats herbeigeführt (Anrufungsbeschluß vom 8. September 1988 IV R 66/87, BFHE 154, 350, BStBl II 1989, 32; Beschluß des Großen Senats vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817). Der erkennende Senat legt die Auffassung des Großen Senats der Beurteilung des Streitfalles zugrunde.
Zinsaufwendungen bilden danach Betriebsausgaben i. S. von § 4 Abs. 4 EStG, wenn ein beanspruchtes Darlehen tatsächlich für betriebliche Zwecke verwendet wurde. Werden Darlehensmittel nur teilweise für betriebliche Zwecke verwendet, bilden auch die für den Kredit entrichteten Zinsen nur anteilig Betriebsausgaben. Hiervon ist auch auszugehen, wenn die Zinsaufwendungen aus der Inanspruchnahme eines Kontokorrentkredits entstehen. Betriebsausgaben ergeben sich nur insoweit, als der Schuldenstand durch Abbuchungen für betriebliche Zwecke verursacht wurde. Geht eine Kontokorrentverbindlichkeit sowohl auf Verwendungen für betriebliche als auch für private Zwecke zurück, ist das Kontokorrentkonto grundsätzlich in zwei Unterkonten aufzuteilen, um seine Beanspruchung für betriebliche und private Zwecke festzustellen und danach auch den gezahlten Zinsbetrag aufzuteilen. Diese Grundsätze gelten nach den Ausführungen des Großen Senats unabhängig davon, ob ein Steuerpflichtiger seinen Gewinn gemäß § 4 Abs. 1 EStG durch Vermögensvergleich oder gemäß § 4 Abs. 3 EStG als Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ermittelt.
b) Zur Ermittlung der Inanspruchnahme des Kontokorrentkredits für betriebliche und für private Zwecke ist das Konto grundsätzlich in zwei Unterkonten für den betrieblichen und den privaten Kredit aufzuteilen. Hierbei kann unterstellt werden, daß eingehende Betriebseinnahmen zunächst zur Abdeckung des privaten Kreditteils verwendet werden (Beschluß des Großen Senats in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, 828). Unterhielte der Steuerpflichtige nämlich gesonderte Kontokorrentverhältnisse für den betrieblichen und den privaten Bereich, könnte er bestimmen, daß die von ihm erbrachte Geldleistung zunächst zur Tilgung der privat veranlaßten Schuld verwendet wird. Diese Ausführungen des Großen Senats sind dahin zu ergänzen, daß gleichzeitige Abbuchungen aus betrieblichem Anlaß dem betrieblichen Unterkonto zu belasten sind und daß Einzahlungen aus eigenen Mitteln des Betriebsinhabers dem privaten Unterkonto bis zur Tilgung des privaten Kredits gutzubringen sind; so würde nämlich ein Steuerpflichtiger mit gesonderten Kontokorrentkonten verfahren. Der Umfang der durch die private Beanspruchung verursachten Zinsbelastung wird nach der Zinszahlenstaffelmethode errechnet; er kann nicht als Betriebsausgabe berücksichtigt werden. Grundsätzlich muß der Steuerpflichtige die Unterteilung des Kontokorrentkontos vornehmen und die Entwicklung der Unterkonten darstellen; dies kann auch nachträglich geschehen. Wenn der Steuerpflichtige die erforderlichen Unterlagen beschafft, sind auch FA und FG gehalten, den auf die privaten Verbindlichkeiten entfallenden Zinsaufwand zu berechnen. Die Berechnung kann jedoch dem Steuerpflichtigen aufgegeben werden. Genügt der Steuerpflichtige seiner Mitwirkungspflicht nicht, können FA und FG den Zinsanteil schätzen. Eine bestimmte Schätzungsmethode hat der Große Senat nicht vorgegeben; die Schätzung muß jedoch das Ergebnis anstreben, das sich bei einer Aufteilung des gemischten Kontokorrentkontos in Unterkonten ergeben würde.
c) All dies gilt auch, wenn Steuerpflichtige sich im Rahmen einer Personengesellschaft als Unternehmer betätigen. Führen Entnahmen für die private Lebensführung der Gesellschafter zu einer Erhöhung der Schuldsumme auf dem betrieblichen Kontokorrentkonto, ist der privat veranlaßte Zinsaufwand in der beschriebenen Weise zu isolieren; er stellt keine Betriebsausgabe dar, sondern ist gleichfalls als Entnahme der Gesellschafter zu behandeln. Das FA hat den privaten Zinsanteil im Schätzungswege ermittelt. Die Auffassung des Großen Senats konnte dabei nicht berücksichtigt werden. Das FG wird daher prüfen, ob am Schätzungsergebnis festzuhalten ist.
Fundstellen
Haufe-Index 417450 |
BFH/NV 1991, 731 |