Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbeertrag bei Entnahme von Sonderbetriebsvermögen
Leitsatz (NV)
Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die Vererbung des Anteils an einer Personengesellschaft aufgrund einer qualifizierten Nachfolge- Klausel insoweit zu einem Gewerbeertrag führt, als beim Erblasser ein Entnahmegewinn hinsichtlich seines Sonderbetriebsvermögens entsteht.
Normenkette
GewStG § 7; EStDV § 7 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist eine GmbH & Co. KG. Kommanditisten waren S und seine beiden Töchter. Auf diese sollte nach dem Gesellschaftsvertrag der Kommanditanteil des S im Falle seines Todes je zur Hälfte übergehen.
S war Eigentümer eines dem Betrieb der Antragstellerin dienenden Grundstücks. Das auf dem Grundstück errichtete Gebäude war auf die besonderen Verhältnisse des Betriebs der Antragstellerin zugeschnitten.
S verstarb 1983. Erben wurden seine Ehefrau (E) zu 1/2 und seine beiden Töchter zu je 1/4. E wurde entsprechend der Regelung im Gesellschaftsvertrag nicht Gesellschafterin der Antragstellerin.
Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) vertrat in seinem Gewinnfeststellungsbescheid vom 8. Mai 1996 die Ansicht, daß der auf E übergegangene Grundstücksanteil mit dem Tod des S aus dessen Sonderbetriebsvermögen entnommen und deshalb der Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft (429 408 DM) um einen Entnahmegewinn in Höhe von 251 710 DM zu erhöhen sei. Der Gewinn gehöre zum laufenden Gewinn der Mitunternehmerschaft und unterliege deshalb der Gewerbesteuer. Der Einspruch gegen den Gewerbesteuermeßbescheid vom 4. Juli 1996 blieb erfolglos, den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung dieses Bescheides lehnte das FA ab. Auch der beim Finanzgericht (FG) gestellte weitere Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Gewerbesteuermeßbescheids blieb erfolglos.
Mit der -- vom FG zugelassenen -- Beschwerde beantragt die Antragstellerin, den Beschluß des FG aufzuheben und die Vollziehung des Gewerbesteuermeßbescheids vom 4. Juli 1996 auszusetzen, soweit diesem ein Gewinn von mehr als 429 408 DM zugrunde gelegt worden ist.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Beschlusses des FG und zur Stattgabe des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung des Gewerbesteuermeßbescheids 1983.
1. Nach §69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) soll das FG die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts u. a. dann ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen. Ernstliche Zweifel sind anzunehmen, wenn bei überschlägiger Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zutage treten, die eine Unentschiedenheit oder eine Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfrage bewirken; es ist nicht erforderlich, daß die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (ständige Rechtsprechung, vgl. u. a. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 20. Juli 1990 III B 144/89, BFH/NV 1990, 774, und vom 14. November 1989 VII B 124/89, BFH/NV 1990, 279, jeweils m. w. N.; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §69 Anm. 77 ff., m. w. N.).
2. Es ist in diesem Sinne ernstlich zweifelhaft, ob die Vererbung des Anteils an einer Personengesellschaft aufgrund einer qualifizierten Nachfolgeklausel insoweit zu einem Gewerbeertrag führt, als beim Erblasser ein Entnahmegewinn entsteht.
a) Der Kommanditanteil des S ist nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats im Wege der Sondererbfolge unmittelbar auf seine beiden Töchter übergegangen; die durch die gesellschaftliche Regelung nicht begünstigte E wurde nicht Mitunternehmerin (BFH-Urteil vom 27. Juli 1993 VIII R 72/90, BFHE 173, 515, BStBl II 1994, 625, m. w. N.). Dementsprechend blieb das nach dem Erbfall zum Gesamthandsvermögen der Erbengemeinschaft gehörende Betriebsgrundstück nur mit den auf die beiden Töchter entfallenden Bruchteilen Sonderbetriebsvermögen bei der Antragstellerin; hinsichtlich des auf E entfallenden Hälfteanteils wurde es aus dem Sonderbetriebsvermögen des Erblassers entnommen (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1991 VIII R 51/84, BFHE 166, 431, BStBl II 1992, 512, unter II. 2. b der Gründe; zur Fortführung der den Erbanteilen entsprechenden Bruchteile des Grundstücks in den Sonderbilanzen der Mitunternehmer: BFH-Urteil vom 1. März 1994 VIII R 35/92, BFHE 175, 231, BStBl II 1995, 241, unter III. 3. b der Gründe).
b) Diese Beurteilung wird von der herrschenden Meinung im Schrifttum (Blümich/Stuhrmann, Einkommensteuergesetz, 15. Aufl., §16 Rdnr. 26 a; Hörger in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., §16 EStG Rdnr. 1066 ff.; Gänger in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, §16 Rdnr. 296; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl., S. 811, 817; Märkle, Finanz-Rundschau -- FR -- 1997, 135, 136, m. w. N.; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 16. Aufl., §16 Rz. 674) und von der Finanzverwaltung (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen -- BMF -- vom 11. Januar 1993 IV B 2 -- S 2242 -- 86/92, BStBl I 1993, 62) geteilt; gegen sie sind im Schrifttum aus unterschiedlichen Gründen aber auch Bedenken erhoben worden (zum Streitstand vgl. u. a. Schmidt, a. a. O., §16 Rz. 674). Der Senat braucht sich im vorliegenden Verfahren nicht mit diesen Bedenken auseinanderzusetzen. Wären sie berechtigt, hätte im Streitjahr beim Erblasser ein Gewerbeertrag nicht erfaßt werden können. Es sprechen aber hinreichende Gründe dafür, daß dies nicht anders ist, wenn man mit der Rechtsprechung des Senats eine Sondererbfolge der begünstigten Miterben in den Mitunternehmeranteil und eine Entnahme des Sonderbetriebsvermögens durch den Erblasser bejaht. Der Mitunternehmeranteil geht in diesem Fall gemäß §7 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) zu Buchwerten auf die begünstigten Erben über (BFH-Urteil in BFHE 173, 515, BStBl II 1994, 625); der beim Erblasser entstehende Entnahmegewinn ist -- wie allgemein dann, wenn bei unentgeltlicher Betriebsübertragung einzelne Wirtschaftsgüter des (Sonder-)Betriebsvermögens von der Übertragung ausgeschlossen werden (BFH-Urteil vom 19. Februar 1981 IV R 116/77, BFHE 133, 176, BStBl II 1981, 566) -- nach Einkommensteuerrecht ein laufender Gewinn. Nach Gewerbesteuerrecht ist aber auch ein laufender Entnahmegewinn nicht stets gemäß §7 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) ein Gewerbeertrag. Darauf hat der BFH -- für Wirtschaftsgüter, die anläßlich der Einbringung eines Gewerbebetriebs in eine Personengesellschaft zurückbehalten werden -- bereits in seinem Urteil vom 29. Oktober 1987 IV R 93/85 (BFHE 151, 181, BStBl II 1988, 374) hingewiesen. Wie nach ständiger Rechtsprechung der bei der Betriebsaufgabe und Betriebsveräußerung entstehende Gewinn nicht Gegenstand der Besteuerung nach dem Gewerbeertrag sei (vgl. dazu auch Senatsurteil vom 17. Februar 1994 VIII R 13/94, BFHE 174, 550, BStBl II 1994, 809, m. w. N.), gehöre zu diesem auch ein Entnahmegewinn nicht, wenn die wesentlichen Betriebsgrundlagen zu Buchwerten auf einen anderen Unternehmer übergingen. Auf denselben Erwägungen beruhen auch die Stellungnahmen im Schrifttum, nach denen ein Entnahmegewinn bei unentgeltlicher Betriebsübertragung i. S. von §7 Abs. 1 EStDV nicht von §7 GewStG erfaßt wird (vgl. u. a. Lenski/Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 9. Aufl., §2 Anm. 1565, 1616, 1635; Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, 3. Aufl., §7 Anm. 16, 61; Glanegger, FR 1990, 469, 472; für Mitunternehmeranteil wohl auch bereits BFH-Urteil vom 25. Mai 1962 I 78/61 S, BFHE 75, 467, BStBl III 1962, 438, unter III. der Gründe; a. A. etwa Blümich/von Twickel, Gewerbesteuergesetz, §7 Rz. 142 ff.). Es liegt nahe, den Fall der Sondererbfolge bei qualifizierter Nachfolgeklausel entsprechend zu beurteilen. Wie die unentgeltliche Betriebsübertragung i. S. von §7 Abs. 1 EStDV unter Lebenden (dazu u. a. Lenski/Steinberg, a. a. O., §2 Anm. 1565, m. w. N.; Schmidt, a. a. O., §16 Rz. 435) hat auch der Erbfall gewerbesteuerrechtlich einen Unternehmerwechsel mit Betriebseinstellung durch den Erblasser zur Folge ( §2 Abs. 5 GewStG, und dazu BFH- Urteile vom 9. Mai 1961 I 120/60 S, BFHE 73, 247, BStBl III 1961, 357, und vom 14. Januar 1965 IV 173/64 S, BFHE 81, 318, BStBl III 1965, 115; Blümich/Obermeier, a. a. O., §2 Rz. 818; Glanegger/Güroff, a. a. O., §2 Anm. 224 und §7 Anm. 16). Das gilt für die partielle Betriebseinstellung bei Übertragung des Anteils an einer Personengesellschaft entsprechend (allgemein zum partiellen Unternehmerwechsel BFH-Beschluß vom 3. Mai 1993 GrS 3/92, BFHE 171, 246, BStBl II 1993, 616, und bei Ausscheiden eines Gesellschafters durch Tod BFH-Urteil vom 7. Dezember 1993 VIII R 160/86, BFHE 173, 371, BStBl II 1994, 331, m. w. N.). Es spricht deshalb vieles dafür, daß auch das durch den Tod bedingte Ausscheiden eines Gesellschafters aus der Gesellschaft und des Sonderbetriebsvermögens aus dem Mitunternehmeranteil gewerbesteuerrechtlich kein Geschäftsvorfall im Gewerbebetrieb der Personengesellschaft, sondern ein für diesen Betrieb fremder Vorgang ist, der nur die Person des Gesellschafters betrifft.
Fundstellen
Haufe-Index 67547 |
BFH/NV 1998, 1127 |
DStRE 1998, 483 |