Leitsatz (amtlich)
Die Branntweinsteuererhöhung durch das Gesetz vom 2. Mai 1976 verstößt nicht gegen Gemeinschaftsrecht.
Normenkette
Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Branntweinmonopol vom 2. Mai 1976, BGBl I, 1145; EWGV Art. 37; EWGVtr Art. 95; EWGV Art. 177
Verfahrensgang
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) besitzt einen Trinkbranntweinherstellungsbetrieb. Sie lagerte im Dezember 1976 u. a. trinkfertige und in Flaschen abgefüllte Branntweinerzeugnisse mit 4 147 l Alkohol aus. Sämtliche Erzeugnisse waren auf der Basis von aus Italien und später aus Holland eingeführtem Melasse-Alkohol hergestellt worden. Der Monopolausgleich wurde am 10. Januar 1977 angemeldet und nach dem Steuersatz von 1 650 DM/Hektoliter Weingeist (hl W) mit 182 648,40 DM bezahlt. Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin Klage mit dem Antrag, abweichend von der Steuerfestsetzung vom 11. Januar 1977 und der Einspruchsentscheidung vom 23. April 1981 die Branntweinsteuer um 6 220,50 DM zu mindern. Zur Begründung trug die Klägerin im wesentlichen vor, die Branntweinsteuererhöhung aufgrund des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Branntweinmonopol vom 2. Mai 1976 (BGBl I 1976, 1145, Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin – GVBl Bln – 1976, 1057) widerspreche dem Gemeinschaftsrecht.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat ohne Rechtsirrtum entschieden, daß der angefochtene Steuerbescheid rechtmäßig ist, insbesondere nicht gegen Gemeinschaftsrecht verstößt.
1. Das Gesetz vom 2. Mai 1976 ist keine Maßnahme des deutschen Gesetzgebers, die im Widerspruch zu dem Gebot des Art. 37 Abs. 1 EWGV steht.
a) Art. 37 schreibt nicht die vollständige Abschaffung der staatlichen Handelsmonopole vor, sondern nur deren Umformung in der Weise, daß jede Diskriminierung in den Versorgungs- und Absatzbedingungen zwischen den Angehörigen der Mitgliedstaaten ausgeschlossen ist (EuGH-Urteil in EuGHE 1979, 935, 852, Absatz 8 der Gründe). Der Umstand allein, daß mit dem Gesetz vom 2. Mai 1976 die Branntweinsteuer mit dem Ziel erhöht wurde, die Finanzierung und damit den Bestand des defizitären Branntweinmonopols zu ermöglichen, erfüllt nicht den Tatbestand des Art. 37 Abs. 1 EWGV. Das belegt überdies auch das Urteil des EuGH vom 17. Februar 1976 Rs. 45/75 (EuGHE 1976, 181). Danach verbietet es Art. 37 Abs. 1 EWGV nicht, ein eingeführtes Erzeugnis und ein gleichartiges inländisches Erzeugnis zu belasten, selbst wenn die dem inländischen Erzeugnis auferlegte Belastung zum Teil der Finanzierung des Monopols dient, während die Abgabe auf das eingeführte Erzeugnis zugunsten des allgemeinen Staatshaushalts erhoben wird. Eine Abgabe widerspricht daher nicht allein deswegen dem Gemeinschaftsrecht, weil sie das Monopol zu finanzieren bestimmt ist.
b) Die Frage, ob die Steuererhöhung durch das Gesetz vom 2. Mai 1976 im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht steht, kann allein danach entschieden werden, ob sie die Angehörigen oder Erzeugnisse anderer Mitgliedstaaten diskriminiert. Der EuGH hat in EuGHE 1979, 935 entschieden, Art. 37 EWGV (Handelsmonopole) verfolge mit den Art. 92 und 93 EWGV (staatliche Beihilfen) das gleiche Ziel: Die Vorschriften sollen verhindern, daß die beiden, einem Mitgliedstaat zur Verfügung stehenden Interventionsformen – die Tätigkeit eines staatlichen Monopols oder die Gewährung von Beihilfen – eine Verfälschung der Wettbewerbsbedingungen auf dem gemeinsamen Markt oder die Schaffung von Diskriminierungen zu Lasten der Erzeuger oder des Handels anderer Mitgliedstaaten bewirken. Für das Gebiet der inneren Steuern sieht Art. 95 EWGV ein Diskriminierungsverbot gleichen Inhalts vor. Der EuGH hat daher in seiner Vorabentscheidung vom 10. Oktober 1978 RS. 148/77 (EuGHE 1978, 1787, 1806, Absatz 14 der Gründe), dessen Gegenstand ebenfalls die Besteuerung aufgrund des deutschen BranntwMonG war, entschieden, es sei vorzuziehen, diese Frage in erster Linie unter dem Gesichtspunkt der allgemein gefaßten steuerlichen Vorschrift des Art. 95 EWGV und nicht der für staatliche Monopole geltenden speziellen Bestimmung des Art. 37 EWGV zu untersuchen (vgl. auch Urteil des erkennenden Senats vom 5. August 1980 VII R 39/78, BFHE 131, 251, 256, Abschn. II Nr. 2 b der Gründe).
2. Nach Art. 95 Abs. 1 EWGV erheben die Mitgliedstaaten auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten weder unmittelbar noch mittelbar höhere inländische Abgaben, als gleichartige inländische Waren unmittelbar oder mittelbar zu tragen haben. Es ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, daß das Gesetz vom 2. Mai 1976 den aus Mitgliedstaaten eingeführten Melasse-Alkohol im Vergleich zu gleichartigem inländischen Alkohol nicht unmittelbar steuerlich diskriminiert. Denn die durch das Gesetz eingeführte Erhöhung der Branntweinsteuer traf eingeführte und inländische Branntweine nach denselben Kriterien, da der Erhöhungsbetrag gleichmäßig nach Maßgabe des in den Erzeugnissen enthaltenen reinen Alkohols erhoben wurden.
a) Nach Art. 95 Abs. 1 EWGV ist allerdings auch dann eine auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten erhobene innere Abgabe gemeinschaftsrechtswidrig, wenn diesemittelbar höher ist als die Abgabenbelastung der gleichartigen inländischen Waren. Auch insoweit kommt es darauf an, daß sich ein Unterschied in den Abgabenbelastungen ergibt. Nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteil in EuGHE 1980, 1533) ist es aber nicht ausgeschlossen, daß in den Belastungsvergleich Vorteile miteinbezogen werden, die keinen unmittelbaren abgabenrechtlichen Charakter haben, insbesondere Beihilfen, falls diese die steuerliche Belastung der inländischen Erzeugnisse aufheben oder vermindern. Voraussetzung dafür ist nach der Rechtsprechung des EuGH jedoch, daß die fragliche Abgabe „ausschließlich oder hauptsächlich” zur Finanzierung dieser Beihilfen dient und dazu bestimmt ist, „Tätigkeiten zu fördern, die speziell den belastenden einheimischen Erzeugnissen zugute kommen” (EuGHE 1980, 1533, Absatz 15 und 16 der Gründe). Es kommt also entscheidend darauf an, daß zwischen Beihilfe und Steuererhöhung ein enger Zusammenhang besteht. Das FG hat zu Recht entschieden, daß das bei der Steuererhöhung durch das Gesetz vom 2. Mai 1976 nicht der Fall ist (vgl. auch Urteil des FG Hamburg vom 16. November 1979 IV 13/77 S-H, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 1980, 167, und die – nichtveröffentlichten – Urteile des FG Baden-Württemberg vom 29. September 1977 II 45/76 Z und II 58/76 Z).
b) Zur Beantwortung der Frage, welcher Zusammenhang zwischen der fraglichen Steuererhöhung und etwaigen Beihilfen für die inländische Brennereiwirtschaft besteht, bedarf es des Eingehens auf die Situation, die zu diesen Beihilfen und zur Steuererhöhung geführt hat.
Als Folge der Urteile des EuGH vom 3. und 17. Februar 1976 Rs. 45/75, 59/75 und 91/75 (EuGHE 1976, 181, 91, 217) fiel die außenwirtschaftliche Absicherung des deutschen Branntweinmonopols. Der Binnenmarkt stand nunmehr Branntweinen aus den anderen Mitgliedstaaten uneingeschränkt offen. Dadurch ergaben sich auf dem Binnenmarkt Preise für Branntwein, die erheblich unter den bisher von der BMonV festgesetzten Verkaufspreisen lagen. Sollte das Monopol nicht funktionsunfähig werden, mußte die BMonV mit ihren Verkaufspreisen nachziehen. Sie mußte das tun ungeachtet der von ihr gezahlten – und nach dem BranntwMonG zu zahlenden –, die Kosten der inländischen Brennereiwirtschaft deckenden Übernahmepreise und ungeachtet des sich daraus zwangsläufig ergebenden Defizits.
Daraus ergibt sich, daß ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Verkaufspreisen des Monopols und seinen Übernahmepreisen nicht mehr bestand. Die Höhe der Verkaufspreise bestimmte der Markt, die Höhe der Übernahmepreise der gesetzliche Zwang zur Gewährung kostendeckender Preise. Zwischen beiden Preisen fehlte, wie es der EuGH im Urteil in EuGHE 1979, 935, 954, Absatz 13 der Gründe ausgedrückt hat, der „Kausalzusammenhang”, da „der Endverkaufspreis … vom Monopol autonom aus verkaufspolitischen Erwägungen und unabhängig von Verwendungszweck und Höhe der Beihilfe festgesetzt” wird.
Zwangsläufig folgt daraus auch die Einschätzung der auf die eingeführten und inländischen Branntweine erhobenen Steuer bzw. der Steuererhöhung durch das Gesetz vom 2. Mai 1976. Diese war zwar zur Deckung des Defizits bestimmt, die dem Monopol aus der Senkung der Verkaufspreise erwuchsen. Insoweit unterschied sich das Gesetz aber nicht von anderen steuererhöhenden Gesetzen, die der Deckung eines steigenden Finanzbedarfs des Staates dienen. Mit den Beihilfen für die inländische Brennereiwirtschaft hatte dieses Gesetz jedoch nichts zu tun. Diese Beihilfen beruhten auf der gesetzlichen Garantie kostendeckender Übernahmepreise. Diese Regelung wurde vom Gesetz vom 2. Mai 1976 nicht berührt. Den fehlenden Zusammenhang zwischen diesem Gesetz und der Beihilferegelung belegt schon die Überlegung, daß sich an diesen Beihilfen und ihrer Höhe nicht das Geringste geändert hätte, wenn es zu dem Gesetz nicht gekommen wäre und der Bund die absehbare zusätzliche Finanzbelastung etwa durch Erhöhung der Kreditaufnahme oder anderer Steuern gedeckt hätte.
Vor diesem Hintergrund ist auch die Beihilfe für die selbstvermarktenden Kornbrenner durch den BMF-Erlaß vom 24. März 1976 zu sehen. Diese Beihilfe war eine unausweichliche Folge des Verfalls der Preise auf dem Branntweinbinnenmarkt. Genausowenig wie die BMonV konnten die Kornbrenner den von ihnen hergestellten Branntwein weiterhin zu den bisherigen kostendeckenden Preisen verwerten. Die mittelbare Beihilfe, die ihnen durch die Nichtübernahme des Kornbranntweins durch die BMonV zu kostendeckenden Preisen entging, wurde ihnen durch eine unmittelbare Beihilfe gewährt. Diese Zielrichtung der Beihilfe ergibt sich eindeutig auch aus dem Wortlaut des von der Vorinstanz in Bezug genommenen Erlasses und überdies aus dem Umstand, daß diese Beihilfe vom Zeitpunkt der Senkung der Verkaufspreise durch die BMonV an (23. Februar 1976) gewährt wurde. Mit der erst zum 18. März 1976 in Kraft getretenen Steuererhöhung durch das Gesetz vom 2. Mai 1976 hat diese Beihilfe unmittelbar genauso wenig zu tun wie die in der Beibehaltung kostendeckender Übernahmepreise liegende Beihilfe. Sie diente weder unmittelbar noch mittelbar der Verringerung der Steuerlast der inländischen Brennereiwirtschaft. Für die Beihilfen zu den Reinigungskosten der selbstvermarktenden Kornbrennerei gilt das in gleicher Weise.
c) Die Richtigkeit dieser Auffassung wird durch das EuGH-Urteil in EuGHE 1979, 935 bestätigt. Diese Entscheidung ist auf Vorabentscheidungsersuchen des FG Hamburg ergangen, zu dem ebenfalls das Gesetz vom 2. Mai 1976 Anlaß gab. Der Entscheidung ist zu entnehmen, daß es nach Auffassung des EuGH nicht gegen den EWGV verstößt, wenn die Mitgliedstaaten inländische Abgaben erhöhen, um mit Hilfe des erhöhten Steueraufkommens Verluste zu finanzieren, die sich aus dem Ankauf von einem Monopol unterliegenden Erzeugnissen zu garantierten Übernahmepreisen ergeben (vgl. auch FG Hamburg in EFG 1980, 167). Der EuGH hat insoweit einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Gemeinschaftsrechts nur dann als gegeben angesehen, wenn das Monopol den Branntwein zu „anomal niedrigen” Preisen vermarktet. Daß das geschehe, behauptet auch die Klägerin nicht. Es kann also dahingestellt bleiben, ob im Falle solcher anomal niedrigen Verkaufspreise des Monopols eine Diskriminierung über eine Anrechnung auf die Steuerlast von aus Mitgliedstaaten eingeführten Waren ausgeglichen werden könnte.
Auch das EuGH-Urteil in EuGHE 1980, 1533 bestätigt die Auffassung, daß es bei der Branntweinsteuererhöhung durch das Gesetz vom 2. Mai 1976 an einem, einen Verstoß gegen das steuerliche Diskriminierungsverbot des Art. 95 EWGV begründenden, genügend engen Zusammenhang mit Beihilfen fehlt. In dem von ihm entschiedenen Fall, dem italienischen „sovraprezzo”, hat der EuGH den Zusammenhang darin gesehen, daß die Abgabe unmittelbar an eine Zuckerausgleichskasse zu entrichten war, die als öffentliche Einrichtung zu dem Zweck errichtet worden war, Ausgleichsmaßnahmen zugunsten der einheimischen Zuckerwirtschaft durchzuführen. Das Gericht hat aber klar gemacht (Absatz 18 der Gründe), daß es an dem erforderlichen Zusammenhang gefehlt hätte, wenn der Erlös der Abgabe in den allgemeinen Staatshaushalt geflossen wäre; „in diesem Fall wäre … die Gewährung von Anpassungsbeihilfen nicht mehr die automatische Folge einer Ausgleichsregelung, die ausschließlich die Herstellung und die Einfuhr von Zucker betrifft, sondern sie hätte ihre Grundlage in Entscheidungen des Gesetzgebers und der Regierung, in deren Rahmen die unterschiedlichen betroffenen Berufsinteressen zum Ausgleich gebracht würden”. So aber liegt es hier. Die Einnahmen aus der Steuererhöhung flossen in den Haushalt des Bundes. Über deren Verwendung hatte der Haushaltsgesetzgeber zu entscheiden. Nach dem Prinzip der Haushaltseinheit können andere Gesetze als das Haushaltsgesetz keine Haushaltsfunktionen übernehmen. Allenfalls hätte im Gesetz vom 2. Mai 1976 eine Zweckbindung des Mehraufkommens vorgesehen werden können. Das ist jedoch nicht geschehen, so daß unentschieden bleiben kann, ob dann die Steuererhöhung das Diskriminierungsverbot des Art. 95 EWGV verletzt hätte.
Auf die Ausführungen des Generalanwalts Capotorti in EuGHE 1979, 967 kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg berufen. Der Generalanwalt bezieht sich auf eine Abgabe, „die bestimmte einheimische und eingeführte Erzeugnisse erfaßt und die dazu bestimmt ist, Tätigkeiten zu fördern, die allein dem belasteten einheimischen Erzeugnis zugute kommen”. Er erklärt unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH, daß ein solches Abgabensystem nur dann gemeinschaftsrechtswidrig wäre, wenn „eine deutliche Entsprechung nachgewiesen würden zwischen dem auf die betreffenden einheimischen wie importierten Erzeugnisse gleichmäßig erhobenen fiskalischen Betrag einerseits und andererseits dem ausschließlich den einheimischen Erzeugnis zukommenden Vorteil, der mit Hilfe von aus eben diesem Betrag gespeisten Mitteln gewährt wird”. Gerade daran fehlt es aber nach den obigen Ausführungen. Es ist auch zu berücksichtigen, daß die Ausführungen des Generalanwalts sich auf die Frage beziehen, ob etwa eine Abgabe zollgleicher Wirkung vorliegt, nicht aber darauf, ob ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 95 EWGV gegeben ist.
Die Klägerin meint, die vom Senat in Übereinstimmung mit dem FG vertretene Auffassung würde den Mitgliedstaaten im Rahmen des Art. 95 EWGV Umgehungsmöglichkeiten für einseitige diskriminierende Maßnahmen eröffnen, die der EuGH niemals akzeptieren könnte und würde. Die Klägerin verkennt dabei die Bedeutung der Art. 92 bis 94 EWGV über mit dem Gemeinsamen Markt vereinbare und unvereinbare Beihilfen sowie über die in diesen Vorschriften geregelten Kontrollen und Maßnahmen gegen unstatthafte Beihilfen. Art. 95 EWGV sagt dagegen weder etwas über die Zulässigkeit von Beihilfen noch gar, daß etwa unzulässige Beihilfen bei der Berechnung der Steuerlast für aus Mitgliedstaaten eingeführte Waren angerechnet werden müßten.
Fundstellen
Haufe-Index 510473 |
BFHE 1984, 476 |