Leitsatz (amtlich)
1. Eine Leistung (Kapitalzuführung), die ein Kommanditist in Erfüllung einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung (Erhöhung der Kommanditeinlage) durch Verzicht auf eine ihm gegen die Gesellschaft zustehende Darlehensforderung erbringt, ist gesellschaftsteuerrechtlich ohne Rücksicht auf die Eintragung der Einlagenerhöhung im Handelsregister "bewirkt".
2. Beruht die Festsetzung von Gesellschaftsteuer auf der Erhöhung der Kommanditeinlage und ist die Steuerfestsetzung rechtswidrig, so kann sie nicht unter dem Gesichtspunkt des Ersterwerbs von Gesellschaftsrechten (aufgrund des - späteren - Eintritts einer Kapitalgesellschaft als persönlich haftender Gesellschafter in die Kommanditgesellschaft) aufrechterhalten werden.
Normenkette
KVStG 1972 § 2 Abs. 1 Nrn. 1-2, § 5 Abs. 2, § 6 Abs. 1 Nr. 1; HGB § 162 Abs. 1-2, § 172 Abs. 1-2, § 175 S. 3, § 176
Tatbestand
Die beiden Gesellschafter der Kommanditgesellschaft (KG) waren an dieser als Komplementär und Kommanditistin mit je 2 Mio. DM beteiligt. Sie hatten am 1. Dezember 1972 unter anderem beschlossen, ihre Kapitaleinlagen um je 1 Mio. DM "zu Lasten der Darlehenskonten II" zu erhöhen sowie mit Wirkung vom 15. Dezember 1972 eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung - im folgenden: GmbH - als persönlich haftende Gesellschafterin aufzunehmen und die Rechtsstellung des bisherigen Komplementärs in die eines Kommanditisten umzuwandeln.
Nach § 3 des Gesellschaftsvertrages bestimmte der Einlagenbetrag der Kommanditistin zugleich ihre Haftsumme; die Kapitaleinlagen auf den sog. Kapitalkonten (§ 3 Gesellschaftsvertrag) waren "unveränderlich". Dem Darlehenskonto I sollten 25 % des verbleibenden Gewinns im Verhältnis der Kapitalanteile zugeführt werden (§ 8 Abs. 1, 2 Gesellschaftsvertrag), dem Darlehenskonto II die Vergütung des Komplementärs, die auf die Gesellschafterkonten entfallenden Zinsen sowie 75 % des verbleibenden Gewinns (§ 8 Abs. 1 Gesellschaftsvertrag). Über die nach dem 1. Januar 1967 entstandenen Guthaben auf dem Darlehenskonto II konnten die Gesellschafter frei verfügen (§ 8 Abs. 4 Gesellschaftsvertrag).
Die GmbH war am 20. Dezember 1972 in das Handelsregister eingetragen worden. Am selben Tage waren die genannten Gesellschafterbeschlüsse vom 1. Dezember 1972 zur Eintragung angemeldet worden; eingetragen wurden diese Rechtsvorgänge am 26. Februar 1973.
Das FA (Beklagter und Revisionsbeklagter) unterwarf die Erhöhung der Kommanditeinlage der Kommanditistin um 1 Mio. DM unter Hinweis auf § 5 Abs. 2 Nr. 3, § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 2 des Kapitalverkehrsteuergesetzes in der ab 1. Januar 1972 geltenden Fassung (KVStG) der Gesellschaftsteuer.
Die Sprungklage der Klägerin blieb ohne Erfolg.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 2 KVStG und des § 29 UmwStG.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Aufhebung des angefochtenen Gesellschaftsteuerbescheids (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Der von dem FA der Besteuerung unterworfene Rechtsvorgang unterliegt nicht der Gesellschaftsteuer.
1. Eine Gesellschaftsteuerpflicht kann nicht auf § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG i. d. F. vom 17. November 1972 (KVStG 1972) gegründet werden. Die Erhöhung des Kommanditkapitals um 1 Mio. DM war im Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens keine Leistung an eine Kapitalgesellschaft im gesellschaftsteuerrechtlichen Sinne. Die Leistung ist vor dem Eintritt der GmbH in die KG erbracht worden.
a) Die Kommanditistin hat entsprechend der beschlossenen Erhöhung ihrer Kommanditeinlage der KG zu Lasten ihres Darlehenskontos II Kapital zugeführt und damit aufgrund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung eine Leistung i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972 (vgl. Egly, Gesellschaftsteuer-Kommentar, 3. Aufl., Rdnr. 72, mit weiteren Nachweisen; ebenso Urteil des BFH vom 29. Januar 1975 II R 90/73, BFHE 115, 142, BStBl II 1975, 414) erbracht. Diese Leistung liegt in dem Verzicht der Kommanditistin auf eine ihr gegen die KG zustehende Darlehensforderung, wie er sich aus dem Gesellschafterbeschluß ergibt. Die auf dem Darlehenskonto II angesammelten Beträge waren keine (gesamthänderisch gebundenen) Einlagen oder sonstigen Kapitalanteile, sondern standen der Kommanditistin entsprechend den Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag zur freien Verfügung. Ihre Leistung "zu Lasten" des Darlehenskontos II in der Form eines Forderungsverzichts ist rechtlich als (formfreier) Erlaßvertrag (§ 397 BGB) zu werten. Mit dem Abschluß dieses Vertrages war die Darlehensforderung der Kommanditistin gegen die KG unmittelbar erloschen, die durch den Gesellschafterbeschluß vom 1. Dezember 1972 begründete gesellschaftsrechtliche Verpflichtung erfüllt und daher die Leistung i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972 bewirkt.
b) Diese gesellschaftsteuerrechtliche Leistung ist - entgegen der Auffassung des Finanzgerichts - nicht von der Eintragung der Einlagenerhöhung (hier: = Erhöhung der Haftsumme) im Handelsregister abhängig. Das Gesellschaftsteuerrecht knüpft die Steuerbarkeit einer Leistung i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972 nicht an die handelsregisterliche Eintragung; aus den gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen ergibt sich nichts anderes. Die Leistung ist ohne Rücksicht auf eine Eintragung mit der Kapitalzufuhr (hier: mit dem Erlöschen der Darlehensforderung) erbracht. Bei einer KG erschöpft sich die Bedeutung der (eingetragenen) Haftsumme (§ 162 Abs. 1, 2, § 172 Abs. 1, 2 HGB) im wesentlichen in der Begrenzung des Umfangs der Kommanditistenhaftung "im Verhältnis zu den Gläubigern der Gesellschaft". Durch die Eintragung des Betrags der Haftsumme wird - insoweit mit konstitutiver Wirkung - die (bis dahin unter Umständen unbeschränkte; § 176 HGB) Haftung eines Kommanditisten auf den im Eintrag bezeichneten Betrag begrenzt. Dies kann weder das Wirksamwerden der Erhöhungsvereinbarung, noch deren Erfüllung noch das Bewirken der Leistung i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972 beeinflussen. Die Verpflichtung zur Einlagenerhöhung wird im Innenverhältnis der Gesellschafter mit dem Abschluß der Vereinbarungen oder - wie im Streitfall - aufgrund eines solchen Vereinbarungen gleichstehenden Gesellschafterbeschlusses wirksam, die Leistung mit der Kapitalzuführung (hier: Erlöschen der Darlehensforderung) bewirkt. Beide Vorgänge vollziehen sich ohne Rücksicht auf eine Eintragung im Handelsregister. Das Gesetz hat im übrigen der Eintragung einer Einlagenerhöhung eine wesentlich geringere Bedeutung beigemessen als der (ursprünglichen) Eintragung der Errichtung einer KG. Die Erhöhung der Haftsumme wird wirksam gegenüber Dritten nicht nur, wenn sie ins Handelsregister eingetragen ist, sondern schon und auch dann, wenn sie in handelsüblicher Weise bekanntgemacht oder in anderer Weise von der Gesellschaft mitgeteilt wird (§ 172 Abs. 2 HGB). Die Gesellschafter sind nicht öffentlich-rechtlich, sondern lediglich aufgrund ihrer Vereinbarungen verpflichtet, die erhöhte Haftsumme auch im Verhältnis zu Dritten wirksam werden zu lassen. Eine Erzwingung der Anmeldung (§ 14 HGB) ist ausdrücklich ausgeschlossen (§ 175 Satz 3 HGB).
c) In dem Zeitpunkt, in dem die Kommanditistin ihre Leistung bewirkt hat, war die Klägerin (noch) keine Kapitalgesellschaft i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972. Nach dieser Vorschrift sind - bei Vorliegen der weiteren Tatbestandsmerkmale - nur solche Leistungen gesellschaftsteuerbar, die von den Gesellschaftern einer inländischen Kapitalgesellschaft bewirkt werden. Welche Gesellschaften Kapitalgesellschaften sind und welche juristischen Personen sowie Personenvereinigungen für das Gebiet des Gesellschaftsteuerrechts als Kapitalgesellschaften gelten, bestimmt § 5 KVStG 1972. Nach Abs. 2 Nr. 3 dieser Vorschrift sind KGen gesellschaftsteuerrechtlich u. a. dann als Kapitalgesellschaften zu behandeln, wenn zu ihren persönlich haftenden Gesellschaftern eine Kapitalgesellschaft gehört. Eine Kapitalgesellschaft i. S. des Gesellschaftsteuerrechts ist die Klägerin nicht schon aufgrund des Gesellschafterbeschlusses über den Eintritt der GmbH als persönlich haftender Gesellschafter in die bestehende KG geworden, sondern erst mit der Eintragung der GmbH in das Handelsregister und ihrer Genehmigung des für sie in Geschäftsführung ohne Auftrag geschlossenen Vertrags. Vor der Eintragung bestand die GmbH als solche nicht (§ 11 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -), konnte deshalb auch vor diesem Zeitpunkt nicht als persönlich haftender Gesellschafter in eine bestehende KG eintreten und diese damit zu einer Kapitalgesellschaft i. S. des Gesellschaftsteuerrechts werden lassen.
2. Die Steuerfestsetzung des FA läßt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Eintritts der GmbH in die KG (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 5 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972) halten. Sie beruht nicht auf einem entsprechenden Sachverhalt. Wie den Erläuterungen in dem angefochtenen Gesellschaftsteuerbescheid zu entnehmen ist, hat das FA "die Erhöhung der Kommanditeinlage ... (§§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG n. F.)" nach Eintritt der GmbH als persönlich haftendem Gesellschafter der Besteuerung unterworfen. Das ist - wie das Finanzgericht in anderem Zusammenhang zutreffend dargestellt hat - ein von dem Eintritt der GmbH verschiedener und unabhängiger gesellschaftsrechtlicher Vorgang, der auch gesellschaftsteuerrechtlich anders zu beurteilen ist. Während beim Eintritt einer Kapitalgesellschaft in eine bereits bestehende KG der Ersterwerb von Gesellschaftsrechten zur Gesellschaftsteuer herangezogen wird und Steuergegenstand ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972; vgl. schon für das alte Recht die BFH-Entscheidung vom 11. November 1969 II 196/65, BFHE 98, 369, BStBl II 1970, 335), unterliegt bei der Erhöhung des Kommanditkapitals einer KG, die gem. § 5 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972 als Kapitalgesellschaft gilt, - mangels eines Erwerbs von neuen Gesellschaftsrechten - die Leistung des Kommanditisten der Gesellschaftsteuer (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972; vgl. zum alten Recht BFH-Entscheidung vom 21. Oktober 1969 II 141/65, BFHE 97, 320, BStBl II 1970, 99). Dementsprechend hätte das FA, wollte es den Ersterwerb von Gesellschaftsrechten durch den Eintritt der GmbH der Gesellschaftsteuer unterwerfen, im Veranlagungsverfahren den diesem (bestimmten) Rechtsvorgang zugrunde liegenden Sachverhalt ermitteln, eine Steuerbefreiung gem. § 29 UmwStG prüfen und die Steuer mit entsprechenden Erläuterungen gegebenenfalls gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 festsetzen müssen. Der angefochtenen Steuerfestsetzung liegt jedoch ein anderer Sachverhalt und ein anderer Rechtsvorgang, nämlich die Erhöhung des Kommanditkapitals zugrunde. Deshalb unterlag nur diese Steuerfestsetzung, nicht aber eine etwaige Gesellschaftsteuerpflicht aufgrund des Eintritts der GmbH in die KG der gerichtlichen Nachprüfung.
Fundstellen
Haufe-Index 72372 |
BStBl II 1977, 616 |
BFHE 1978, 167 |