Vorsicht bei der Auszahlung des Kindergeldes an das Kind

Kindergeld steht in der Regel nicht dem Kind selbst zu, sondern der bzw. den Personen, die aufgrund des Kindes zum Bezug von Kindergeld berechtigt sind. Wird das Kindergeld ausnahmesweise nicht an den Berechtigten, sondern an das Kind ausgezahlt, ist es nicht selten der Fall, dass der Berechtigte bei einer rechtsgrundlosen Zahlung (an das Kind) nicht mit der Rückforderung des Kindergelds belastet werden will.

Beispiel: Zahlungsanweisung an das Kind und anschließender rechtsgrundloser Zahlung

Die Alleinstehende A ist die Mutter des seit August 2015 volljährigen B, welcher nicht in ihrem Haushalt wohnt und für den sie auch keinen Unterhalt leistet. Mit Beginn seiner Ausbildung im September 2015, beantragte B bei der Familienkasse formlos die Auszahlung des Kindergeldes auf sein Konto. Hierfür fügte er ein Begeleitschreiben von Mutter A bei, in dem sie sich einverstanden erklärt, dass das Kindergeld ab sofort an B ausgezahlt werden soll. Da B die Ausbildungsstelle im Juli 2016 vorzeitig beendet hat, hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung auf und fordert nun das zu viel gezahlte Kindergeld für August 2016 von Mutter A zurück. 

Wer ist Leistungsempfänger?

Wird der Familienkasse (vom Kindergeldberechtigten) eine Zahlungsanweisung erteilt, ist das ohne Rechtsgrund gezahlte Kindergeld vom Kindergeldberechtigten zurückzufordern (BFH, Beschluss v. 28.1.2010, III B 112/08). Als Leistungsempfänger i. S. des § 37 Abs. 2 AO ist grundsätzlich derjenige anzusehen, dem gegenüber die Finanzbehörde oder Familienkasse ihre - vermeintlich oder tatsächlich bestehende - abgabenrechtliche Verpflichtung erfüllen will. Da der durch die Anweisung begünstigte Zahlungsempfänger den Zahlungsanspruch nicht aus eigenem Recht geltend machen kann und die Leistung mit dem Willen erbracht wird, eine Forderung gegenüber dem tatsächlichen Rechtsinhaber mit befreiender Wirkung zu erfüllen, ist nicht der Empfänger der Zahlung, sondern der nach materiellem Steuerrecht Erstattungs- bzw. Vergütungsberechtigte (Kindergeld) als Leistungsempfänger i. S. des § 37 Abs. 2 AO anzusehen. 

Praxis-Tipp: Abzweigung nach § 74 Abs. 1 EStG

Anders würde hier der Fall liegen, wenn das Kindergeld förmlich abgezweigt worden wäre. Das für ein Kind festgesetzte Kindergeld kann an das (volljährige) Kind ausgezahlt (abgezweigt) werden, wenn der Kindergeldberechtigte ihm gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt (§ 74 Abs. 1 Satz 1 EStG). Hintergrund ist, dass es sich beim Kindergeld um eine Leistung handelt, die den Kindern zugute kommen soll. Die Abzweigung ist schriftlich (vom Kind) geltend zu machen (Antrag auf Auszahlung des anteiligen Kindergeldes für über 18 Jahre alte Kinder, KG11e). Bei einer rückwirkenden Korrektur der Kindergeldfestsetzung ist dann der Abzweigungsempfänger gemäß § 37 Abs. 2 AO zur Erstattung der zu Unrecht erhaltenen Zahlungen verpflichtet (BFH, Urteil v. 24.8.2001, VI R 83/99). Der Kindergeldberechtigte bleibt zwar Inhaber des Anspruchs, aber nicht Leistungsempfänger.

Mit der Entscheidung über die Abzweigung - einem Verwaltungsakt - stellt die Familienkasse fest, dass sich der Kindergeldberechtigte die abgezweigte Leistung als Erfüllung seines weiter bestehenden Kindergeldanspruchs zurechnen lassen muss und dass der Abzweigungsempfänger die Leistung gleichzeitig mit Erfüllungswirkung des ihm aufgrund der Abzweigung zustehenden Anspruchs auf Auszahlung in Empfang nehmen darf. Die Familienkasse erfüllt mit der Auszahlung an den Abzweigungsempfänger zwar zugleich den Kindergeldanspruch des Kindergeldberechtigten. Sie zahlt den abgezweigten Betrag an den Abzweigungsempfänger aber nicht wie an einen Angewiesenen oder einen Boten für einen anderen, sondern unmittelbar für den Abzweigungsempfänger. Durch die Zahlung wird nicht der Kindergeldberechtigte, sondern der Abzweigungsempfänger wirtschaftlich bereichert. Es ist deshalb gerechtfertigt, von ihm die Rückzahlung des abgezweigten Betrages zu fordern, wenn die Zahlung ohne Rechtsgrund erfolgt. 

Erneuter Antrag auf Kindergeld

Wird die Kindergeldfestsetzung aufgehoben, wird die verfügte Abzweigung gegenstandslos bzw. wirkungslos, ohne dass es insoweit eines weiteren aufhebenden Verwaltungsakts bedarf. Bei einem erneuten Antrag auf Kindergeld gilt es dann darauf zu achten, dass ggf. auch die Abzweigung neu beantragt werden muss, wenn das Kindergeld weiterhin an das Kind ausgezahlt werden soll.

Hierzu hat der BFH kürzlich entschieden (Urteil v. 10.3.2016, III R 29/15), dass die Familienkasse nicht verpflichtet ist, die Beteiligten auf die Möglichkeit eines erneuten Abzweigungsantrags hinzuweisen. Ihr muss sich auf Grund des früher gestellten Abzweigungsantrags nicht aufdrängen, dass eine Abzweigung auch mit dem neuen Kindergeldantrag beantragt werden soll. Dies gilt insbesondere dann, wenn aus dem Antrag nicht hervorgeht, dass der Kindergeldberechtigte seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht auch im Zeitpunkt der erneuten Antragstellung ganz oder teilweise nicht nachgekommen ist. Ohne einen wenn auch nur formlos gestellten Abzweigungsantrag und Darlegung der für eine Abzweigung maßgeblichen Umstände erhält die Familienkasse keine Kenntnis von dem für eine Abzweigung entscheidungserheblichen Sachverhalt.

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Schlagworte zum Thema:  Kind, Kindergeld, Abgabenordnung