Abfärbewirkung bei Beteiligung an Mitunternehmerschaft

Die Beteiligung einer vermögensverwaltenden GbR an einer gewerblichen Mitunternehmerschaft kann auch dann zu einer sog. Aufwärtsabfärbung führen, wenn die Beteiligung geringfügig ist und aus ihr lediglich verrechenbare Verlustanteile i.S.v. § 15a EStG resultieren.

Als Gewerbebetrieb gilt in vollem Umfang die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer OHG, einer KG oder einer anderen Personengesellschaft, wenn die Gesellschaft

  • auch eine originär gewerbliche Tätigkeit i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausübt (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alt. 1 EStG – sog. Seitwärtsabfärbung) oder
  • gewerbliche Beteiligungseinkünfte i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bezieht (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alt. 2 EStG – sog. Aufwärtsabfärbung).

Dies gilt unabhängig davon, ob aus der originär gewerblichen Tätigkeit i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ein Gewinn oder Verlust erzielt wird oder ob die gewerblichen Beteiligungseinkünfte i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG positiv oder negativ sind (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 EStG).

Fiktion gewerblicher Einkünfte

Die Vorschrift des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG führt zu einer Fiktion gewerblicher Einkünfte. Dass die gesamten Einkünfte einer Personengesellschaft als Einkünfte aus Gewerbebetrieb gelten, wenn die Gesellschaft auch nur teilweise eine gewerbliche Tätigkeit ausübt (sog. Abfärberegelung), ist verfassungsgemäß (BVerfG, Beschluss v. 15.1.2008, 1 BvL 2/04). Nicht nur positive Einkünfte, auch Verluste können abfärben.

Seitwärtsabfärbung: Geringfügigkeitsgrenze

Die Seitwärtsabfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alt. 1 EStG setzt voraus, dass die Personengesellschaft eine originär gewerbliche Tätigkeit i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG (mit Gewinnerzielungsabsicht) ausübt. Darüber hinaus muss sie zumindest eine weitere Tätigkeit ausüben, die isoliert betrachtet den Tatbestand einer anderen (nichtgewerblichen) Einkunftsart erfüllt. Beide Tätigkeiten müssen trennbar sein.

Im Fall der sog. Seitwärtsabfärbung, wonach jede originär gewerbliche Tätigkeit umqualifizierende Wirkung hat, unabhängig davon, ob aus dieser Tätigkeit ein Gewinn oder Verlust erzielt wird, gibt es allerdings eine Geringfügigkeitsgrenze, bei deren Unterschreiten die gewerbliche Infektion nicht ausgelöst wird. Von derart untergeordneter Bedeutung ist eine originär gewerbliche Tätigkeit dann, wenn die

  • Nettoumsatzerlöse aus der gewerblichen Tätigkeit 3 % der Gesamtnettoumsatzerlöse der Gesellschaft – relative Grenze – und
  • insgesamt den gewerbesteuerlichen Freibetrag für Personengesellschaften nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG in Höhe von 24.500 EUR – absolute Grenze – nicht übersteigen (z.B. BFH, Urteil vom 27.8.2014, VIII R 16/11; Urteil v. 30.6.2022, IV R 42/19, Verfassungsbeschwerde eingelegt, Az beim BVerfG 2 BvR 2113/22).  

Aufwärtsabfärbung: keine Geringfügigkeitsgrenze

Die Aufwärtsabfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alt. 2 EStG setzt allein den Bezug gewerblicher Beteiligungseinkünfte durch eine Personengesellschaft voraus. Dies betrifft die Beteiligung einer vermögensverwaltenden Oberpersonengesellschaft an einer gewerblichen Unterpersonengesellschaft.

Für Fälle der Aufwärtsabfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alt. 2 EStG, d.h. für gewerbliche Beteiligungseinkünfte, gibt es keine Geringfügigkeitsgrenze. Der BFH hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass einkommensteuerrechtlich gewerbliche Beteiligungseinkünfte unabhängig von ihrem Umfang immer zur Umqualifizierung nichtgewerblicher Einkünfte führen (BFH, Urteil v. 6.6.2019, IV R 30/16; Urteil v. 5.9.2023, IV R 24/20). Bereits die geringfügige Beteiligung einer nichtgewerblichen Personengesellschaft an einer Mitunternehmerschaft infiziert danach die Personengesellschaft gewerblich, führt aber nach Ansicht des BFH nicht dazu, dass diese der Gewerbesteuer unterliegt.

Der BFH hat der Unverhältnismäßigkeit der Abfärbewirkung in Fällen von Beteiligungseinkünften in gewerbesteuerrechtlicher Sicht dadurch Rechnung getragen, dass er § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG verfassungskonform auslegt und die Abfärbewirkung von Beteiligungen an gewerblichen Mitunternehmerschaften für die Gewerbesteuer ausschließt. Die Finanzverwaltung hat die Rechtsprechung insoweit mit einem Nichtanwendungserlass belegt (BMF, Schreiben v. 1.10.2020, BStBl 2020 I S. 1032).

Bestätigung der BFH-Rechtsprechung

In einer neuen Entscheidung hat der BFH diese Rechtsprechung bestätigt (BFH, Urteil v. 11.7.2024, IV R 18/22). Er hat entschieden, dass § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alt. 2 und Satz 2 Alt. 2 EStG in einkommensteuerrechtlicher Hinsicht auch ohne Berücksichtigung einer Geringfügigkeitsgrenze, bis zu deren Erreichen die gewerblichen Beteiligungseinkünfte nicht auf die übrigen Einkünfte abfärben, verfassungsgemäß sind. Für den Eintritt einer Aufwärtsabfärbung gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alt. 2, Satz 2 Alt. 2 EStG kommt es nur auf den Bezug gewerblicher Beteiligungseinkünfte, nicht aber auf deren Höhe an. Die Bagatellgrenze gilt nur für Zwecke der Einkommensteuer, nicht für die Gewerbesteuer.

Bestätigt hat der BFH die Aufwärtsabfärbung auch für den Fall, dass aus der Beteiligung an der Mitunternehmerschaft Verlustanteile resultieren, und dazu klargestellt, dass dies auch dann gilt, wenn es sich um verrechenbare Verluste i.S.v. § 15a EStG handelt.

Es bleibt abzuwarten, wie die Finanzverwaltung auf die Bestätigung der Rechtsprechung reagieren wird.

Tipp: Weitere Revision anhängig

Beim VIII. Senat des BFH ist eine Revision anhängig, bei der es um die Frage geht, ob geringfügige gewerbliche Beteiligungseinkünfte einer Freiberufler-Personengesellschaft dazu führen, dass die Gesellschaft insgesamt Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt und auch der Gewerbesteuer unterliegt (Az beim BFH VIII R 1/22). Die Vorinstanz hat dies verneint (FG Hamburg, Urteil v. 25.2.2021, 3 K 139/20).