Praxis-Tipp: Arbeitstägliche Fahrten zu einem Sammelpunkt

Das FG Nürnberg hatte sich als erstes Gericht mit dem Arbeitgeber-Sammelpunkt beschäftigt. Zwischenzeitlich hatten sich auch das Sächsische FG und das Niedersächsische FG mit einer bislang offenen Frage zu diesem Themenbereich auseinandergesetzt. Aktuelle Entscheidungen liegen nun vom FG Thüringen vor.

Sammelpunkt

Bestimmt der Arbeitgeber durch arbeits-/dienstrechtliche Festlegung, dass der Arbeitnehmer sich typischerweise arbeitstäglich an einem dauerhaft festgelegten Ort, der das Kriterium für eine erste Tätigkeitsstätte nicht erfüllt, einfinden soll, um von dort seine unterschiedlichen eigentlichen Einsatzorte aufzusuchen oder dort die Arbeit aufzunehmen, werden die Fahrten des Arbeitnehmers von der Wohnung zu diesem vom Arbeitgeber festgelegten Ort wie Fahrten zu einer ersten Tätigkeitsstätte behandelt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG).

Entscheidungen des FG Nürnberg

Mit Urteil vom 13.5.2016 (4 K 1536/15, Haufe Index 9535372) hat das FG Nürnberg hierzu entschieden, dass ein Lkw-Fahrer, welcher den Firmensitz jeden Tag aufsuchen muss, um den leeren LKW von seinem Standort am Betrieb abzuholen, um von dort seine berufliche Tätigkeit auszuüben, nur die Entfernungspauschale geltend machen kann. Auch hat das FG Nürnberg entschieden (Urteil v. 8.7.2016, 4 K 1836/15, Haufe Index 9712390), dass es für die Annahme eines Sammelpunkts nicht ausreicht, wenn die betriebliche Einrichtung nur einmal pro Woche aufgesucht werden muss (im Urteilsfall hat ein Vorarbeiter 4 Tage die Woche die Baustelle von der Wohnung aus aufgesucht; siehe auch Praxis-Tipp v. 27.10.2016).

Typischerweise arbeitstäglich

Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, wie die Beurteilung bei zwei-, drei- oder viermaligem Aufsuchen des Betriebs pro Woche ausfällt. Hierfür ist von entscheidender Bedeutung wie die Formulierung „typischerweise arbeitstäglich“ auszulegen ist. Nach Auffassung der Finanzverwaltung bedeutet typischerweise arbeitstäglich, dass der Arbeitnehmer aufgrund der Festlegungen des Arbeitgebers regelmäßig in derselben Art und Weise handelt. Für die Aufnahme der beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers sei es somit charakteristisch, dass er arbeitstäglich denselben Ort/dasselbe Tätigkeitsgebiet aufzusuchen hat. Es handele sich hierbei um die Beurteilung des Grund-/Normalfalls (Prognoseentscheidung). Üblicherweise sei der vom Arbeitgeber bestimmte Ort/das vom Arbeitgeber bestimmte Gebiet anzufahren. Vorübergehende beruflich veranlasste Auswärtstätigkeiten an anderen Orten sowie Urlaubs- bzw. Krankheitstage sollen Ausnahmefälle darstellen. Es handele sich trotzdem um ein typischerweise arbeitstägliches Anfahren desselben Ortes/desselben Gebiets, solange eine gewisse Regelmäßigkeit erkennbar sei.

Sächsisches FG entscheidet über 123 Fahrten, Niedersächsisches FG über 114 Tage zum Arbeitgeber

Im Rahmen einer neuen Entscheidung des Sächsischen FG (Urteil v. 14.3.2017, 8 K 1870/16) fuhr der Kläger (Heizungsinstallateur) an 123 Tagen mit dem eigenen Pkw zu einer Einrichtung seines Arbeitgebers, wo er ein Fahrzeug bestieg, das ihn zu seinen verschiedenen Einsatzorten brachte. Teilweise übernachtete er am Tätigkeitsort, sodass er an insgesamt 85 Tagen länger als 24 Stunden seinem Wohnort fernblieb. Der Kläger war der Auffassung, dass für die Annahme eines Sammelpunktes ein Arbeitnehmer arbeitsrechtlich verpflichtet sein müsse, zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit typischerweise arbeitstäglich denselben Ort aufzusuchen. Da seine Tätigkeit aber durch mehrtägige Reisen geprägt sei, könne kein Sammelpunkt angenommen werden.

Nach Auffassung des FG ist aber nur die Entfernungspauschale zu berücksichtigen. Aufgrund einer Absprache mit dem Arbeitgeber sei der Sammelpunkt im ganzen Kalenderjahr und damit mit hinreichender Dauer angefahren worden. Zudem habe der Kläger den Sammelpunkt auch typischerweise arbeitstäglich aufgesucht. Das FG hält es für richtig, eine typischerweise arbeitstägliche Anfahrt zu einem Sammelpunkt anzunehmen, wenn zwar die Anfahrt nicht an jedem Arbeitstag stattfindet, jedoch immer dann, wenn der Arbeitnehmer von seinem Wohnort aufbricht, um seine Arbeit binnen eines Tages oder längerwährend auf einer Baustelle zu verrichten. Dass § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG die Anfahrt an tatsächlich 5 Tagen pro Arbeitswoche nicht verlangt, entnimmt das FG dem Wortlaut der Vorschrift, der den Begriff "arbeitstäglich" durch das Beiwort "typischerweise" relativiert. Durch "typischerweise arbeitstäglich" werde klargestellt, dass die vorgesehene Regelung lediglich für die Berufsgruppen gilt, die im Normalfall arbeitstäglich z.B. an einem vom Arbeitgeber festgelegten Ort ein Fahrzeug in Empfang nehmen oder dort im Rahmen der Sammelbeförderung abgeholt werden.

Anders sieht dies aktuell das Niedersächsische FG (Urteil v. 15.6.2017, 10 K 139/16, rechtskräftig). Hier war ein Lkw-Fahrer an 178 Tagen auf mehrtägigen und an 64 Tagen auf eintägigen Fahrten unterwegs. Insgesamt hat er an 114 Tagen den Betrieb seines Arbeitgebers mit seinem eigenen Pkw aufgesucht, um dort den Lkw zu übernehmen. Das FG urteilte, dass bedingt durch die regelmäßige - und nicht etwa nur im Ausnahmefall - stattfindende mehrtägige Fahrtätigkeit, bei der keine arbeitstägliche Hin- und Rückfahrt stattfindet, der Kläger tatsächlich und entsprechend den Vorgaben des Arbeitgebers nur etwa jeden zweiten oder dritten Tag den Firmensitz des Arbeitgebers und damit gerade nicht typischerweise arbeitstäglich aufgesucht hat. Darauf, ob der Steuerpflichtige sich wie ein Arbeitnehmer mit erster Tätigkeitsstätte auf die Fahrten zum Firmensitz einstellen kann, komme es nach der gesetzlichen Regelung nicht an. Die vom Finanzamt vorgenommene Auslegung des Begriffs „typischerweise arbeitstäglich“ mit „regelmäßig oder üblicherweise“ scheide aufgrund des klaren Wortlauts aus.

Aktualisierung

Zwischenzeitlich wurde die Hauptsache für erledigt erklärt (BFH, Beschluss v. 7.11.2017, VI R 33/17). Die Entscheidung des FG Sachsen v. 14.3.2017 (Az. 8 K 1870/16) ist daher rechtskräftig.

FG Thüringen entscheidet über 145 und 177 Fahrten zum Arbeitgeber

Es hat aber nicht lange auf sich warten lassen, bis sich ein weiteres Finanzgericht mit der hier dargestellten Problematik auseinandergesetzt hat.

Im Verfahren 1 K 594/16, Urteil vom 5.12.2018 beim FG Thüringen fuhr der Kläger (Baumaschinist) an 145 Tagen mit dem eigenen Fahrzeug zum Arbeitgeber. Zu den jeweiligen Arbeitsorten/Baustellen/Einsatzstellen gelangte er mit einem Sammelfahrzeug seines Arbeitgebers. An 31 Tagen hat seine Abwesenheit mehr als 24 Stunden Abwesenheit von seiner Wohnung betragen. Der Kläger führte u. a. aus, dass das Wort "typischerweise" als alltäglich, üblich, üblicherweise, gewöhnlich, in der Regel, als normal bzw. normalerweise auszulegen sei. Er sei auf Nahbaustellen und auch auf Fernbaustellen (mit Übernachtung am Tätigkeitsort) eingesetzt gewesen. Da sein Arbeitgeber auch Fernbaustellen betreibe, habe er sich auf den Umstand einstellen müssen. Diesbezüglich sei er an 18 % seiner Arbeitstage nicht zum Betriebssitz gefahren, was man nicht mehr als geringfügig betrachten könne.

Das FG urteilte aber, dass für die 145 Tage nur die Entfernungspauschale zu gewähren sei. Nach Ansicht des FG habe der Gesetzgeber durch das Wort „typischerweise“ zum Ausdruck bringen wollen, dass die Entfernungspauschale auch für solche Fälle gelten soll, in den der Arbeitnehmer gerade nicht „arbeitstäglich“ von seinem Wohnort aus den Sammelpunkt aufsucht. Das FG gibt aber zu verstehen, dass der Arbeitnehmer, der über viele Tage beruflich bedingt abwesend ist, zumindest rechnerisch den Großteil einer Woche den Sammelpunkt aufgesucht haben muss. Diese Voraussetzung sei hier erfüllt, weil der Kläger bei einem Verhältnis der Fahrten Wohnung - Sammelplatz zu den Gesamtarbeitstagen in Höhe von 82 %, den ihm von seinem Arbeitgeber bestimmten Ort „typsicherweise arbeitstäglich“ aufgesucht hat.

Zum gleichen Ergebnis kam das FG Thüringen auch im Urteil v. 28.2.2019 (Az. 1 K 498/17) (das Verfahren ruhte zunächst wegen dem noch damals anhängigen Revisionsverfahren VI R 33/17). Hier wurde der Arbeitssitz des Arbeitgebers an 177 Tagen aufgesucht (Kläger Elektroinstallateur), um von dort aus mit einem Firmenfahrzeug zu der auswärtigen Baustelle zu fahren. An weiteren 25 Tagen ist der Kläger mit seinem privaten PKW direkt zu der Baustelle gefahren. Der Kläger war der Ansicht, dass die Sammelpunktregelung nicht eingreife, wenn ein Arbeitnehmer an einzelnen Tagen nicht den Betrieb des Arbeitgebers aufgesucht, sondern direkt von seiner Wohnung aus die jeweilige Baustelle angefahren habe. In diesem Zusammengang kam hinzu, dass es wohl keine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer gab, wonach der Kläger arbeitstäglich zunächst den Firmensitz aufzusuchen hatte.

Darauf kann es aber nach Auffassung des FG auch nicht ankommen (vgl. aber gegenteilige Auffassung der Finanzverwaltung laut BMF, Schreiben v. 24.10.2014, BStBl. 2014 I S. 1412, Rz. 37). Vielmehr sei auch hier entscheidend, dass der Kläger den Betriebssitz seines Arbeitgebers zu einem ganz überwiegenden Teil seiner Arbeitstage angefahren hat, um seine Arbeit zu Beginnen (88 %).

Revisionsverfahren

Gegen beide Entscheidungen laufen Revisionsverfahren vor dem BFH. Daher können vergleichbare Fälle weiterhin offen gehalten werden, bis der BFH entschieden hat (Az: VI R 6/19 und VI R 14/19).