Grunderwerbsteuer Einheitliches Vertragswerk

Entscheidet man sich für den Erwerb einer bestimmten Immobilie, hat man als Erwerber zwar keinen Einfluss auf die Höhe des Steuersatzes. Dennoch gilt es, Steuerfallen zu vermeiden. Nachfolgend werden einige in der Praxis wichtige Punkte dargestellt, die zu beachten sind.

Die Bundesländer erhielten ab 2006 das Recht, ihren Steuersatz bei der Grunderwerbsteuer selbst zu bestimmen. Nahezu alle Länder haben seitdem den ursprünglich bei 3,5 % liegenden Grunderwerbsteuersatz erhöht. Daraus ergeben sich je nach Bundesland zum Teil sehr unterschiedliche Steuersätze für den Erwerb von Grundstücken.

Grunderwerbsteuersätze der Bundesländer 2020

Bundesland

Satz

Gültig seit

Baden-Württemberg

5,0 %

05.11.2011

Bayern

3,5 %

1998

Berlin

6,0 %

01.01.2014

Brandenburg

6,5 %

01.07.2015

Bremen

5,0 %

01.01.2014

Hamburg

4,5 %

01.01.2009

Hessen

6,0 %

01.08.2014

Mecklenburg-Vorpommern

6,0 %

01.07.2019

Niedersachsen

5,0 %

01.01.2014

Nordrhein-Westfalen

6,5 %

01.01.2015

Rheinland-Pfalz

5,0 %

01.03.2012

Saarland

6,5 %

01.01.2015

Sachsen

3,5 %

1998

Sachsen-Anhalt

5,0 %

01.03.2012

Schleswig-Holstein

6,5 %

01.01.2014

Thüringen

6,5 %

01.01.2017

Entscheidet man sich für den Erwerb einer bestimmten Immobilie, hat man als Erwerber zwar keinen Einfluss auf die Höhe des Steuersatzes. Dennoch gilt es, Steuerfallen zu vermeiden. Nachfolgend werden einige in der Praxis wichtige Punkte dargestellt, die zu beachten sind.

"Einheitliches Vertragswerk" und "Einheitlicher Erwerbsgegenstand"

Der Gegenstand des grunderwerbsteuerlichen Erwerbsvorgangs wird regelmäßig durch das den Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllende zivilrechtliche Verpflichtungsgeschäft bestimmt. Es ist dabei maßgebend, in welchem tatsächlichen Zustand das Grundstück nach dem Willen der Vertragsparteien erworben werden soll (Gegenstand des Erwerbsvorgangs). Ist Gegenstand des Erwerbsvorgangs das Grundstück in (zukünftig) bebautem Zustand, werden in diesem Zusammenhang die Begriffe "einheitliches Vertragswerk" und "einheitlicher Erwerbsgegenstand" verwendet.

Ob Gegenstand des Erwerbsvorgangs das Grundstück in unbebautem oder (zukünftig) bebautem Zustand ist, richtet sich nach den Vereinbarungen der Parteien. Haben diese das bebaute Grundstück zum Vertragsgegenstand gemacht, ist dieser Zustand der Besteuerung zugrunde zu legen, selbst wenn das Grundstück im Zeitpunkt des Abschlusses des Verpflichtungsgeschäfts noch unbebaut ist.

Die Frage, in welchem Zustand ein Grundstück Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist, stellt sich, wenn getrennte Verträge über den Erwerb des Grundstücks und über Bauleistungen abgeschlossen werden.

Solche Verträge können zivilrechtlich verknüpft (rechtlicher Zusammenhang) oder nach den besonderen grunderwerbsteuerrechtlichen Grundsätzen als Einheit zu behandeln sein (objektiv enger sachlicher Zusammenhang).

Rechtlicher Zusammenhang

Treffen die Parteien selbständige Vereinbarungen über die Verpflichtung zur Grundstücksübertragung und über die Erbringung von Bauleistungen, ist für die Beurteilung entscheidend, ob sich aus den Gesamtumständen der Wille der Vertragsparteien ergibt, dass Gegenstand des Erwerbsvorgangs das bebaute Grundstück sein soll. Indizien für einen dahingehenden Willen der Vertragsparteien sind beispielsweise

  • die Verknüpfung im Vertragstext,
  • die Zusammenfassung der Vereinbarungen in einer Urkunde oder
  • ein Gesamtpreis.

In einem solchen Fall ist Gegenstand des Erwerbsvorgangs das bebaute Grundstück (vgl. BFH Urteil vom 13.04.1983 - II R 53/81).

Liegen zwei oder mehrere Verträge vor, sind sie als Einheit zu werten, wenn sie ausdrücklich voneinander abhängig sind. Dies gilt auch ohne ausdrückliche Bestandsverknüpfung, wenn sie nach dem Willen der Parteien derart voneinander abhängig sind, dass sie miteinander "stehen und fallen" sollen. Ob dies der Fall ist, ist unter Berücksichtigung der Interessenslage der Vertragsparteien, ihrem Verhalten vor und bei Vertragsabschluss und dem tatsächlichen Geschehensablauf zu ermitteln (BFH Urteile vom 13.08.2003 - II R 52/01 und vom 21.09.2005 - II R 49/04.

Objektiv enger sachlicher Zusammenhang

Ein objektiv sachlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und weiteren zur Annahme eines einheitlichen Erwerbsgegenstands führenden Vereinbarungen liegt u. a. vor, wenn der Erwerber beim Abschluss des Grundstückskaufvertrags gegenüber der Veräußererseite in seiner Entscheidung über das „Ob“ und „Wie“ der Baumaßnahme nicht mehr frei war und deshalb feststand, dass er das Grundstück nur in einem bestimmten (bebauten) Zustand erhalten werde. Dies kann sich aus einer bestimmten zeitlichen Abfolge der Verträge oder aus einem faktischen Zwang ergeben(vgl. BFH Urteil vom 30.08.2017 - II R 48/15, BStBl 2018 II S. 24. m. w. N.).

Vorbereiteter Geschehensablauf

Ferner kann ein objektiv enger sachlicher Zusammenhang vorliegen, wenn ein vorbereiteter Geschehensablauf hingenommen wird. Ein vorbereiteter Geschehensablauf ist anzunehmen, wenn der Grundstücksveräußerer dem Interessenten aufgrund einer konkreten und annähernd bis zur Baureife gediehenen Vorplanung bestimmte Bauleistungen auf einem bestimmten Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis anbietet und der Interessent dieses Angebot nur als einheitliches annehmen oder ablehnen kann. Für diese Beurteilung ist unerheblich, ob die Vorplanung inhaltlich maßgebend von der Erwerberseite mit beeinflusst oder gar veranlasst worden ist (vgl. BFH Urteil vom 21.09.2005 - II R 49/04) oder das Angebot mit geringen Abweichungen angenommen wird (vgl. BFH Urteil vom 03.03.2015 - II R 9/14).

Mehrere Personen als Vertragspartner auf Veräußererseite

Auf der Veräußererseite können auch mehrere Personen als Vertragspartner auftreten, so dass sich die Ansprüche des Erwerbers auf Übereignung des Grundstücks und auf Errichtung des Gebäudes zivilrechtlich gegen verschiedene Personen richten. Entscheidend ist insoweit, dass (auch) der den Grundstücksübereignungsanspruch begründende Vertrag in ein Vertragsgeflecht mit einbezogen ist, das unter Berücksichtigung aller Umstände darauf gerichtet ist, dem Erwerber als einheitlichen Erwerbsgegenstand das Grundstück in bebautem Zustand zu verschaffen. Dies ist regelmäßig anzunehmen, wenn die auf der Veräußererseite auftretenden Personen personell, wirtschaftlich oder gesellschaftsrechtlich eng verbunden sind oder aufgrund von (nicht notwendigerweise vertraglichen) Abreden auf den Abschluss sowohl des Grundstückskaufvertrags als auch der Verträge, die der Bebauung des Grundstücks dienen, hinwirken (vgl. BFH Urteil vom 08.03.2017 - II R 38/14,).

Anhaltspunkte für Abreden der Veräußererseite

Anhaltspunkte für Abreden der Veräußererseite können z. B. ein gemeinsamer Vermarktungsprospekt oder ein gemeinsamer Internetauftritt des Grundstücksveräußerers und des Bauunternehmens bzw. der für sie handelnden Personen sein. Eine Abrede kann auch anzunehmen sein, wenn der Grundstücksveräußerer dem Erwerber Bauunternehmen benennt, die bereits Interesse an der Bebauung des zu veräußernden Grundstücks oder bei einem größeren Baugebiet der zu veräußernden Grundstücke bekundet haben und/oder den baurechtlichen Vorschriften entsprechende Haustypen für das Grundstück anbieten können. Nicht ausreichend ist insoweit der allgemeine Hinweis auf in der näheren Umgebung tätige Bauunternehmen, die noch nicht mit der möglichen Bebauung der zur Veräußerung bestimmten Grundstücke befasst waren (vgl. BFH Urteil vom 06.07.2016 - II R 5/15).

Beweislast trägt das Finanzamt

Die Feststellungslast (objektive Beweislast) für die Tatsachen, die die Einbeziehung der Bauerrichtungskosten in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer rechtfertigen, trägt das Finanzamt.

Beispiel: Einheitlicher Vertrag

Die Klägerin verkaufte eine Grundstücksteilfläche an ein Ehepaar (Erwerber). Dieses sollte im Innenverhältnis die Grunderwerbsteuer tragen und außerdem die Maklercourtage an eine GmbH zahlen, die die Klägerin mit der Vermittlung des Kaufvertrags beauftragt hatte. Bereits zwei Tage vor dem Kaufvertrag hatten die Erwerber mit einer Baufirma einen schriftlichen Bauvertrag über die Errichtung eines Einfamilienhauses geschlossen. Das zu bebauende Grundstück sollte "vom Bauherrn benannt" werden.

Das Finanzamt nahm an, das erworbene Grundstück sei in bebautem Zustand Gegenstand des Erwerbsvorgangs gewesen, und setzte demgemäß gegen die Erwerber ausgehend von einer Bemessungsgrundlage, die jeweils den anteiligen Kaufpreis für das Grundstück und die anteiligen Baukosten umfasste, Grunderwerbsteuer fest. Die Erwerber zahlten hierauf lediglich den Teilbetrag, der auf den Grundstückskaufpreis entfiel.

Nachdem das Finanzamt festgestellt hatte, dass eine Beitreibung der noch verbleibenden Steuer bei den Erwerbern keine Aussicht auf Erfolg versprach, setzte es gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer in der gegen die Erwerber festgesetzten Höhe, abzüglich des gezahlten Teilbetrags fest.

Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, das Grundstück sei in bebautem Zustand Gegenstand des Erwerbsvorgangs gewesen. Die Veräußererseite sei zur Errichtung des Einfamilienhauses verpflichtet gewesen. Die Baufirma habe zur Veräußererseite gehört. Die Klägerin, die Maklerfirmen und die Baufirma hätten aufgrund von Absprachen bei der Veräußerung zusammengearbeitet und auf den Abschluss sowohl des Grundstückskaufvertrags als auch des Bauvertrags hingewirkt. Das Finanzamt habe die Klägerin auch ermessensfehlerfrei als Gesamtschuldnerin der gesamten noch nicht entrichteten Grunderwerbsteuer in Anspruch genommen.

Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht des BFH hat das FG zutreffend angenommen, dass die Grunderwerbsteuerbescheide rechtmäßig sind. Das Finanzamt habe die Baukosten für das Haus der Erwerber zu Recht in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einbezogen. Das von den Erwerbern gekaufte Grundstück sei als einheitlicher Erwerbsgegenstand in bebautem Zustand Gegenstand des Erwerbsvorgangs gewesen (BFH Urteil vom 30.08.2017 - II R 48/15).

Wichtig: Inanspruchnahme des Veräußerers

Die v. g. Entscheidung des BFH ist in zweierlei Hinsicht von Bedeutung. Zum einen hat der BFH erneut seine Rechtsprechung zum sog. einheitlichen Erwerbsvorgang bestätigt. Zum anderen hat er sich mit der Frage befasst, ob in Fällen des einheitlichen Erwerbsvorgangs auch der Veräußerer für die höhere Grunderwerbsteuer in Anspruch genommen werden kann. Führt man sich den Sachverhalt vor Augen, so wird die Klägerin (Veräußerin) auch für die Grunderwerbsteuer auf die Bauerrichtungskosten in Anspruch genommen, obwohl sie lediglich ein unbebautes Grundstück veräußert hat.

Tipp: Nur als unbebautes Grundstück anbieten

Wer sicher gehen möchte, nicht als Gesamtschuldner vom Finanzamt auch für die Grunderwerbsteuer auf die Bauerrichtungskosten in Anspruch genommen zu werden, darf sein Grundstück nicht einem Dritten zur freien Vermarktung "an die Hand geben". Das Handeln des Dritten wird dem Veräußerer zugerechnet. Gibt dieser nämlich das Grundstück seinerseits einer Baufirma zur Vermarktung an die Hand, handeln auf Seiten der Veräußerer alle zusammen, um beim Erwerber letztlich ein bebautes Grundstück ankommen zu lassen. Gegenstand des Erwerbs ist dann das bebaute Grundstück. Vermeiden kann man dies nur, wenn man sein Grundstück – auch über Dritte – als unbebautes Grundstück anbietet (vgl. Loose, jurisPR-SteuerR 1/2018 Anm. 5).

Gestaltungsüberlegungen

Die jahrzehntelange Rechtsprechung des BFH zum einheitlichen Erwerbsgegenstand ist gefestigt und wird von der Finanzverwaltung uneingeschränkt angewandt, denn sie führt bei den Ländern zu nicht unerheblichen Steuermehreinnahmen. Die obersten Finanzbehörden der Länder haben die höchstrichterlichen Rechtsprechungsgrundsätze in einem gleichlautenden Ländererlass zusammengestellt und die Finanzämter angewiesen, wie sie in diesen Fällen materiell-rechtlich und verfahrensrechtlich entscheiden sollen (Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 20.09.2017).

Zur Vermeidung "unangenehmer Überraschungen" durch steuerliche Mehrbelastungen sollte in den in Rede stehenden Fällen insbesondere auf Folgendes geachtet werden:

  • Es sollten getrennte Verträge für den Erwerb eines Bauplatzes und der nachfolgenden Herstellung des Gebäudes abgeschlossen und damit einhergehend getrennte Preise vereinbart werden (inhaltliche Trennung).
  • Diese getrennten Verträge dürfen nicht derart voneinander abhängig sein, dass sie miteinander "stehen und fallen" können. 
  • Zwischen dem Abschluss des Kaufvertrags über das Grundstück und der Angebotsannahme eines Werkvertrags sollte ein längerer Zeitraum liegen. Beispielsweise hat der BFH nach einem Zeitraum von 19 Monaten noch den objektiv engen sachlichen Zusammenhang mit einem Werkvertrag bejaht, weil das Grundstück im Erwerbszeitpunkt vermietet und der Beginn der geplanten Bauarbeiten vom Auszug des Mieters abhängig war (vgl. BFH Urteil vom 28.03.2012 - II R 57/10).
  • Der Erwerber sollte nach dem Grundstückserwerb Werkverträge mit den ausführenden Bauunternehmen und Handwerksbetrieben im eigenen Namen und auf eigene Rechnung schließen.
  • Es sollte geprüft werden, ob enge personelle, wirtschaftliche oder gesellschaftsrechtliche Verbindungen der Personen auf der Veräußererseite bestehen bzw. ob Abreden der handelnden Personen auf der Veräußererseite getroffen wurden.

Kapitel 2: Ermittlung der Gegenleistung

Schlagworte zum Thema:  Grunderwerbsteuer, Immobilien