Erforderlichkeit kein Tatbestandsmerkmal für ein Arbeitszimmer

Aus der Rechtsprechung war bislang nicht klar ersichtlich, ob für ein steuerlich zu berücksichtigendes Arbeitszimmer Voraussetzung ist, dass es nach Art und Umfang für die Tätigkeit erforderlich ist.

Ein Steuerpflichtiger kann gem. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer grundsätzlich nicht als Betriebsausgaben abziehen. Dies gilt aber nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 EUR begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.

Teilweise "Erforderlichkeit" gefordert

Nach dem Wortlaut der Vorschrift kommt es - auch wenn nur für einen ganz geringen Teil der beruflichen Tätigkeiten kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht - auf die Erforderlichkeit einer häuslichen Arbeitszimmers nicht an. Das FG Nürnberg vertritt allerdings die Auffassung (Urteil v. 19.3.2012, 3 K 308/11, Haufe Index 2964871), dass sowohl aus der Entstehungsgeschichte als auch aus dem Sinn und Zweck der geltenden Regelungen zur eingeschränkten Abzugsfähigkeit von Arbeitszimmern zu folgern ist, dass ein Aufwendungsabzug nur dann erfolgen darf, wenn das Arbeitszimmer tatsächlich für die Einkünfteerzielung erforderlich ist.

So hat das FG entschieden, dass ein häusliches Arbeitszimmer für die Verwaltung einer Photovoltaikanlage grundsätzlich nicht erforderlich ist, da die zeitliche Inanspruchnahme des Raumes von untergeordneter Bedeutung ist. Die Überwachung der Abrechnungen nur eines Energie-Abnehmers sowie die Erstellung von einfachen Umsatzsteuervoranmeldungen und Gewinnermittlungen sollen demnach für einen Betriebsausgabenabzug regelmäßig nicht ausreichen. Auch die Finanzverwaltung vertritt diese Auffassung (vgl. z. B. Landesamt für Steuern Niedersachsen, 12.7.2018, Haufe Index 12345236). 

Klarheit durch BFH-Rechtsprechung

Der IX. Senat vom BFH hatte aber mit Urteil vom 8.3.2017 (IX R 52/14, Haufe Index 10865433) entschieden, dass die Veranlassung durch die Einkünfteerzielung auch im Zusammenhang mit einem häuslichen Arbeitszimmer ausreichend für die Abzugsfähigkeit ist. Der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers setze für Zwecke der Abzugsfähigkeit entsprechende Aufwendungen voraus und dass der jeweilige Raum ausschließlich oder nahezu ausschließlich für berufliche bzw. betriebliche Zwecke genutzt wird. Ob das häusliche Arbeitszimmer für die Tätigkeit erforderlich ist, sei wiederum unerheblich. Das Gesetz verwende den Begriff der Erforderlichkeit oder Notwendigkeit nicht. Vielmehr typisiere es mit den beiden Fallgruppen die Erforderlichkeit der beruflichen oder betrieblichen Nutzung des Arbeitszimmers, ohne den Begriff der Erforderlichkeit in Gestalt eines unbestimmten Rechtsbegriffs zu einem Tatbestandsmerkmal zu machen.

Aus einer Entscheidung des VI. Senat des BFH (Urteil v. 15.12.2016, VI R 86/13, Haufe Index 10310344) hätte man den Eindruck gewinnen können, dass hier die Auffassung des IX. Senat nicht geteilt wird. Hier hat der BFH dem FG zur Aufgabe gemacht, zu klären, welche Arbeiten der Kläger in dem als häusliches Arbeitszimmer deklarierten Raum verrichtet hat. Dies sei erforderlich, um beurteilen zu können, ob dort überhaupt eine Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen entfaltet wird und ob der Umfang der im Zimmer ausgeübten beruflichen Tätigkeiten es glaubhaft erscheinen lässt, dass hierfür ein Arbeitszimmer vorgehalten wird (in Bezug auf die o. a. Entscheidung des FG Nürnberg). 

Der VI. Senat (Urteil v. 3.4.2019, VI R 46/17) hat aber nun in einer neuen Entscheidung klar zum Ausdruck gebracht, dass er auch die Auffassung des IX. Senat vertritt. Den in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Sätze 2 und 3 EStG angesprochenen Fallgruppen liegt typisierend die gesetzgeberische Überlegung zugrunde, dass die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in diesen Fällen erforderlich sind. Es spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, ob Arbeiten für die z. B. kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand, am Küchentisch, im Esszimmer oder in einem anderen Raum hätten erledigt werden können. Es ist daher lediglich zu prüfen, ob das Arbeitszimmer (nahezu) ausschließlich zur Einkünfteerzielung verwendet wurde oder aber neben der einkünfterelevanten Nutzung eine schädliche private (Mit-)Nutzung vorlag.

Arbeitszimmer für Photovoltaikanlage könnte abzugsfähig sein, aber…

Nach dieser Auffassung könnten beispielsweise auch Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer im Rahmen der Verwaltung einer Photovoltaikanlage geltend gemacht werden. In diesem Zusammenhang ist aber auf eine Entscheidung des FG Rheinland-Pfalz (Urteil v. 25.1.2018, 6 K 2234/17, Haufe Index 11538373) hinzuweisen, nach der bei einer geringfügigen betrieblichen Nutzung der Betriebsausgabenabzug in der Regel schon dann zu versagen ist, wenn der Raum nur vereinzelt privat genutzt wird.

Zwar kann laut BFH eine nur unwesentliche bzw. untergeordnete private (Mit-)Nutzung (Verhältnis private Tätigkeiten zur steuerrelevanten Nutzung) toleriert werden. Offen ist aber, wo die Grenze zwischen einer nur "unwesentlichen" bzw. "untergeordneten" und einer erheblichen privaten (Mit-)Nutzung liegen soll. Hierzu ist das FG Rheinland-Pfalz der Auffassung, dass es keine allgemeingültige, sondern eine am Umfang der betrieblichen/beruflichen Nutzung orientierte Wesentlichkeitsgrenze gibt, sodass bei einer nur geringfügigen betrieblichen Nutzung dementsprechend schon eine vereinzelte Privatnutzung schädlich ist. Hierfür lässt es das FG schon genügen, wenn beispielsweise ein leer stehender Spiegelschrank im Arbeitszimmer aufbewahrt wird, weil das Arbeitszimmer damit zumindest zum Abstellen eines nicht betrieblichen Gegenstandes verwendet wird und daher in nicht unerheblichem Umfang eine private Mitbenutzung vorliegt (auch das Aufbewahren von Einkommensteuer-Unterlagen oder privater Dinge auf dem PC können nach Auffassung des FG schon schädlich sein).