Anwachsung von Personengesellschaften

Verschmelzung, Spaltung und Formwechsel sind sowohl im Umwandlungsgesetz als auch im Umwandlungssteuergesetz geregelt, Einbringungen nur im Umwandlungssteuergesetz. Darüber hinaus steht außerhalb des Umwandlungssteuerrechts eine in der Praxis beliebte weitere Umstrukturierungsmöglichkeit zur Verfügung: das Anwachsungsmodell.

Die Anwachsung von Personengesellschaften

Die Anwachsung ist in der Praxis beliebt, da ohne eine Verschmelzung i.S.d. §§ 2 ff UmwG das Vermögen einer Personengesellschaft ohne Abwicklung (Liquidation) übertragen wird. Der Anwachsung nach § 738 Abs. 1 BGB liegt die Voraussetzung zu Grunde, dass eine Personengesellschaft mindestens zwei Gesellschafter braucht (§ 705 BGB). Scheidet der vorletzte Gesellschafter aus der Personengesellschaft aus, z.B. durch Austritt oder Verschmelzung, so wächst dem letzten verbleibenden Gesellschafter das Vermögen der Personengesellschaft an.

Demnach gibt es Anwachsungen nur bei Personengesellschaften, da Kapitalgesellschaften auch mit nur einem Gesellschafter existieren können (sog. Einmann-GmbH), was gerade bei kleineren Unternehmen durchaus üblich ist. 

Beispiel: Durch den Austritt der B-GmbH als Gesellschafter der A-OHG, ist die X-GmbH der letzte verbleibende Gesellschafter. Das Vermögen der A-oHG geht daher durch Anwachsung auf die X-GmbH über.

Es muss für die steuerlichen Folgen zwischen dem einfachen und dem erweiterten Anwachsungsmodell unterschieden werden.

Das einfache Anwachsungsmodell

Beim einfachen Anwachsungsmodell erhält der aus der Personengesellschaft austretende Gesellschafter als Gegenleistung keinen neuen Anteil des Rechtsträgers, dem das Vermögen anwächst. Mangels neuen Anteils sind die speziellen Voraussetzungen des UmwStG nicht erfüllt und es kommt zur Aufdeckung der stillen Reserven i. S. d. § 16 EStG (im vorangegangenem Beispiel  ist der aufnehmende Rechtsträger eine Kapitalgesellschaft und damit wäre steuerlich ein Fall des § 20 UmwStG zu prüfen). Das in der Praxis häufig vorkommende Modell, dass die Komplementär-GmbH vermögenslos beteiligt ist, führt hier mangels stiller Reserven zu keinen Auswirkungen.

Beim Rechtsträger, dem das Vermögen anwächst, ergeben sich auch keine steuerlichen Konsequenzen, da die Beteiligung bisher nach der "Spiegelbildmethode" nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO angesetzt wurde. Somit wird der Wegfall der Beteiligung in gleicher Höhe durch den Zugang des Vermögens neutralisiert. In der Praxis ergeben sich aber Probleme, da die Spiegelbildmethode häufig unzutreffend umgesetzt wird.

Fraglich ist nun, wie man mit einem auf Grund der Abweichung entstehenden Ergebnis umgehen muss. Wäre die Spiegelbildmethode zutreffend umgesetzt worden, wären alle Gewinne in den Vorjahren zutreffend erfasst und versteuert worden. Ein durch die Anwachsung entstehendes Ergebnis wäre demnach außerhalb der Bilanz zu korrigieren. Oftmals ist aber nicht mehr nachvollziehbar, ob die Erfassung des Gewinns in der Vergangenheit zutreffend war, so dass die Behandlung unbedingt in Abstimmung mit der Finanzverwaltung erfolgen sollte. 

Das erweiterte Anwachsungsmodell

Beim erweiterten Anwachsungsmodell bekommt der ausscheidende Gesellschafter als Gegenleistung für sein Ausscheiden neue Anteile am Vermögen des Rechtsträgers, dem das Vermögen anwächst. Das UmwStG findet Anwendung (§ 20 UmwStG, wenn es sich um eine Kapitalgesellschaft handelt, oder § 24 UmwStG, wenn es sich um eine Personengesellschaft handelt) und das Wahlrecht bzgl. des Buchwertansatzes oder eines höheren Wertes für die einzelnen Wirtschaftsgüter ist steuerlich eröffnet.

Bei korrekter Anwendung der Spiegelbildmethode ist der Wegfall der Beteiligung beim anwachsenden Rechtsträger identisch mit dem zuwachsenden Vermögen und es ergibt sich kein Ergebnis. Bezüglich der Anteile handelt es sich bei dieser Art der Umstrukturierung um keine Umwandlung oder Einbringung, weshalb das Umwandlungsgesetz hierauf keine Anwendung findet. 

Verschmelzung ausländischer Kapitalgesellschaften

Zum Verständnis sollte klargestellt werden, dass stille Reserven sowohl im Vermögen der Gesellschaft vorhanden sind als auch in den Anteilen an der Gesellschaft (sog. doppelte Verstrickung der stillen Reserven). Würde das Vermögen im Rahmen eines Asset-Deals (Verkauf der einzelnen Wirtschaftsgüter) veräußert, würde man den Verkehrswert als Gegenleistung bekommen. Veräußert man die Anteile an der Gesellschaft, in der sich das Vermögen befindet, also im Rahmen eines Share-Deals, bekommt man ebenfalls den Verkehrswert der Gesellschaft, der sich in den Anteilen widerspiegelt.

Abgesehen von der unterschiedlichen Besteuerung würde es vom monetären Aspekt her also keinen Unterschied machen, ob das Vermögen oder die Anteile veräußert werden. Die gleichen stillen Reserven sind somit doppelt steuerverstrickt; im Vermögen selbst und in den Anteilen.

Beispiel: Eine Kapitalgesellschaft mit Sitz in den USA ("B-Corp.") und einer Betriebsstätte in Deutschland ("Bst-B") wird auf eine andere Kapitalgesellschaft mit Sitz in den USA ("X-Corp") verschmolzen. Anteilseigner der beiden US-Gesellschaften ist die in Deutschland ansässige A-GmbH. 

Stille Reserven können sowohl in der im Inland belegenen Betriebsstätte als auch in den Anteilen an den beiden amerikanischen Corporations (Corp.) vorhanden sein. Obwohl keines der beiden im Inland belegenen Steuersubjekte umgewandelt wird, führt die Verschmelzung des ausländischen Rechtsträgers zur Aufdeckung der stillen Reserven im Inland, da es sich um einen Tausch i. S. d. § 6 Abs. 6 Satz 1 EStG der Anteile an der B-Corp. gegen Anteile an der X-Corp. handelt. 

Hier schafft § 12 Abs. 2 KStG Abhilfe, da das UmwStG auf Umwandlungen in Drittländern keine Anwendung findet. Über § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG gilt dies auch für die stillen Reserven in den Anteilen an den beiden Corporations. Zu beachten ist darüber hinaus, dass die Umwandlung im gleichen Drittstaat stattfinden muss. Bei Umwandlungen über die Grenze hinweg, wenn z. B. der Anteilseigner in Deutschland ansässig ist und die US-Kapitalgesellschaft (Sitz in den USA) auf eine kanadische Kapitalgesellschaft (Sitz in Kanada) verschmolzen wird, findet § 12 Abs. 2 KStG keine Anwendung. Es kommt zur Aufdeckung der im Inland steuerverstrickten stillen Reserven in den Anteilen.

Realteilung einer Personengesellschaft

Bei der Realteilung einer Personengesellschaft können unter gewissen Bedingungen die Buchwerte fortgeführt werden (§ 16 Abs. 3 Satz 2 ff. EStG). Für diesen Anwendungsfall ist die Rechtsprechung in zwei Urteilen (BFH Urteil vom 30.03.2017 - IV R 11/15 und vom 16.03.2017 - IV R 31/14) entgegen der Verwaltungsauffassung (BMF, Schreiben v. 20.12.2016, IV C 6 - S 2242/07/10002 :004). Der BFH lässt in den genannten Entscheidungen auch ohne Beendigung der Personengesellschaft den Buchwertübertrag im Rahmen einer Sachwertabfindung zu. Die Verwaltung hat allerdings mit einem neuen Realteilungserlass (BMF, Schreiben v. 19.12.2018, IV C 6 - S 2242/07/10002) reagiert und übernimmt weitestgehend die Auffassung des BFH. Da die Realteilung an sich ein eigener Themenkomplex bei den Personengesellschaften ist, soll diese Möglichkeit an dieser Stelle nur erwähnt und nicht weiter erläutert werden.

Tipp: Möglichkeiten außerhalb des Umwandlungssteuergesetzes

Da vom Gesetzgeber wirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierungen nicht durch eine Steuerbelastung verhindert werden sollen, sollte man nicht beim Umwandlungssteuerrecht aufhören zu denken. Gerade bei Personengesellschaften ergeben sich durch Vorschriften außerhalb des Umwandlungssteuergesetzes Möglichkeiten, um eine Aufdeckung von stillen Reserven zu verhindern.

Dipl.-Finanzwirt (FH) Florian Anderlik, MBA, ist Konzernbetriebsprüfer am Finanzamt München; daneben ist er Lehrbeauftragter im Master of Taxation an den Hochschulen München und Weiden sowie Referent im Bereich der steuerlichen Aus- und Fortbildung.

Der Beitrag entstammt seinem bei Schäffer-Poeschel erschienenen Buch "#steuernkompakt Umwandlungssteuerrecht".