Abgeltungsteuer und haushaltsnahe Dienstleistungen

Es stellt sich die Frage, ob Steuerermäßigungen im Sinne des § 35a EStG die Einkommensteuer nach dem gesonderten Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen mindern können.

Der Steuerpflichtige kann mit der Einkommensteuererklärung für Kapitalerträge, die der Kapitalertragsteuer unterlegen haben, eine Steuerfestsetzung entsprechend § 32d Absatz 3 Satz 2 EStG beantragen. Dies gilt beispielsweise dann, wenn der Sparer-Pauschbetrag noch nicht vollständig ausgeschöpft ist (§ 32d Abs. 4 EStG). § 32d Abs. 3 Satz 2 bestimmt in diesem Zusammenhang, dass sich für solche Kapitalerträge die tarifliche Einkommensteuer um den nach § 32d Abs. 1 EStG ermittelten Betrag (Abgeltungsteuer) erhöht.

Beispiel: Ausschließlich Einkünfte aus Kapitalvermögen

A hat ausschließlich Einkünfte aus Kapitalvermögen, welche abgeltend mit 25% besteuert wurden (100.000 x 25 % + Soli). Bei seiner Einkommensteuererklärung 2017 beantragt er im Rahmen der Überprüfung des Steuereinbehalts, die steuerermäßigende Berücksichtigung von Handwerkerleistungen i. H. v. 1.000 EUR (5.000 x 20 %). 

Aufgrund der Formulierung in § 32d Abs. 3 EStG könnte man die Auffassung vertreten, dass der Hinzurechnungsbetrag nach § 32d Abs. 1 EStG Teil der tariflichen Einkommensteuer ist. Dies könnte man auch aus § 32a Abs. 1 EStG folgern, wonach sich die tarifliche Einkommensteuer vorbehaltlich (u. a.) § 32d nach dem zu versteuernden Einkommen bemisst. 

FG Hamburg lehnt die Berücksichtigung ab

Dies lehnt das FG Hamburg aber ab (Gerichtsbescheid v. 23.11.2017, 6 K 106/16). Gemäß § 2 Abs. 5b EStG sind, soweit Rechtsnormen dieses Gesetzes an die in den vorstehenden Absätzen definierten Begriffe (Einkünfte, Summe der Einkünfte, Gesamtbetrag der Einkünfte, Einkommen, zu versteuerndes Einkommen) anknüpfen, Kapitalerträge nach § 32d Abs. 1 und § 43 Abs. 5 EStG nicht einzubeziehen; sie bilden eine eigene Schedule im Rahmen der Einkommensteuer.

In diesem Zusammenhang regelt § 43 Abs. 5 EStG, dass die Einkommensteuer für Kapitalerträge, soweit sie der Kapitalertragsteuer unterlegen haben, mit dem Steuerabzug abgegolten ist. Die Kapitalertragsteuer wirkt nach Auffassung des FG nur abgeltend, wenn die in dieser Art besteuerten Einkünfte von der üblichen Einkünfteermittlung ausgenommen bleiben. Diese Kapitalerträge sind deshalb in die Ausgangsbegriffe des § 2 Abs. 2 bis 5 EStG nicht einzubeziehen. Fließen somit Kapitalerträge nicht in die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens ein, gilt dies auch für die Ermittlung der tariflichen Einkommensteuer (anders bei der Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG).

Dies Auffassung ergibt sich m. E. auch aus § 2 Abs. 6 EStG, wonach die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die anzurechnenden ausländischen Steuern und die Steuerermäßigungen, vermehrt um die Steuer nach § 32d Abs. 3 und 4, die festzusetzende Einkommensteuer bildet.

Aktualisierung: Revision vor dem BFH nicht erfolgreich

Wie m. E. zu erwarten war, hat der BFH mit Beschluss v. 28.4.2020, VI R 54/17, entschieden, dass tarifliche Einkommensteuer der Steuerbetrag ist, der sich aus der Anwendung des Einkommensteuertarifs gem. § 32a EStG auf das zu versteuernde Einkommen nach § 2 Abs. 5 EStG, in das Kapitalerträge nach § 32d Abs. 1 EStG und § 43 Abs. 5 EStG nicht einzubeziehen sind (§ 2 Abs. 5b EStG), ergibt. Nach § 32d Abs. 3 und 4 EStG "veranlagte" und dem gesonderten Tarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen unterliegende Einkommensteuer ist nicht (Bestand-)Teil der tariflichen Einkommensteuer. Vielmehr ist diese um die Einkommensteuer auf Kapitalerträge gemäß § 32d EStG zu erhöhen.

Dem entspreche die Ermittlung der festzusetzenden Einkommensteuer in§ 2 Abs. 6 EStG. Danach ist die tarifliche Einkommensteuer u. a. um Steuerermäßigungen zu vermindern und um die Steuer nach § 32d Abs. 3 und 4 EStG zu vermehren. Daraus werde deutlich, dass die auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen entfallende, gesondert zu ermittelnde Steuer nicht der tariflichen Einkommensteuer zugehört, sondern lediglich eine Maßgröße für die Ermittlung der festzusetzenden Einkommensteuer ist.

Zudem werde übersehen, dass in § 2 Abs. 6 Satz 1 EStG die Reihenfolge der erforderlichen Rechenschritte, um von der tariflichen Einkommensteuer zu der festzusetzenden Einkommensteuer zu gelangen, festgeschrieben ist. Danach ist die tarifliche Einkommensteuer zunächst u.a. um Steuerermäßigungen zu vermindern und erst dann um die Steuer nach § 32d Abs. 3 und 4 EStG zu erhöhen. Daher kommt keine Steuerermäßigung in Betracht, wenn die tarifliche Einkommensteuer 0 EUR beträgt. Sie könne deshalb auch nicht als negative Rechengröße in die Ermittlung der festzusetzenden Einkommensteuer eingehen, so der BFH.