Kapitalertragsteuerpflicht: Betrieb gewerblicher Art

In einem aktualisierten Anwendungsschreiben hat sich das BMF ausführlich mit Auslegungsfragen zu § 20 Abs. 1 Nr. 10 EStG bei Betrieben gewerblicher Art (als Schuldner der Kapitalerträge) befasst.

Betriebe gewerblicher Art und Kapitalertragsteuer

Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat sich mit Schreiben vom 28.1.2019 ausführlich zur Auslegung der Einkommenstatbestände in § 20 Abs. 1 Nr. 10 EStG geäußert, die für juristische Personen des öffentlichen Rechts gelten. Nach Buchstabe a) dieser Vorschrift werden als Kapitaleinkünfte der Trägerkörperschaft erfasst:

  • Leistungen eines nicht von der Körperschaftsteuer befreiten Betriebs gewerblicher Art (BgA) mit eigener Rechtspersönlichkeit (z. B. Sparkassen)

Nach Buchstabe b) der Vorschrift werden als Kapitaleinkünfte der Trägerkörperschaft erfasst:

der (durch Betriebsvermögensvergleich ermittelte) Gewinn eines nicht von der Körperschaftsteuer befreiten BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit (soweit der Gewinn nicht den Rücklagen zugeführt wird)

  • der nicht den Rücklagen zugeführte Gewinn eines nicht bilanzierenden und nicht von der Körperschaftsteuer befreiten BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit, der die Umsatz- oder Gewinngrenze aus § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG überschreitet
  • verdeckte Gewinnausschüttungen
  • die Auflösung von Rücklagen des BgA zu Zwecken außerhalb des BgA
  • Gewinne i. S. d. § 22 Abs. 4 UmwStG und
  • Gewinne aus Werbesendungen durch inländische öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten.

Körperschaft- und Kapitalertragsteuer

All diese Einkunftstatbestände führen zu einer beschränkten Körperschaftsteuerpflicht (§ 2 Nr. 2 KStG) mit einer Kapitalertragsteuerbelastung von 15%. Die Körperschaftsteuer für diese steuerabzugspflichtigen Einkünfte ist in der Regel durch den Steuerabzug abgegolten (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG); die Kapitalertragsteuer ist somit nicht anrechenbar.

Detaillierte Verwaltungsaussagen

Zu den oben beschriebenen Einkommenstatbeständen äußert sich das BMF in seinem neuen Schreiben ausführlich. Einige Aussagen daraus im Überblick:

BgA mit eigener Rechtspersönlichkeit

In den Rz. 5 bis 15 des Schreibens widmet sich das BMF dem Einkommenstatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe a EStG: Demnach müssen die Leistungen (Kapitalerträge) von einem BgA stammen, der alle Merkmale einer juristischen Person des öffentlichen Rechts erfüllt, insbesondere im vollen Umfang rechtsfähig ist. Eine Teilrechtsfähigkeit - wie sie regelmäßig bei öffentlich-rechtlichem Sondervermögen oder bei Landesbetrieben bzw. Eigenbetrieben anzutreffen ist - reicht nicht aus.

Von den Regelungen erfasst werden beispielsweise BgA in der Rechtsform des Zweckverbandes oder einer nach Landes- oder Kommunalrecht errichteten Anstalt des öffentlichen Rechts, die der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Gas, Elektrizität oder Wärme dienen.

Der sachliche Anwendungsbereich der Vorschrift erstreckt sich auf Leistungen, die zu - mit Gewinnausschüttungen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG wirtschaftlich vergleichbaren - Einnahmen führen. Dazu gehören auch verdeckte Gewinnausschüttungen sowie Gewinnübertragungen, die aus steuerfreien Zuflüssen stammen.

Die Kapitalertragsteuer entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Kapitalerträge dem Gläubiger (= der Trägerkörperschaft des BgA) zufließen. Der Gläubiger ist auch der Schuldner der Kapitalertragsteuer. Im Zeitpunkt des Zuflusses der Kapitalerträge hat der Schuldner der Kapitalerträge (= der BgA) den Steuerabzug für Rechnung des Gläubigers der Kapitalerträge (= der Trägerkörperschaft des BgA) vorzunehmen.

Auf Leistungen des BgA, die in der Rückgewähr von Einlagen bestehen, ist § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe a EStG nicht anzuwenden. Um eine Trennung der Einlagen von den übrigen Eigenkapitalteilen (z. B. Gewinnrücklagen, Gewinnvortrag) des BgA vornehmen zu können, hat auch der BgA mit eigener Rechtspersönlichkeit das steuerliche Einlagekonto i. S. d. § 27 KStG zu führen (§ 27 Abs. 7 KStG).

BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit

Zum Einkommenstatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b S. 1 bis 3 und 5 EStG äußert sich das BMF in den Rz. 16 bis 69 seines Schreibens. Aufgegriffen werden Fragen

  • zum persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich der Vorschrift,
  • zur Entstehung der Kapitalertragsteuer,
  • zur Durchführung der Besteuerung und
  • zum zeitlichen Anwendungsbereich.

Unter die Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG fallen  - jeweils in Abhängigkeit von den unterschiedlichen Kapitalerträgen - drei Gruppen von BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit:

  • Gruppe 1 (Betriebsvermögensvergleich): Zu dieser Gruppe gehören die nicht von der Körperschaftsteuer befreiten BgA, die ihren Gewinn aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung oder freiwillig durch Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 und § 5 EStG) ermitteln. Zu dieser Gruppe gehören auch BgA, die - unabhängig von der Gewinnermittlungsart - Umsätze von mehr als 350.000 EUR im Kalenderjahr (ausgenommen Umsätze nach § 4 Nr. 8 bis 10 UStG) oder einen Gewinn von mehr als 30.000 EUR im Wirtschaftsjahr erzielen, sowie BgA, die (nach § 140 oder § 141 AO) zur Buchführung und damit zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich verpflichtet sind, dieser Verpflichtung aber nicht nachkommen.
  • Gruppe 2 (Besteuerung von Einbringungsgewinnen und Anteilsveräußerungsgewinnen): Zu dieser Gruppe gehören BgA i. S. d. § 22 Abs. 4 Nr. 1 UmwStG ohne eigene Rechtspersönlichkeit - unabhängig von den Voraussetzungen der Gruppe 1.
  • Gruppe 3 (Rundfunkanstalten): Zu dieser Gruppe gehören - unabhängig von den Voraussetzungen der Gruppe 1 - die BgA „Veranstaltung von Werbesendungen” der inländischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.

Rücklagen bei Regiebetrieben

Kapitalertragsteuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG liegen insoweit nicht vor, als der Gewinn zulässigerweise durch eine Rücklagenbildung gemindert wird (Rz. 35). Über die Gewinne eines Regiebetriebs kann die Trägerkörperschaft unmittelbar verfügen - für eine Rücklagenbildung ist damit kommunalrechtlich kein Raum. Gleichwohl ist bei einem Regiebetrieb für Zwecke des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG die Rücklagenbildung anzuerkennen, soweit anhand objektiver Umstände nachvollzogen und überprüft werden kann, dass der handelsrechtliche Gewinn durch Stehenlassen dem Regiebetrieb als Eigenkapital zur Verfügung stehen soll (vgl. BFH, Urteile v. 30.1.2018, BStBl 2019 II S. 96 und S. 101). Als objektiver Umstand wird insbesondere ein förmlicher Beschluss der zuständigen Gremien der Trägerkörperschaft anerkannt, der spätestens acht Monate nach Ablauf des Wirtschaftsjahrs des BgA gefasst sein muss.

Die (weiteren) Aussagen zum sachlichen Anwendungsbereich des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG, zur Entstehung der Kapitalertragsteuer, zur Durchführung der Besteuerung und zum zeitlichen Anwendungsbereich, werden hier aus Platzgründen nicht dargestellt - insofern wird auf die Ausführungen in den Rz.  16 bis 69 des BMF-Schreibens verwiesen.

Anwendung des Schreibens

Das BMF-Schreiben tritt - soweit sich für Veranlagungszeiträume vor 2018 aus gesetzlichen Vorgaben nichts anderes ergibt - an die Stelle des

  • BMF, Schreiben v. 11.9.2002 (BStBl 2002 I S. 935) in der durch BMF-Schreiben v. 8.8.2005 (BStBl 2005 I S. 831) geänderten Fassung und des
  • BMF, Schreiben v. 9.1.2015 (BStBl 2015 I S. 111).

Seine Grundsätze sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Sind Rücklagen bei Regiebetrieben in Veranlagungszeiträumen vor 2018 nach den Grundsätzen der bisherigen BMF-Schreiben anerkannt worden, richten sich die Tatbestände für deren Fortbestand ab Veranlagungszeitraum 2018 nach den Grundsätzen dieses Schreibens – ohne dass es hierfür einer Beschlussfassung (nach Rz. 35 des Schreibens) bedarf.

BMF, Schreiben v. 28.1.2019, IV C 2 - S 2706-a/15/10001

Christian Ollick, Dipl.-Finw. (FH)
Schlagworte zum Thema:  Kapitalertragsteuer, BMF-Schreiben