Wenn zum Jahreswechsel die Sektkorken knallen, gibt es für viele Familien einen besonderen Grund zum Feiern: Ab 2012 entfällt die Einkommensgrenze von 8.004 EUR, die bisher für volljährige Kinder galt. Was Familien und Finanzämter nach der neuen Rechtslage zu beachten haben, stellt das BMF in einem aktuellen Schreiben zusammen.

Der Gesetzgeber hat die Einkommensgrenze für volljährige Kinder i. H. v. 8.004 EUR mit dem Steuervereinfachungsgesetz 2011 vom 1.11.2011 (BGBl. I. S. 2131) aufgehoben. Somit dürfen Kinder ab 2012 unbegrenzt hinzuverdienen, ohne dass der Kindergeldanspruch und die Kinderfreibeträge entfallen.  Kinder werden künftig grundsätzlich bis zum Abschluss ihrer erstmaligen Berufsausbildung bzw. ihres Erststudiums berücksichtigt, auch darüber hinaus ist eine Anerkennung möglich. Das neue Regelwerk des § 32 EStG gestaltet sich ab 2012 wie folgt:

Berücksichtigung minderjähriger Kinder

Minderjährige Kinder werden wie bisher ohne besondere Voraussetzungen steuerlich berücksichtigt (§ 32 Abs. 3 EStG). Das Steuervereinfachungsgesetz 2011 bringt für diese Kinder keine Neuerungen mit sich.

Berücksichtigung volljähriger behinderter Kinder

Unverändert bleiben auch die Regelungen für volljährige behinderte Kinder. Nach wie vor werden diese Kinder steuerlich berücksichtigt, sofern sie sich wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung nicht selbst unterhalten können und ihre Behinderung vor dem 25. Geburtstag eingetreten ist (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG).

Praxistipp:

Die steuerliche Berücksichtigung erfolgt ohne Altersbegrenzung (ggf. bis an das Lebensende des Kindes).

Welche Änderungen bringt das Steuervereinfachungsgesetz?

Der Wegfall der Einkommensprüfung wirkt sich auf zwei Gruppen von Kindern aus:

a) Volljährige Kinder ohne Beschäftigung (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG)

Nach dieser Regelung wird ein Kind steuerlich vom 18. bis zum 21. Lebensjahr berücksichtigt, wenn es nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist.

Ab dem Jahr 2012 ist das Kindeseinkommen (z. B. resultierend aus Vermietungseinkünften) für diese Gruppe von Kindern nicht mehr zu prüfen. Die Einkommensgrenze ist für diese Kinder ersatzlos entfallen; eine neue Voraussetzung sieht das Steuervereinfachungsgesetz 2011 für diese Kinder nicht vor.

b) Volljährige Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG)

Die weitreichendsten Veränderungen bringt das Steuervereinfachungsgesetz 2011 für volljährige Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben und

  • für einen Beruf ausgebildet werden oder
  • sich in einer Übergangszeit von höchstens 4 Monaten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten befinden (bzw. zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes etc.) oder
  • eine Berufsausbildung mangels eines Ausbildungsplatzes nicht beginnen bzw. fortsetzen können oder
  • ein freiwilliges soziales Jahr, ein freiwilliges ökologisches Jahr oder einen anderen Freiwilligendienst leisten.

Auch für diese Gruppe von Kindern wurde die Einkommensgrenze ab 2012 abgeschafft. Anstelle der alten Regelungen zur Einkommensprüfung (§ 32 Abs. 4 Sätze 2 - 10 EStG a. F.) sieht das Steuervereinfachungsgesetz 2011 für diese Kinder allerdings eine neue Prüfung vor, die nach dem Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung/eines Erststudiums erfolgen muss: Ab diesem Zeitpunkt wird das Kind künftig nur noch steuerlich berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht (§ 32 Abs. 4 Sätze 2, 3 EStG n. F.).

Praxistipp:

Bis zum Abschluss seiner erstmaligen Berufsausbildung oder seines Erststudiums kann das Kind also noch einer Erwerbstätigkeit nachgehen, ohne dass die steuerliche Anerkennung als Kind gefährdet ist.

Allerdings steht nicht jede Erwerbstätigkeit der fortdauernden steuerlichen Berücksichtigung als Kind entgegen. Nach § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG n. F. sind eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis (i. S. d. §§ 8, 8a SGB IV) unschädlich – führen also nicht zum Verlust der steuerlichen Anerkennung als Kind.

BMF klärt Einzelfragen in neuem Verwaltungsschreiben

Das BMF widmet sich den Neuregelungen mit 11-seitigem Schreiben vom 7.12.2011 und gibt Familien und Finanzämtern erste Antworten zur zukünftigen steuerliche Berücksichtigung volljähriger Kinder. Die Regelungen im Überblick:

Wann greift die neue Prüfung der Erwerbstätigkeit?

Das BMF stellt dar, wann eine erstmalige Berufsausbildung und ein erstmaliges Studium vorliegen. Diese Hinweise sind für die Frage relevant, ob eine Prüfung der Erwerbstätigkeit nach § 32 Abs. 4 Sätze 2, 3 EStG n. F. zu erfolgen hat.

a) Erstmalige Berufsausbildung

Eine Berufsausbildung i. S. d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG n. F. liegt vor, wenn das Kind durch eine berufliche Ausbildungsmaßnahme die notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse erwirbt, die zur Aufnahme eines Berufs befähigen. Es muss zudem ein öffentlich-rechtlich geordneter Ausbildungsgang vorliegen, der durch eine Prüfung abgeschlossen wird.

Als erstmalig stuft das BMF eine Berufsausbildung ein, wenn ihr keine andere abgeschlossene Berufsausbildung bzw. kein abgeschlossenes (berufsqualifizierendes) Hochschulstudium vorausgegangen ist.

b) Erststudium

Ein Studium i. S. d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG n. F. ist ein Studium an einer Universität, Pädagogischen Hochschule, Kunsthochschule, Fachhochschule und an sonstigen Einrichtungen des Bildungswesens, die nach Landesrecht staatliche Hochschulen sind. Auch ein Fernstudium ist ein Studium in diesem Sinne.

Ein Studium ist als Erststudium einzustufen, wenn ihm kein anderes Studium vorausgegangen ist, das durch einen berufsqualifizierenden Abschluss beendet wurde bzw. keine andere abgeschlossene (nichtakademische) Berufsausbildung vorangegangen ist.

„Berufsausbildung“ und „für einen Beruf ausgebildet“

Das BMF weist darauf hin, dass die eng gefasste Definition der Berufsausbildung, die bei der Prüfung der Erwerbstätigkeit nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG n. F. nur öffentlich-rechtlich geordnete Ausbildungsgänge umfasst, nicht auf § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a) EStG „ausstrahlt“. Nach dieser Regelung wird ein Kind zwischen dem 18. und 25. Lebensjahr nur steuerlich berücksichtigt, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird. Es verbleibt daher an dieser Stelle bei einer weit gefassten Definition, sodass ein Kind bereits dann für einen Beruf ausgebildet wird, wenn es sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernstlich darauf vorbereitet.

Wann liegt eine Erwerbstätigkeit vor?

Eine Erwerbstätigkeit, die einer steuerlichen Berücksichtigung eines volljährigen Kindes nach Abschluss seiner Erstausbildung/seines Erststudiums im Wege stehen kann, ist nicht auf die Fälle einer nicht selbstständigen Tätigkeit begrenzt. Das BMF nimmt einen breiteren Blickwinkel ein und fasst unter die Erwerbstätigkeit sämtliche Beschäftigungen, die auf die Erzielung von Einkünften gerichtet sind und den Einsatz der persönlichen Arbeitskraft des Kindes erfordern.

20-Stunden-Regelung

Ein besonderes Augenmerk richtet das BMF auf die Frage, wann eine Erwerbstätigkeit noch als geringfügig anzusehen ist (d.h. Ausübung mit max. 20 Stunden wöchentlich) und somit der steuerlichen Berücksichtigung eines volljährigen Kindes nicht entgegensteht. Das BMF stellt in diesem Zusammenhang auf die individuell vertraglich vereinbarte Arbeitszeit ab und stuft eine vorübergehende Ausweitung der Beschäftigung (für höchstens zwei Monate) als unbeachtlich ein, sofern die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit bei max. 20 Stunden verbleibt.

Praxishinweis:

Die Prüfung des Kindeseinkommens war in der Vergangenheit mit vielen Einzelfragen behaftet, sodass am Ende häufig die Finanzgerichte entscheiden mussten. Die neugeschaffene 20-Stunden-Regelung hat aufgrund ihrer mitunter komplexen Berechnungswege ebenfalls das Potenzial, ein Fall für die Rechtsprechung zu werden.

Einzelfragen

Das BMF greift in seinem Schreiben zudem Einzelfragen auf, die sich aus der neuen Prüfung der Erwerbstätigkeit ergeben, z. B. zur Behandlung von Ergänzungs- und Aufbaustudien, Bachelor- und Masterstudiengängen etc.

Fazit:

Die Abschaffung der Einkommensgrenze lässt Eltern volljähriger Kinder aufatmen, die ihren Kindergeldanspruch und ihre Kinderfreibeträge bisher nur über eine aufwendige Einkommensermittlung durchsetzen konnten. Die komplizierten Berechnungen bleiben ab 2012 nicht nur ihnen, sondern auch den Familienkassen und Finanzämtern erspart. Wie jede Vereinfachung hat aber auch der Wegfall der Einkommensgrenze ihren Preis. So werden z. B. künftig auch Kinder steuerlich anerkannt, die über ein Einkommen in unbegrenzter Höhe verfügen (z. B. Einkünfte aus Beteiligungen, Vermietungseinkünfte, etc.). Im Ergebnis ist der Wegfall der Einkommensgrenze aber ein begrüßenswerter Beitrag zur Steuervereinfachung – auch wenn nunmehr eine Prüfung der Erwerbstätigkeit in das Gesetz aufgenommen wurde.

BMF, Schreiben v. 7.12.2011, IV C 4 – S - 2282/07/0001-01