Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf bei Alleinerziehung eines minderjährigen Kindes. erneute Eheschließung. Nichtbeteiligung des ausländischen Ehegatten an der Kindeserziehung und -betreuung. Ausreise ins Heimatland

 

Orientierungssatz

Der Mehrbedarf gem § 21 Abs 3 Nr 2 SGB 2 entfällt trotz erneuter Eheschließung nicht, wenn zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass sich der vorübergehend in der Bedarfsgemeinschaft lebende ausländische Ehegatte tatsächlich nicht an der Kindererziehung und -pflege beteiligt hat und er zwischenzeitlich bereits wieder in sein Heimatland ausgereist ist.

 

Tenor

1. Der Änderungsbescheid des Beklagten vom 8. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Dezember 2013 wird abgeändert und der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 15. Oktober 2013 bis zum 28. Februar 2014 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch - Zweites Buch - unter Berücksichtigung des Alleinerziehungszuschlages nach § 21 Abs. 3 Nr. 2 SGB II für H. zu bewilligen.

2. Der Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

3. Die Berufung wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Weiterbewilligung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II unter Berücksichtigung des Alleinerziehungszuschlages für ihre 1999 geborene Tochter H.

Die Klägerin ist 1979 geboren und bezieht laufend Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, zusammen mit ihrer Tochter I. und einer weiteren, 2013 geborenen Tochter J. Im März 2013 heiratet die Klägerin den russischen Staatsbürger K. Dieser übersiedelt in die Bundesrepublik Deutschland und zieht am 15. Oktober 2013 in die Bedarfsgemeinschaft der Klägerin ein. Nachdem die Klägerin dies dem Beklagten mitgeteilt hat, ändert dieser die laufende Leistungsbewilligung (Bescheid vom 22. August 2013 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 9., 11. und 11. September 2013) ab und bewilligt der Klägerin, ihren beiden Töchtern und ihrem Ehemann L. mit Änderungsbescheid vom 8. November 2013 Leistungen für die Zeit vom 15. Oktober 2013 bis Februar 2014. Der Beklagte berücksichtigt dabei das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft mit dem Ehemann der Klägerin. Gleichzeitig bewilligt er den bisherigen Alleinerziehungszuschlag für die Tochter A. nicht mehr fort.

Dagegen legt die Klägerin am 19. November 2013 Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 2013 zurück gewiesen hat.

Die Klägerin hat daraufhin am 14. Januar 2014 Klage zum Sozialgericht Osnabrück erhoben. Sie macht darin geltend, dass ihr Ehemann sich an der Erziehung ihrer vor der Eheschließung geborenen Tochter A. ausdrücklich nicht beteilige. Dieser lehne es ab, für seine Stieftochter aufzukommen oder sich um sie auch nur zu kümmern. Ihr sei daher insofern ein Alleinerziehungszuschlag nach § 21 Abs. 3 Nr. 2 SGB II zu bewilligen.

Der Klägervertreter beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 08. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Dezember 2013 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Alleinerziehungszuschlag für die 1999 geborene Tochter I. für die Zeit vom 15. Oktober 2013 bis zum 28. Februar 2014 zu bewilligen.

Die Beklagtenvertreterin beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagtenvertreterin beantragt überdies,

die Berufung zuzulassen.

Es sei weiterhin überwiegend nicht wahrscheinlich, dass sich der Ehemann der Klägerin nicht an der Erziehung und Pflege von H. beteilige. Dies sei schlechterdings nicht denkbar, da die Klägerin und ihr Ehemann noch weitere Kinder hätten.

Das Gericht konnte den Zeugen K. nicht befragen, weil dieser nach der Zeugenladung seinen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland beendet hat. Die Klägerin hat daraufhin eine schriftliche Erklärung des Zeugen M. vorgelegt, die sie selbst übersetzt hat. Ferner hat das Gericht die Klägerin in der mündlichen Verhandlung persönlich angehört.

Wegen der weitere Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen. Diese sind Gegenstand der Entscheidungsfindung der Kammer gewesen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin hat Anspruch auf die Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende unter Berücksichtigung eines Zuschlages in Höhe von 12 % monatlich nach § 21 Abs. 3 Nr. 2 SGB II für ihre 1999 geborene Tochter H. Der Änderungsbescheid des Beklagten vom 8. November 2013 war insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

Nach § 21 Abs. 3 SGB II ist bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammen leben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ein Mehrbedarf anzuerkennen. Dieser beläuft sich entweder auf 36% des maßgeblichen Regelbedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben (Nr. 1), oder auf 12% des Bedarfs für jedes Kind, wenn s...

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