Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. häusliche Krankenpflege in Form der Behandlungspflege. ambulant betreute Wohngemeinschaft. Erbringung medizinischer Behandlungspflege als einfachste Maßnahme der Krankenpflege. keine Vergleichbarkeit mit Konstellation der häuslichen Pflege in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe
Leitsatz (amtlich)
1. Der Anspruch auf Gewährung von häuslicher Krankenpflege in Form der Behandlungspflege ist nicht dadurch ausgeschlossen, weil die Einrichtung selbst zur Erbringung medizinischer Behandlungspflege verpflichtet ist.
2. Die Erbringung medizinischer Behandlungspflege gehört nicht regelmäßig als einfachste Maßnahme der Krankenpflege zu der von ambulant betreuten Wohngemeinschaften geschuldeten Leistung.
Orientierungssatz
1. Eine ambulant betreute Wohngemeinschaft kann ein geeigneter Ort zur Erbringung von häuslicher Krankenpflege iS des § 37 SGB 5 sein.
2. Die vorliegende Konstellation der ambulant betreuten Wohngemeinschaft ist mit der vom BSG am 25.2.2015 - B 3 KR 11/14 R = BSGE 118, 122 = SozR 4-2500 § 37 Nr 13 RdNr 28 entschiedenen Konstellation der häuslichen Pflege in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe nicht vergleichbar.
Nachgehend
Tenor
I. Der Bescheid vom 25.01.2019 in Form des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2019, Az. ... wird aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von den Kosten der häuslichen Krankenpflege für den Zeitraum vom 01.02.2019 bis 31.03.2019 in Höhe von 633,66 Euro freizustellen.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreit.
IV. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattung und Freistellung von den Kosten häuslicher Krankenpflege in Form von Medikamentenabgabe vom 01.02.2019 bis 31.03.2019 während die Klägerin in einer ambulant betreuten Wohngruppe lebt.
1.
Die am ....1932 geborene Klägerin lebt in einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft in der "R.-WG I" zusammen mit 11 weiteren Personen. In dem selben Gebäude befindet sich eine weitere Wohngemeinschaft mit maximal 12 Bewohnern.
Die Klägerin erhält Pflegeleistungen aus dem Pflegegrad 3. Leistungen der Pflegeversicherung werden im Rahmen der Sachleistung in Anspruch genommen. Die Pflegekasse zahlt auch den Wohngruppenzuschlag in Höhe von 214,00 €.
2.
Dem Aufenthalt in der ambulant betreuten Wohngemeinschaft in der "R.-WG I" lagen folgende Verträge zugrunde:
Mit der Firma L. Immobilien GmbH schloss die Klägerin den Mietvertrag vom 14.03.2015 (Mietvertrag), der u.a. folgende Regelungen enthält:
§ 1 Mietgegenstand:
Vermietet werden in der "R.-WG" folgende Wohnräume: Zimmer Nr. 11 mit 31,37 m², Gemeinschaftsflächen mit 23,33 m², insgesamt somit 54,70 m² Wohnfläche.
§ 4 Mietzins und Nebenkosten:
Der Mieter zahlt monatlich:
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Mietzins |
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464,95 € |
Betriebskosten |
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220,00 € |
Gesamt |
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684,95 € |
§ 13 Besondere Vereinbarung zur Wohngemeinschaft / Bewohnergremium / Angehörigengremium:
Die Wohngemeinschaft setzt sich aus maximal 12 BewohnerInnen im Erdgeschoss und max. 12 BewohnerInnen im 1. Obergeschoss zusammen. Der Vertrag ist in seiner Wirksamkeit abhängig von einer Mitgliedschaft im Angehörigengremium. Die Mitgliedschaft ist gesondert geregelt. Für den Mieter ist die vom Gremium festzusetzende Hausordnung in ihrer jeweils gültigen Fassung bindend.
Mit M.'s Pflegeteam schloss die Klägerin folgende Verträge:
- den Vertrag über die Erbringung ambulanter Pflege nach § 120 SGB XI vom 16.03.2015 (Pflegevertrag), der folgende Regelungen enthält:
§ 1 Allgemeine Bestimmungen
Der Pflegedienst ist nach § 120 SGB XI verpflichtet, mit dem Leistungsnehmer einen schriftlichen Pflegevertrag abzuschließen, sofern er für diesen Pflegesachleistungen nach §§ 36, 38 SGB XI erbringt. Eine Ausfertigung dieses Pflegevertrages ist der Pflegekasse des Leistungsnehmers durch den Pflegedienst unverzüglich, spätestens jedoch nach dem ersten Pflegeeinsatz zur Verfügung zu stellen. Der Pflegedienst ist durch Versorgungsvertrag nach § 72 SGB XI zur Erbringung und Abrechnung von Pflegesachleistungen berechtigt. Er übernimmt die Betreuung und Pflege des Leistungsnehmers nach diesem Vertrag, unter Beachtung der gesetzlichen und mit den Pflegekassen vereinbarten vertraglichen Regelungen. Er gewährleistet eine kontinuierliche, qualitätsgerechte, dem individuellen Bedarf des Leistungsnehmers entsprechende Versorgung bei Tag und Nacht sowie an Sonn- und Feiertagen. Der Leistungsnehmer ist verpflichtet, die Entscheidung der Pflegekasse über seine Einstufung, dem Pflegedienst unverzüglich vorzulegen. Dies gilt auch für etwaige spätere Änderungen des Leistungsbescheides der Pflegekasse.
- den Betreuungsvertrag für ambulant betreute Wohngemeinschaften vom 14.03.2015/16.03.2015 (Betreuungsvertrag), mit folgendem Inhalt:
§ 2 Leistungsumfang
1. Der Pflegedienst erbringt in der Wohngemeinschaft im Rahmen der 24-stündigen Anwesenheit eines Mitarbeiters des Pflegedienstes Leistungen der psychosozialen Betreuung und Begleitung mit ständiger Erreic...