Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungsrecht: Beschädigtenversorgung nach kriegsbedingter Beschädigung. Anforderung an die Beweislast. Gewährung einer Beweiserleichterung aufgrund Beweisnot wegen eines lange zurückliegenden Schadensereignisses
Leitsatz (amtlich)
Beschädigtenversorgung: keine Beweiserleichterung allein durch Zeitablauf
Orientierungssatz
1. Wurden die Folgen einer behaupteten kriegsbedingten Schädigung erst mehrere Jahrzehnte nach Ende des Kriegsereignisses erstmalig geltend gemacht (hier: 44 Jahre), so begründet allein der Umstand, dass aufgrund des lange zurückliegenden Schadensereignisses ein Beweis des eingetretenen Gesundheitsschadens und dessen Zusammenhang mit dem Kriegsereignis im Sinne der objektiven Beweislast nicht mehr möglich ist, keine Beweiserleichterung zugunsten des Geschädigten.
2. Einzelfall zur Beurteilung des Kausalzusammenhangs eines kriegsbedingten Schadensereignisses und einer Gesundheitsstörung (hier abgelehnt).
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Im Streit steht die Gewährung von Beschädigtenversorgung für die Folgen eines Ereignisses vom 31.08.1944.
Die 1935 in B. (Oberschlesien) geborene und später in G.-S. lebende Klägerin siedelte im Mai 1989 nach A-Stadt um. Mit Schreiben vom 04.06.2008 beantragte sie die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Sie legte hierzu einen Arztbrief der Chirurgischen Abteilung des St.-WD.Krankenhauses A-Stadt vom 27.11.2002 vor, worin eine operative Revision einer Narbenhernie im rechten Unterbauch beschrieben wurde, außerdem eine Heilmittelverordnung für Krankengymnastik. Auf dem am 15.07.2008 eingegangenen Formfragebogen machte sie als Schädigungsfolgen geltend: “Funktionsstörung der Wirbelsäule und der Gliedmaßen, Beinfunktionsstörungen, Bauchwandbruch. Wegen Muskelschaden am Oberschenkel und Bauch (rechts) - Behinderung wegen fehlender Haut„.
Als schädigendes Ereignis machte die Klägerin einen Unfall mit einem Militärfahrzeug geltend und gab an: “Am 31.08.1944 ca. 9.00 Uhr habe ich ein Unfall erlitten. Ich bin am Fahrrad unterwegs gewesen, sollte Brot beim Bäcker holen. Das Militärauto - LKW mit zwei Anhängern stand gegenüber dem Gymnasium damals auch Lazarett. Direkt vor mir fuhr ein Fahrrad. Das erste hat der Kraftfahrer noch durchgelassen und mich hat er angefahren ich bin noch ins Hinterrad dem Fahrrad davor gestoßen worden, und dann umgefallen. (...) Wurde gleich im Lazarett behandelt - Erste Hilfe. Danach wurde ich mit dem LKW in der Fahrerkabine am Schoß einer Krankenschwester ins Krankenhaus gefahren. Als ich zum LKW getragen wurde habe ich viele Leute gesehen habe aber keinen erkannt. (...) Da habe ich auch gesehen, dass der Fahrer ein Soldat war. Der Fahrer des LKW war aus G.-S., das war der A. G., Fleischer, er hatte sein Fleischerladen nicht weit vom Rathaus. Er war zeitweise auch Soldat. Am 31.08.1944 hatte er einen LKW mit zwei Anhängern gefahren. Fuhr Wäsche für die Lazarette und der Krankenhauswäscherei (ein zweites Lazarett war die Stadtschule). (...) Meine Tante M. war auch mal im Fleischerladen, hat aber nur die Frau G. angetroffen. Der Frau G. hatte sie mitgeteilt dass es mir sehr schlecht gehe. Sie antwortete aber sehr kurz - mein Mann war nicht privat unterwegs das haben sie doch wohl mitbekommen.„
Weiter fügte die Klägerin eine schriftliche Zeugenaussage der A. L., geboren 1936, bei, welche im Nachbarhaus in G.-S. gewohnt hat. Diese gab an, sie wisse, dass die Klägerin im Jahr 1944 von einem Militärauto auf der K-Straße angefahren und schwer verletzt worden war. Schließlich gelangte eine Bescheinigung des Krankenhauses G.-S. vom 21.12.1944 zur Akte, woraus sich die Entlassung der Klägerin am 21.12.1944 nach stationärer Behandlung ab 31.08.1944 wegen Autounfall ergab.
Der Beklagte fragte beim Krankenbuchlager B. nach, ob dort Unterlagen bezüglich des Ereignisses vorlägen, was mit Schreiben vom 23.07.2008 verneint wurde. Außerdem wurde die Zeugin A. L. schriftlich nochmals gehört. Sie gab an, die Klägerin sei ihre Nachbarin und Freundin, bei dem Unfallfahrzeug habe es sich um einen LKW/Militärauto gehandelt.
Durch Bescheid vom 22.10.2008 lehnte der Beklagte einen Anspruch nach dem BVG ab, da das schädigende Ereignis nicht nachgewiesen worden sei.
Beweisunterlagen hierfür seien weder vorgelegt worden noch zu beschaffen gewesen. Die Klägerin legte hiergegen fristgerecht Widerspruch ein und reichte eine schriftliche Erklärung ihrer Schwestern G., geb. 1926, und L., geb. 1924, vom 10.03.2009 zur Akte, welche folgenden Inhalt hatte: “Wir haben ein Telegramm bekommen von der Tante M. mit “R. Unfall Lebensgefahr„, daraufhin sind wir am Sonntag, den 03.09.1944 nach G.-S. gefahren. Nach der Frage wie ist es passiert wurde uns gesagt - R. ist um Brot zum Bäcker gefahren. Tante M. die unterwegs war und gerade nach Hause fuhr ist an der Unfallstelle stehen geblieben. Eine Bekannte sagte ihr, dass “eure kleine R. einen Unfal...