Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Pflegeversicherung. häusliche Pflege bei Verhinderung der Pflegeperson. Ersatzpflege durch Angehörige. Kostenerstattung. Höhe. Berechnung. keine Beschränkung auf einen Tagessatz
Orientierungssatz
Bei Verhinderung der Pflegeperson ist die Erstattung der Kosten einer notwendigen Ersatzpflege durch Angehörige nicht auf einen Tagessatz in Höhe von 1/28 des Pflegegeldes der jeweiligen Pflegestufe beschränkt.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 22.02.2010 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Klägers im zweiten Rechtszug zu 1/10.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Leistungshöhe bei Angehörigenpflege nach § 39 Satz 4 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - SGB XI - (häusliche Pflege bei Verhinderung der Pflegeperson).
Der 1925 geborene Kläger ist im Rahmen der gesetzlichen Pflegeversicherung Versicherter der Beklagten. Er erhält Leistungen zur häuslichen Pflege nach der Pflegestufe III. Als Beihilfeberechtigter erhält er diese Leistungen zur Hälfte. Das (ungekürzte) Pflegegeld nach der Stufe III belief sich im Jahre 2009 auf 675,00 EUR monatlich. Die ihn betreuende Pflegeperson ist seine Ehefrau O. Die Pflege erfolgt am Wohnsitz des Klägers in D.. Wegen Verhinderung seiner Ehefrau wurde der Kläger im Jahre 2009 zum einen von seinem in H. wohnhaften Sohn S. (einfache Wegstrecke zwischen D. und H. ca. 82 km) und zum anderen durch seinen in B. wohnhaften Sohn Q. (einfache Wegstrecke ca. 309 km) gepflegt.
Am 12.03.2009 beantragte der Kläger Leistungen für Angehörigenpflege nach § 39 SGB XI; für den Zeitraum 27. bis 30.01.2009 durch seinen Sohn S. vom 31.01. bis 01.02.2009 durch seinen Sohn Q. wegen Ausfall seiner Ehefrau aufgrund Katheteruntersuchung sowie vom 06. bis 08.03.2009 durch seinen Sohn Q. wegen akuter Erkrankung seiner Ehefrau. Der die Ersatzpflege nicht zur Erzielung von Erwerbseinkommen durchführende Sohn S. quittierte am 06.02.2009, für den Zeitraum der Verhinderungspflege von dem Kläger 200,00 EUR (davon 80,00 EUR für Fahrtkosten) erhalten zu haben. Der die Ersatzpflege nicht zur Erzielung von Erwerbseinkommen ausgeübt habende Sohn Q. quittierte am 20.02.2009, für den ersten Zeitraum der Verhinderungspflege von dem Kläger 250,00 EUR (davon 190,00 EUR für Fahrtkosten) erhalten zu haben. Am 08.03.2009 quittierte er, für den zweiten Zeitraum der Verhinderungspflege von dem Kläger ebenfalls 250,00 EUR (davon 190,00 EUR für Fahrtkosten) erhalten zu haben.
Mit Bescheid vom 20.03.2009 erstattete die Beklagte für die geltend gemachten Zeiträume der Verhinderungspflege Aufwendungen i.H.v. insgesamt 248,48 EUR. Dabei brachte sie pflegebedingte Aufwendungen von täglich 12,053 EUR und Fahrtkosten pro gefahrenen Kilometer von 0,10 EUR in Ansatz. Somit errechnete sie für den Zeitraum vom 27. bis 30.01.2009 einen Erstattungsbetrag von 64,61 EUR, für die Zeit vom 31.01. bis 01.02.2009 von 85,91 EUR und für den Zeitraum 06. bis 08.03.2009 von 97,96 EUR.
Zur Begründung des dagegen erhobenen Widerspruchs führte der Kläger aus, dass die von ihm seinen Verhinderungspflegepersonen gezahlten Aufwendungen in geltend gemachter Höhe zu erstatten seien. Diese beliefen sich für den Zeitraum 27. bis 30.01.2009 auf 80,00 EUR Fahrtkosten und 120,00 EUR Aufwendungen, für die Zeit vom 31.01. bis 01.02.2009 auf 190,00 EUR Fahrtkosten und 60,00 EUR Aufwendungen sowie für den Zeitraum 06. bis 08.03.2009 auf ebenfalls 190,00 EUR Fahrtkosten und 60,00 EUR Aufwendungen.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 04.06.2009 zurückgewiesen. Im Jahre 2009 habe der Kläger als Beihilfeberechtigter gegenüber der Beklagten Anspruch auf Pflegegeld nach der Stufe III i.H.v. monatlich 337,50 EUR gehabt. Nach dem Bundesreisekostengesetz hätten Beihilfeberechtigte Anspruch auf Erstattung von 0,10 EUR für den gefahrenen Kilometer. Der in Ansatz gebrachte Tagessatz für pflegebedingte Aufwendungen bei Verhinderungspflege durch Angehörige von 12,053 EUR sei nach der Formel Anspruchstage Verhinderungspflege x individuelles Pflegegeld: 28 Tage zu berechnen. Diese 28 Tage seien daraus abgeleitet, dass die Übernahme von Kosten für eine notwendige Ersatzpflege nach § 39 SGB XI auf längstens vier Wochen (= 28 Tage) beschränkt sei.
Zur Begründung der dagegen zum Sozialgericht Gelsenkirchen (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Vorbringen wiederholt. Insgesamt seien 228,34 EUR an Aufwendungen nicht berücksichtigt worden. Davon habe die Beklagte hälftig 114,17 EUR zu erstatten.
Der Kläger hat sinngemäß beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.03.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.06.2009 zu verurteilen, an ihn 114,17 EUR nebst 4 % Zinsen ab 20.03.2009 zu zahlen.
Die Beklagte hat die angefochtenen Entscheidungen verteidigt. Die Berechnung von Fahrtkosten nach dem Bundesreisekostengesetz ergebe sich aus einer entsprechenden Anwendung von § 60 Abs. 3 Nr...